Schmerz muss nicht sein

Neuartige Therapien schaffen Erleichterung. Vor allem Tumorpatienten leiden unter heftigen chronischen Schmerzen – dem so genannten Durchbruchschmerz. Abhilfe ist möglich.

Lange Zeit galt Schmerztherapie in Deutschland als wenig entwickelt. Ärzte fürchteten Abhängigkeiten. Erst die Entwicklung der Hospizbewegung hat – neben der Zunahme von Tumorerkrankungen – hier einen Sinneswandel hervorgerufen. Drei Millionen Neuerkrankungen an Krebs jedes Jahr in Europa und zwei Millionen Todesfälle erschüttern. Bis zu neun von zehn Tumorpatienten leiden unter „Durchbruchschmerzen“ – englisch „breakthrough pain“. Derartige Schmerzen treten unvorhersehbar auf, verunsichern die Patienten, lähmen deren Aktivität und verschlechtern die Lebensqualität. Häufig treten Depressionen auf. Das Gesundheitssystem wird mit deutlich höheren Kosten belastet.

Hilfe bei heftigen chronischen Schmerzen

Derartige Durchbruchschmerzen halten bis zu dreißig Minuten und treten drei bis fünfmal täglich auf. Sie sind sofort sehr heftig und von äußerster Intensität. Für die Behandlung solcher Schmerzen steht in Deutschland seit Jahresbeginn ein Medikament unter dem Handelsnamen Effentora zur Verfügung. Es enthält das stark wirkende Opoid Fentanyl. Der Patient legt die Tabletten in die Wangentaschen, wo durch den Brauseffekt des Medikaments der Wirkstoff schnell über die Mundschleimhaut aufgenommen wird. Die schmerzlindernde Wirkung tritt nach wenigen Minuten ein und hält bis zu zwei Stunden an. Der Patient kann die Tabletten nach seinem Bedarf teilen.

Neben diesen Tabletten gibt es eine Therapieform, bei der Schmerzpatienten mit Pflastern versorgt werden. Diese kommen vor allem bei mäßig bis starken chronischen Schmerzen in Betracht. Die mit dem Wirkstoff getränkten Pflaster können bis zu drei Tagen auf der Haut bleiben. Ein solches Pflaster ist seit dem Herbst 2008 auf dem Markt und gibt den Wirkstoff Buprenophin über die Haut ab. Das Pflaster ist seit Anfang 2009 an 1.398 Patienten – von denen zwei Drittel Frauen um die 70 waren – untersucht worden. Neunzig Prozent der Patienten litten unter schweren und schwersten chronischen Schmerzen. Unter dem Pflaster nahmen die Schmerzen signifikant ab, die Lebensqualität und das allgemeine Wohlbefinden besserten sich deutlich. Die Pflaster waren durchweg gut verträglich.

Neue Erkenntnisse der Schmerztherapie in den letzten 20 Jahren

Möglich wurde die Entwicklung, weil in den letzten zwanzig Jahren völlig neue Erkenntnisse über Entstehung und Chronischwerden von Schmerzen gewonnen worden sind. Noch in den 1980er Jahren wurden Schmerzen vor allem mit entzündungshemmenden Wirkstoffen bekämpft. Seither hat die Wissenschaft erkannt, dass dies nicht ausreicht. Vor allem Tumorpatienten in der Lebensendphase brauchen stark wirksame Opoide. Den Patienten ist mit einem bei Auftreten der Schmerzen eingenommen Morphin-Präparat nicht geholfen. Dessen Wirkung beginnt frühestens 30 bis 45 Minuten danach. Dann sind die Durchbruchschmerzen bereits ihrem natürlichen Verlauf folgend wieder abgeklungen. Hier schafft das neue Medikament „Effentora Abhilfe. Die Patienten gewinnen ein Stück Lebensqualität zurück. Das sei ein immens wichtiger Faktor im Alltag der Betroffenen, sagt der Facharzt Dr. Hans-Bernd Sittag aus Göppingen.

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