Nacheiszeitliche Landhebungen

Das Inlandeis drückte die Erdkruste bis zu 1.000 m in die Tiefe und schränkte das Strömungsregime im obersten Erdmantel ein. Seit dem Abschmelzen drückt dieser zurück.

Während des gesamten Paläozoikums bedeckten Inlandeismassen die Südpolarregion. Nach der langen klimatischen Kontinuität des Mesozoikums kühlten sich vor etwa 30 Millionen Jahren, am Ende des Eozäns (Tertiär), die Polargebiete empfindlich ab und vergletscherten. Seitdem konnten sich kalte, ozeanbodennahe, sauerstoffreiche Wasserschichten (Psychrosphäre) ausbilden, ohne die unser gegenwärtiges Klima nicht vorstellbar ist. Seitdem schlug das klimatische Pendel heftig in unterschiedliche Richtungen aus. Die klimatische Instabilität bestimmt, unabhängig von unserer Beeinflussung des ursprünglichen geochemischen Haushalts der Erde, die geologische Gegenwart.

Gletscher drückten die Erdkruste bis auf 1.000 m unter den heutigen Meeresspiegel

Auf den Höhepunkt der letzten Vereisung vor etwa 20.000 Jahren bedeckten die Eismassen allein in Nordamerika 15 Millionen Quadratkilometer, was der Größe der heutigen Antarktis entspricht. Dieser Eispanzer war alles andere als gleichförmig. Die Gletscher mit ihrer undulierten Oberfläche konnten in ihrer Mächtigkeit von wenigen Metern bis zu einer Stärke von 5.000 m schwanken. Entsprechend proportional ist der Zusammenhang zwischen der Eismächtigkeit und ihrer Last, die an den Mächtigkeitszentren zu einer Absenkung der Erdkruste von bis zu 1.000 m unter dem heutigen Meeresspiegelniveau in Nordamerika und Nordeuropa führen konnte. Demnach ergab sich nach dem Verschwinden des nördlichen Inlandeises, was sich hauptsächlich auf Grönland zurückzog, eine Entspannung der eisbedeckten Kruste, die je nach Eislast mit unterschiedlichen Hebungsbeträgen immer noch anhält.

Anders Celsius bezog in Schweden den Luftdruck auf den Ostseespiegel

Für den schwedischen Mathematiker und Physiker Anders Celsius (1701-1744), der die Temperatur auf das Gewicht der Luft und damit ihren Einfluss auf den hundertsten Teil einer Quecksilbersäule von 760 mm beziehen wollte, war es erforderlich, diesen Luftdruck auch auf eine Meeresspiegelhöhe zu beziehen. Vor allem die tidenlose Ostsee bot in Schweden dafür eine scheinbar günstige Voraussetzung. Seit Celsius‘ Zeiten bemerkte man aber auf dem skandinavischen Festland ein Zurückweichen des Ostseespiegels. Vom Meer beeinflusste Salzwassermoore wurden nach ihren geologisch dokumentierten Sedimenten zu Süßwasserbereichen, alte Dünen- oder Steilufer sind einige Kilometer weit von den Küsten zu finden.

Muschelbänke bei Udevalla

In Udevalla, nördlich von Göteborg, finden sich am Rand einer stillgelegten Kiesgrube Muschelschalenanhäufungen, die vier Kilometer vom nächsten Meeresarm entfernt heute die einstige Küste des Skagerraks stumm bezeugen. Im Süden der Ostseeküste lässt sich das Gegenteil feststellen. Denn an den deutschen und polnischen Küstenbereichen findet ausgleichend eine Küstenabsenkung statt, die sich jedoch durch die Abtragungs- und Anlandungsdynamik der Wind- und Strömungsverhältnisse mitunter ausgleicht (Boddenausgleichsküste).

Schneller Meeresspiegelanstieg – langsamer, zeitverzögerter Landanstieg

So ließe sich die geologische Wechselwirkung zwischen der sich reckenden, vom Eis entlastenden Landmassen (Isostasie) schildern. Die Phasen der Ostseeentstehung sind dafür ein Beispiel. Das Schmelzen der Gletschermassen ist schneller als der Anstieg der von den Gletschern entlasteten Erdkruste. So kam es während der seit etwa 10.000 Jahren anhaltenden Ostseeentwicklung zu Meeresspiegelanstiegen, die weit in das Gebiet der Finnischen Seen bis zum Ladogasee hinein reichten. Die ausgleichenden Landhebungen führten dann vor etwa 8.500 Jahren zu einer vorübergehenden Isolation der Ostsee vom Meer. Nach der Beschleunigung des Meeresspiegelanstieges (Eustasie) während des nach der Strandschnecke Littorina benannten Stadiums der Ostseeentstehung, hält der Trend einer Landhebung weiterhin an. Die Grenzen der heutigen Ostsee sind durch die skandinavische Halbinsel eingeschränkt.

Die Verbreitung der Riesenassel bezeugt diese Entwicklungen

Die bis zu 8 cm große Riesenassel (Saduria entomon) ist ein weiteres Eiszeitrelikt, das ursprünglich aus dem Weißen Meer eingewandert ist. Diese an verschiedene Salzgehalte angepasste Kaltwasser-Krebsart ist ein Indiz für die einstige Ausbreitung sowohl des nach der Süßwassernapfschnecke bezeichneten Ancylus-Sees als auch des Littorina–Meeres. Das Vorkommen von Saduria vom Vänernsee, dem Finnischen und Bottnischen Meerbusens über den Ladogasee und Onegasee bis ins Weiße Meer belegt die einstige Ausbreitung der Ostsee, wobei die Vorkommen der Riesenassel in Süßwasserseen durch die Landhebungen von ihrem einstigen marinen Lebensraum abgeschnitten wurden. Die heute noch anhaltenden isostatischen Ausgleichsbewegungen in Skandinavien sind am Nordrand des Bottnischen Meerbusen am höchsten und können bis zu 1 cm im Jahr betragen. Wobei sich der Gesamthebungsbetrag dieser Region seit dem Verschwinden des Inlandeises auf etwa 100 m beläuft.

Landhebungen im nordöstlichen Nordamerika

Aufgrund größerer Schneemengen erreichte die letzte Eiszeit im östlichen Nordamerika ihre größte Ausdehnung. Über der Hudson Bay türmten sich die Gletscher bis zu 5.000 m auf. Auch hier lässt sich das Wechselspiel von schnellem Meeresspiegelanstieg durch das Freiwerden gewaltiger Wassermengen mit dem gegenwärtig anhaltenden Trend der Landhebung von bisher etwa 300 m beobachten. Alte Strandrücken weit im Landesinneren bezeugen in der Umgebung der Hudson Bay diese Entwicklung. In der „Eisbärenhauptstadt“ Churchill in Manitoba belaufen sich die Hebungsbeträge auf etwa 6 mm pro Jahr, was teilweise die Navigation in der Umgebung des Hafens erschwert.

Der Lake Winnipeg wandert nach Süden

Der Lake Winnipeg, der mit zu den größten Seen Nordamerikas gehört, kann wie auch viele seiner Nachbarseen als ein Überbleibsel des einstigen 350.000 qkm großen Lake Agassiz gelten, der sich über große Teile der kanadischen Provinzen Manitoba und Ontario und Teilen der US-Bundesstaaten North Dakota und Minnesota erstreckte. An dessen Nordgrenze hält die Landhebung des Kanadischen Schildes stärker an als in den ordovizischen Kalksteinen nördlich von Winnipeg. So wanderten durch diesen Effekt, gleich einer gekippten Badewanne, die Ufer des Lake Winnipeg in einem Zeitraum von etwa 8.000 Jahren etwa 80 km weiter nach Süden, was die Frühjahrshochwassergefahr der im Red River Valley gelegenen Großstadt Winnipeg langfristig steigen lässt.

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