Meinungen zur Zeitarbeit

Vielfältige Berufserfahrung vs. schlechte Bezahlung. Als positives Argument für die Leiharbeit wird meist angeführt, in relativ kurzer Zeit verschiedene Firmen kennenlernen zu können.

Mit dem vorgenannten Argument werben viele Zeitarbeitsunternehmen, und auch eine Reihe von Arbeitnehmern ist mit dieser Alternative durchaus zufrieden gewesen, insbesondere wenn sie nach relativ kurzer Zeit in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen wurden, nachdem sie die Möglichkeit hatten, über eine Zeitarbeitsfirma Einblick in verschiedene Unternehmen zu gewinnen und ihr Repertoire an beruflichen Fähigkeiten zu erweitern.

Unterdurchschnittliche Bezahlung

Mit deutlichem Abstand wurden jedoch in den meisten Beiträgen verschiedener Blogs und Portale die negativen Aspekte betont. Immer wieder ist der Begriff „moderne Sklaverei“ gefallen, der meist stichhaltig begründet wurde. Als Hauptgrund für die Unzufriedenheit mit Leiharbeitsverhältnissen wurde die unterdurchschnittliche Bezahlung genannt. Zum Vergleich: Ein fest angestellter Systemadministrator erhält ein Bruttogehalt von 2.600 €, der betreffende Zeitarbeitnehmer sollte für die gleiche Arbeitsleistung bei gleicher Stundenzahl jedoch lediglich genau die Hälfte verdienen, wobei fraglich ist, wer von einem Bruttogehalt von 1.300 € seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Je nach Steuerklasse bleiben im Schnitt davon 650 bis 800 € netto übrig. Gerne wird als Gegenargument angeführt, dass lediglich ungelernte oder angelernte Kräfte schlecht bezahlt werden, aber bei einem Systemadministrator ist nicht davon auszugehen, dass es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, die von jedermann ohne Vorkenntnisse leicht erlernbar ist.

Selbst wenn ein Arbeitnehmer lediglich als Produktionshelfer eingesetzt wird und über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, sollte auch dieser seinen Lebensunterhalt alleine bestreiten können, ohne zusätzlich auf Finanzspritzen vom Staat, den Eltern oder anderen Familienmitgliedern angewiesen zu sein. Hinzu kommt, wie bereits an dem o. a. Beispiel deutlich gemacht, dass auch Fachkräfte in der Regel im Rahmen eines Zeitarbeitsverhältnisses unterbezahlt sind.

Zeitarbeit als Karrierek(n)ick?

Als weitere Argumente gegen die Zeitarbeit werden die schlechte Planbarkeit von Urlaub und Freizeit genannt, engagierte Arbeit mit vielen Überstunden ohne adäquate Entlohnung sowie das negative Image, das manche Unternehmen Zeitarbeitnehmern zuschreiben (insbesondere, wenn derjenige länger als ein Jahr bei einem Personaldienstleister beschäftigt ist), so dass auf viele Bewerbungen um eine Festanstellung Absagen folgen. Daraus resultiert die Tatsache, dass die Zeitarbeit selbst Fachkräften entgegen eigenen Werbeaussagen meist keine vernünftigen Karriereperspektiven bieten können. Die wenigsten Leiharbeitnehmer können im Nachhinein von sich behaupten, durch ihre Tätigkeit als solcher einen relevanten Karriereschub erfahren zu haben.

Manche Leiharbeitnehmer beklagen, dass ihnen unter fadenscheinigen Vorwänden wegen Arbeitsverweigerung gekündigt wurde, beispielsweise wenn eine Arbeitnehmerin aufgrund einer Behinderung keine überwiegend stehende Tätigkeit ausüben konnte. Schon alleine der Hinweis auf das Handicap wurde zum Anlass genommen, dies als Arbeitsverweigerung zu werten und als Anlass zur Kündigung zu nehmen. Auch der Hinweis auf arbeitssicherheitsrechtliche Verstöße im Kundenbetrieb ist schon des Öfteren Anlass für eine Kündigung seitens des Zeitarbeitsunternehmens gewesen – obwohl die meisten im Rahmen des Einstellungsgespräches explizit darum bitten, auf solche Mängel im Kundenbetrieb aufmerksam zu machen. Unbequeme, mitdenkende Mitarbeiter scheinen in der Branche also nicht erwünscht zu sein.

In manchen Fällen wurden Zusagen nicht eingehalten, meist ging es dabei um eine Lohnerhöhung nach Bestehen der Probezeit.

Alternative zu ALG I und Hartz IV?

Viele Zeitarbeitsunternehmen und auch ehemalige Leiharbeitnehmer, die von den vorgenannten Problemen offensichtlich nicht betroffen waren, preisen Zeitarbeit als Alternative zu ALG I und Hartz IV an. Dieses Argument wird dadurch entkräftet, dass das Arbeitslosengeld bzw. die Hartz IV-Leistungen vielfach sogar höher liegen als die Entlohnungen aus einem Leiharbeitsverhältnis mit 38,5 und mehr Wochenstunden. Eigentlich kommt das Wort „Lohn“ von dem Verb ent- oder belohnen. Wenn das Entgelt vieler Arbeitnehmer trotz Vollbeschäftigung jedoch deutlich unter bzw. kaum über den Sätzen von ALG I/Hartz IV liegt, kann davon keine Rede sein. Normalerweise sollte Arbeit sich dahingehend lohnen, dass sie dem Einzelnen ermöglicht, unabhängig von staatlichen Mitteln oder der Finanzspritze von Eltern, Großeltern oder Lebenspartner leben zu können.

Vielen Leiharbeitnehmern ist durchaus bewusst, dass sie sich in einer Spirale nach unten befinden, trauen sich jedoch vielfach nicht, sich an geeigneter Stelle zu beschweren (z. B. bei den zuständigen Landesarbeitsämtern) oder sich mit anderen Kollegen zusammen zu tun, um gemeinschaftlich gegen Dumping-Löhne und moderne Sklaverei vorzugehen. Solange die Betroffenen jedoch lediglich still vor sich hin leiden und ihren Unmut nur an inoffiziellen Stellen (Internet-Foren, Familie, Freunde) kommunizieren, wird sich an der Praxis vieler Zeitarbeitsunternehmen nichts ändern, stattdessen wird der Etablierung von Arbeitskräften erster (Festangestellte), zweiter (Leiharbeiter) und dritter Klasse (Ein-Euro-Jobber, Praktikanten) auf dem Arbeitsmarkt weiter Vorschub geleistet.

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