Kernenergie ist Natur pur

Natürliche Reaktoren in Gabun setzten Energie aus Kernspaltung frei. Die Energiegewinnung aus der Kernspaltung von Uran wird heute in vielen Ländern umgesetzt. Einst lief dieser Prozess in der Natur ohne menschliches Zutun ab.

Radioaktivität ist fraglos ein natürliches Phänomen. Sie ist eine Eigenschaft von bestimmten Varianten der Elemente, den Isotopen. Einige davon – bei manchen Elemente alle Isotope – sind instabil und haben die Tendenz, sich unter Abgabe kleinerer Teilchen oder elektromagnetischer Strahlung in stabilere Atomkerne umzuwandeln. Auf diese Weise sind bereits Isotope und ganze Elemente auf diesem Planeten verschwunden. So existieren vom Plutonium in der Erdkruste nur noch Spuren des primordialen – des anfänglich vorhandenen – Plutoniums. Präziser: Spuren des Isotops Plutonium-244, das mit 82 Millionen Jahren Halbwertzeit das stabilste aller Plutoniumisotope ist. Dazu kommen in Uranlagerstätten noch winzigste Mengen von Plutonium-239, die aus Uran-238 durch den Einfang natürlicher Neutronen entstehen. Die Kernspaltung – der Zerfall eines Atomkerns in zwei kleinere stabile Kerne – ist ein Spezialfall der Radioaktivität.

Regelkreis aus Neutronen und Moderatormaterial

Er kann spontan stattfinden oder induziert durch Bestrahlung mit Neutronen. Letztere – die induzierte Kernspaltung – ist die Grundlage der heutigen Gewinnung von Atomkraft. Genau genommen nutzen wir in unseren Kraftwerken die Spaltung von Uran-235 mit langsamen Neutronen. Unter langsamen oder auch „thermischen“ Neutronen versteht der Fachmann solche, deren kinetische Energie so weit vermindert ist, dass sie quasi im Kernbrennstoff umher vagabundieren – nur angetrieben von der Wärme der Umgebung, daher „thermisch“. Als Bremsmaterial oder „Moderator“ der von Geburt an schnellen Neutronen kommen Stoffe in Frage, die eine kleine Massenzahl haben. Auch sollten sie einen möglichst kleinen „Wirkungsquerschnitt“ für den Neutroneneinfang haben, also diese weder aufbrauchen noch sonst wie mit ihnen reagieren. Diese Voraussetzungen laufen in der Praxis auf Wasser, schweres Wasser oder Kohlenstoff in Form von Graphit hinaus. In wenigen Fällen werden auch schnelle Neutronen zur Kernspaltung benutzt. Dann nämlich, wenn auch das sonst nicht nutzbare Uran-238 zu dem Spaltstoff Plutonium-239 umgewandelt werden soll. Dieser Brutvorgang wird nur in wenigen Anlagen, den schnellen Brütern, durchgeführt.

Nur kritische Reaktoren liefern Energie

Zur Spaltung von Uran-235 wird pro Uranisotop ein Neutron gebraucht, das als Ausgangsprodukt zusammen mit den Spaltprodukten wieder freigesetzt wird. Die Neutronensuppe um den Kernbrennstoff sollte demnach immer gleich dick sein, damit die Kettenreaktion nicht abbricht. Wenn die Neutronenflussdichte gleich hoch bleibt, ist der Reaktor kritisch und die Kettenreaktion möglich. Im realen Betrieb muss der Reaktor immer etwas überkritisch sein, da Neutronen von den Spaltprodukten absorbiert werden oder aus dem Reaktionszentrum entkommen. Bei der Uranspaltung muss der Uran-235-Anteil im Gesamturan bei ca. 3% liegen, damit die Rechnung aufgeht. Das natürliche Isotopenverhältnis Uran-235 zu Uran-238 liegt aber nur bei 0.7202 %, womit klar ist, dass das Uran-235 im Natururan angereichert werden muss, um daraus Energie zu schöpfen.

Vor zwei Milliarden Jahren war die Uranspaltung ohne Isotopenanreicherung möglich

Mit einer Halbwertzeit des Uran-235 von gut 700 Millionen Jahren lässt sich ausrechnen, dass vor zwei Milliarden Jahren der Anteil des Uran-235 im Natururan hoch genug war. Damals könnte in der Tat in manchen Uranerzflözen die Voraussetzungen für eine anhaltende Kettenreaktion gegeben gewesen sein. In Verbindung mit Wasser als Moderator – zum Beispiel Grundwasser – könnte man sich einen natürlichen Uranmeiler vorstellen. Das galt zunächst nur als eine abenteuerliche Idee, bis eine Isotopenanomalie im Uranerz der Oklo-Mine in Gabun genau diese Theorie erhärtete. Im Oklo-Erz fand ein französischer Physiker der Urananreicherungsanlage Eurodif ein Isotopenverhältnis von 0.7171 % vor. Gegenüber dem üblichen Wert, der auch in Mondgestein bestätigt wurde, wurde diese Abweichung als signifikant betrachtet. Später wurden in anderen Oklo-Erzproben sogar noch geringere Werte gefunden. Die vom Weltdurchschnittswert abweichenden Isotopenverhältnisse anderer Elemente – etwa dem des Neodym-142 – untermauerten den Verdacht, dass hier eine Kettenreaktion über längere Zeit im Gang gewesen sein dürfte, die zur Spaltung des Uran-235 führte.

Ein Reaktor als Museum

Eine der heißen Zonen von damals ist heute begehbar. Im fossilen Reaktor Nummer 15 sind heute noch die gelblichen Reste des Urandioxids zu sehen, die im Proterozoikum als Kernbrennstoff dienten. Über 500.000 Jahre wurden hier mit einer thermischen Leistung von 100 Kilowatt insgesamt mehr als 100 Terawatt Energie produziert. Ein modernes Kernkraftwerk bietet mit der 10.000-fachen Leistung den gleichen Energieoutput in wenigen Jahren, ist aber nichts anderes als der optimierte Prozess einer Reaktion, die bereits vor zwei Milliarden Jahren in der Natur ablief.

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