Nabelschnurblut – Geschäft mit der Angst

Nabelschnurblut enthält besonders viele Stammzellen. Doch das Einfrieren ist teuer.

Es klingt wie Zukunftsmusik: Im Jahr 2017 hat ein sechsjähriges Mädchen mit Hilfe von Stammzellen aus dem Blut seiner eigenen Nabelschnur eine Leukämie-Erkrankung überstanden. Zunächst schlug die Behandlung mittels Chemotherapie bei der kleinen Patientin fehl. Vier Monate später gab es am Advocate Hope Children’s Hospital in Oak Lawn im US-Bundesstatt Illinois eine zweite Chemotherapie mit anschließender Nabelschnurblut-Infusion. Das Blut war nach der Geburt des Kindes in der kommerziellen Nabelschnurblutbank Corcel eingelagert worden – einer US-Tochter der deutschen Vita34-Holding. Nabelschnurblut enthält besonders viele Stammzellen. Diese sollen – werden sie nach der Geburt aufbewahrt – einem Menschen bei der Bekämpfung verschiedener Erkrankungen zur Verfügung stehen. Stammzellen sind Körperzellen, die noch nicht spezialisiert sind – beispielsweise als Haut- oder Leberzellen. Ihre Bestimmung ist noch offen. Sie sind in der Lage, ständig neue, organspezifische Tochterzellen zu erzeugen und sich dabei selbst zu erhalten. Über das Schicksal der Tochterzellen wiederum entscheidet das biologische Milieu, in dem diese sich befinden.

Ersatzteillager auf Lebenszeit – Experten sind skeptisch

Kühl gelagert – ähnlich wie in einem Tiefkühlfach – soll das Nabelschnurblut so als Ersatzteillager für erkrankte Zellen und Organe dienen. Mittlerweile haben über zwei Millionen Eltern weltweit das Nabelschnurblut ihrer Neugeborenen einfrieren lassen. Darunter vor allem Eltern, die nicht besonders aufs Geld achten müssen, wie der spanische Kronprinz Felipe und seine Gattin Letizia.

Doch Mediziner warnen vor allzu großer Euphorie. So gibt unter anderem Professor Dr. Gerhard Ehninger, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie zu bedenken, dass bei einer Nabelschnurblut-Therapie eigenes Blut verwendet wird. Und so die Gefahr bestehe, dass die genetische Veranlagung einer Leukämie gleich mit übertragen werde. Die Folge: die Erkrankung kann nicht mit Sicherheit geheilt werden – Leukämie könnte jederzeit erneut auftreten. Zudem seien Erfolgsgeschichten wie aus Illinois eher selten und würden die Investition nicht rechtfertigen. Ehinger rät frisch gebackenen Eltern vom kommerziellen Einfrieren von Nabelschnurblut ab.

Auch der Bund Deutscher Hebammen kann dieser Behandlung nichts Gutes abgewinnen und kritisiert diese als „Geschäftemacherei“. Für eine Einlagerung von 20 Jahren, müssten Eltern immerhin zwischen 1.500 und 2.000 Euro bezahlen. „Hier wird ein Geschäft mit der Angst der Eltern gemacht“, so Magdalene Weiß, ehemalige Präsidentin des Hebammenverbandes. Dass viele Frauenärzte ihren Patientinnen zum Einfrieren des Nabelschnurblutes raten, könnte an dem „Beratungshonorar“ von rund 50 Euro liegen, dass die Ärzte von Vita 34 erhalten.

Nabelschnurblut für die Allgemeinheit

In etwa 60 Deutschen Kliniken wird Nabelschnurblut hingegen kostenlos in öffentlichen Stammzellbanken eingelagert. Im Gegensatz zu den privaten Anbietern, dienen diese Nabelschnur-Blutbanken der Allgemeinheit, zum Beispiel für Kinder, die an Leukämie erkrankt sind und für die kein Knochenmarksspender gefunden werden kann. Auch erwachsenen Blutkrebs-Patienten soll durch diese öffentlich finanzierten Nabelschnurblutbanken geholfen werden. Aber auch hier kann dem Patienten nicht garantiert werden, dass mit dem Nablschnurblut auch Krankheiten übertragen werden.

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