Probleme in der Jugend- und Kindermedizin

Experteninterview mit Univ.-Prof. Dr. Klaus Schmitt über Mankos in der Kinder- und Jugendheilkunde in Österreich und die wichtigsten Anliegen der Kinderärzte.

Seit 1. Jänner 2009 werden Österreichs Kinderärzte in der „Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde“ durch einen neuen Präsidenten vertreten: Den Linzer Primar Univ.-Prof. Dr. Klaus Schmitt, ärztlicher Leiter der Landes-Frauen- und Kinderklinik.

Herr Prof. Schmitt, eines Ihrer wichtigsten Anliegen als Präsident der Kinderärzte ist die Einrichtung fehlender Rehabilitationseinrichtungen für Kinder in Österreich. Könnten Sie das konkretisieren?

Prof. Dr. Klaus Schmitt: Da Kinder ja noch nicht im Arbeitsprozess sind, hat es bisher keine wirklichen Interessen gegeben, für sie Rehabeinrichtungen zu errichten. Sie sind wenn dann im Erwachsenenbereich integriert, nur im neurologischen Bereich gibt’s ganz wenige kinderspezifische Einrichtungen. Der Bedarf ist jedoch groß, denken wir nur an Kinder nach Unfällen, nach schweren neurologischen Erkrankungen, nach Herzoperationen, mit zystischer Fibrose (=vererbbare Stoffwechselerkrankung)… Die ständige Kommission der Kinder- und Jugendheilkunde hat für diesen Bereich schon viel Vorarbeit geleistet, jetzt ist es an der Zeit, dass die Bundesregierung die Umsetzung ermöglicht!

Sie fordern auch geänderte Lizenzierungsvorgänge bei Arzneimittelzulassungen für Kinder und Jugendliche. Warum ist das wichtig in der Kindermedizin?

Prof. Dr. Klaus Schmitt: Sehr viele Medikamente, die wir bei Kinder und vor allem bei Neugeborenen verwenden, sind nicht offiziell zugelassen. Der Grund ist einerseits, dass je kleiner die Kinder sind, desto schwieriger ist es, ethisch gesehen Studien zu machen. Auf der anderen Seite fehlt auch seitens der Pharmaindustrie oft der nötige Elan, weil es ein sehr kleiner Markt ist, mit kleinen Dosen. Für uns Ärzte freilich hat das zur Folge, dass wir in einem Graubereich arbeiten, wenn wir Medikamente einsetzen, die nicht offiziell zugelassen sind.

Ein weiterer Ihrer Schwerpunkte in der Kindermedizin ist die gesetzliche Verankerung der Schuleinstiegs- und der jugendmedizinischen Untersuchung…

Prof. Dr. Klaus Schmitt: Die Schuleinstiegsuntersuchung ist zwar im Mutter-Kind-Pass vorgesehen, wird von vielen Familien aber nicht wahrgenommen. Sie ist vor allem wichtig, um Defizite im mentalen, intellektuellen Bereich zu erfassen und rechtzeitig eine Förderung oder Therapie zu starten. Der Zugang im Jugend-Alter ist besonders schwierig. Man könnte z.B. Anreize in Form einer Prämie schaffen.

Welche Präventionsmaßnahmen gegen Adipositas erachten Sie in der Kindermedizin für notwendig?

Prof. Dr. Klaus Schmitt: Viele Kinder- und Jugendärzte greifen das Thema in ihren Ordinationen bereits auf. Das sind jedoch Einzelaktionen, die zusammengeführt gehören. Letztlich müsste es eine bundesweite Aktion gegen Adipositas geben, die Kindergärten, Schulen, usw. mit ein bezieht. Nur so werden wir das zunehmende – auch volkswirtschaftliche – Problem in den Griff bekommen können.

Was ist Ihnen darüber hinaus ein Anliegen?

Prof. Dr. Klaus Schmitt: Den Stellenwert der Pädiatrie bei den verantwortlichen Institutionen und Politikern zu stärken! Als Kinderarzt ist man manchmal zu leise und vielleicht auch zu brav. Wir müssen uns österreichweit aufstellen, um mehr Beachtung zu finden. In diesem Sinne möchte ich die Kollegen sensibilisieren und mobilisieren!

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