Meningokokken – der unbekannte Feind

600 – 800 Menschen erkranken pro Jahr in Deutschland an Meningokokken-Meningitis oder Meningokokkensepsis, knapp 40% davon sind Kinder unter 5 Jahren.

Es begann harmlos und entwickelte sich zum Albtraum.Der zweijährige Alexander* zeigte Symptome einer Erkältung. Am Abend stellte sich Fieber ein, das schnell auf 39°C stieg und sich trotz Fieberzäpfchen, Wadenwickel und luftiger Kleidung nicht senken ließ.

Alexander fiel in einen unruhigen Schlaf. Beim Wickeln am nächsten Morgen fand seine Mutter den kleinen Körper von roten Flecken übersät, die sich keiner ihr bekannten Kinderkrankheit zuordnen ließen. Sie vereinbarte einen Termin beim Kinderarzt – doch den konnte sie nicht mehr wahrnehmen. Alexander wurde zunehmend apathischer und die roten Flecken verfärbten sich bläulich.

Seine Mutter zögerte nicht länger, packte ihren kleinen Sohn und brachte ihn unverzüglich in die 20 km entfernte Kinderklinik. „Kaum hatte ich die Klinik betreten, als auch schon ein Arzt auf mich zukam, mit einem Blick die Lage erfasste, mir den Kleinen aus den Armen riss und ‚Notfall, Notfall!‘ rufend mit ihm in einem Behandlungsraum verschwand“, berichtet Carolin Klavus*.

Die Diagnose, die ihr nach einer Zeit endlos scheinenden Wartens mitgeteilt wurde: Meningokokkensepsis – durch Meningokokken verursachte Blutvergiftung.Im buchstäblich letzten Moment gelang es den Ärzten, Alexanders Leben zu retten, doch niemand vermochte zu sagen, welche kurz-und langfristigen Folgen die Krankheit für ihn haben würde.

Meningokokken, was ist das?

Meningokokken sind Bakterien, die per Tröpfcheninfektion übertragen werden. Viele Menschen tragen dieses Bakterium auf ihrer Rachenschleimhaut, ohne jemals daran zu erkranken. Die Inkubationszeit (d.h. die Zeit zwischen Übertragung und Ausbruch der Krankheit) beträgt in der Regel 3 bis 4 Tage.

Während Erwachsene relativ selten von einer eitrigen Hirnhautentzündung befallen werden, entfallen statistisch 52 Krankheitsfälle auf 100 000 Kinder unter 6 Jahre, auch Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren tragen ein hohes Erkrankungsrisiko.

Meningokokken können sowohl Meningitis (Hirnhautentzündung) als auch eine Sepsis (Blutvergiftung) oder beides gleichzeitig als Mischform verursachen. Im Falle einer Sepsis breitet sich der Erreger im ganzen Körper aus und greift das Gewebe an. Dann sind zunächst kleine, punktförmige Einblutungen auf der Haut zu erkennen, die später flächig ineinander übergehen und sich blauschwarz verfärben.

Wie sieht eine Behandlung aus?

Eine Meningokokken-Infektion wird im Krankenhaus mit hohen Antibiotikagaben und intensivmedizinischer Betreuung behandelt, um bei eventuell auftretenden Komplikationen zeitnah reagieren zu können.

Und die Folgen?

Die Sepsis verläuft meist schwer und kann Organschäden verursachen (oft ist das Gehör betroffen) oder aufgrund von Nekrosen (abgestorbenes Gewebe) Hauttransplantate oder die Amputation von Gliedmaßen notwendig machen.

Kann man dieser Krankheit vorbeugen?

Wie viele andere Krankheitserreger besitzt auch das Meningokokken-Bakterium verschiedene Unterformen, sogenannte Serotypen, die regional unterschiedlich stark vertreten sind. So kommen Meningokokken des Typs A vorwiegend in Afrika vor, in Deutschland sind die Serotypen B und C vertreten.

Die Ständige Impfkommission empfiehlt seit Juli 2006 eine Impfung aller Kinder ab dem 12. Lebensmonat. Das Tückische daran: Eine Impfung ist nur gegen Meningokokken des Typs C möglich. Ein Impfstoff gegen Serotyp B konnte bislang nicht entwickelt werden. Auch der kleine Alexander aus dem Eingangsbeispiel war geimpft!

Glück im Unglück

Nach einer Woche auf der Intensivstation der Kinderklinik konnte Alexander auf die normale Kinderstation verlegt werden. Der Gewebeverlust an Po und Beinen machte mehrere Operationen nötig, in deren Verlauf die Nekrosen abgetragen wurden.

Äußerlich erinnern nur die OP-Narben an den Albtraum, den er und seine Familie durchlebt haben. Ob die schwere Krankheit Folgeschäden nach sich zieht, kann kein Arzt vorhersagen. Und doch hatte der Kleine mehr Glück als viele seiner Schicksalsgenossen. Immer wieder berichten die Medien von Kindern, die nicht so viel Glück hatten, die Gliedmaßen und im schlimmsten Fall ihr Leben verloren haben.

Was kann man zur Aufklärung tun?

„Alexanders Leben konnte nur gerettet werden, weil der Arzt sofort wusste, was zu tun war. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ich mir Vorwürfe gemacht habe, weil ich die Alarmzeichen erst erkannte, als es fast zu spät war“, sagt Carolin Klavus.

Aus diesem Grund hat sie sich der Initiative „Gemeinsam gegen Meningokokken e.V.“ angeschlossen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, der Bevölkerung die Erkrankung und ihre Symptome ins Bewusstsein zu bringen, damit, so Carolin Clavus, „Eltern ihr Kind so früh wie möglich zum Arzt bringen.“

Als Selbsthilfegruppe dient der Verein darüber hinaus auch dem Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen.

*Namen geändert

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