Warum lügen menschen psychologie

Der Mensch als Lügner. Im Alltag wird die Lüge oft gebraucht. Grundsätzlich verachten Menschen Lügen genauso wie Lügner. In der Regel erwarten wir, dass alle die Wahrheit sagen. Dennoch wird täglich dagegen verstoßen…

Die Lüge hat einen schlechten Ruf und stößt auf wenig Toleranz. In einer Studie ließ der amerikanische Psychologe N. H. Anderson die Probanden zwischen 555 Eigenschaften wählen, die über Sympathie für eine Person entscheiden. An erster und zweiter Stelle lagen die Merkmale „aufrichtig“ (sincere) und „ehrlich“ (honest). Den letzten Platz auf dieser Skala besetzte der Lügner.

Von unserer Umgebung erwarten wir anscheinend alles Mögliche, nur keine Lügen. In gesellschaftlichen Begegnungen und Beziehungen rechnet man eigentlich nicht mit ihnen. Der Mensch ist auf Wahrheit eingestellt und reagiert mit Missfallen auf ihr Gegenstück.

Erste Versuche

Ganz früh lernen wir dennoch mit der Lüge umzugehen. Schon im Alter von zwei Jahren machen Kinder ihre ersten Versuche auf diesem Terrain. Als Trainingsfeld soll den Kindern das Spielen und Übernehmen von verschiedenen Rollen dienen.

Am häufigsten lügen Kinder, um einer Strafe zu entkommen. Sie üben aber auch tüchtig das Mogeln in der Schule, das Verbergen von Gefühlen und die Manipulation von Erwachsenen.

Im Kindesalter noch meist unbeholfen, gewinnt die Lüge mit der Zeit an Raffinesse und zieht sich durch alle Bereiche des erwachsenen Lebens.

Leistung: Lüge

Eine Lüge zu meistern, fällt nicht leicht. Von der Planung bis zur Ausführung benötigt sie einen gehörigen Aufwand. Zuerst wird nach einer geeigneten Täuschungsstrategie gesucht. Diese muss der Situation und dem jeweiligen Opfer angepasst werden.

Dann kommt „die Vorstellung“ selbst. Dabei geht es nicht nur um das Präsentieren der Unwahrheit. Der Lügner muss gleichzeitig die Wahrheit verschleiern und den falschen Eindruck vermitteln. Und dies alles muss auch noch natürlich wirken.

Außer einem guten Gedächtnis bedarf ein Lügner kommunikativer Kompetenz und Flexibilität.

Schau mir in die Augen!

Die Lüge macht sich auf verschiedene Weise bemerkbar. Forscher erwähnen physiologische Veränderungen in den folgenden Funktionen: Hautleitfähigkeit, Durchblutung, Pupillenerweiterung und Atemfrequenz.

Auf diesen Erkenntnissen basiert der zu Beginn des 20. Jahrhunderts konstruierte Lügendetektor. Dennoch sind die damit erreichten Ergebnisse keineswegs zuverlässig. Das Gerät lässt sich von geübten Menschen austricksen.

Für den Alltag bleibt einem also nur, den Verdächtigen genau zu beobachten und ihm in die Augen zu schauen. Diese unvollständige, aus verschiedenen Studien zusammengetragene Liste von Lügenmerkmalen, mag helfen den einen oder anderen Pinoccio zu entlarven:

– Inhalt und Mimik passen nicht zusammen,

– Zupfen an der Kleidung, Kratzen am Kopf und ähnliche Ablenkungsmanöver,

– Zwinkern,

– weniger Lächeln,

– sparsame Mimik,

– höhere Stimmlage,

– Sprechfehler und Unterbrechungen,

– Zögern,

– mehr irrelevante Informationen,

– mehr absolut formulierte Aussagen (Übertreibungen),

– weniger Verweise auf die Vergangenheit,

– weniger Verweise auf eigenes Erleben,

– weniger Plausibilität.

Viele von diesen Merkmalen kennzeichnen aber auch nervöse Menschen. Eine Beurteilung nach dieser Liste kann also gänzlich fehlschlagen.

Wehret den Anfängen?

Ein gelungenes täuschungsmanöver macht uns zu immer besseren Lügneren: In einer Studie (von W.M. Waid und M.T. Orne) teilte man den Probanden fälschlich mit, dass sie ihren ersten Lügendetektor-Test bestanden hätten. Dies führte dazu, dass die nächsten Tests weniger physiologische Auffälligkeiten zeigten, weil die Probanden weniger aufgeregt waren. Der erste geglückte Versuch wirkte auf sie ermutigend und beruhigend. Somit erschwerten sie den Prüfern die Aufgabe, eine Lüge aufzudecken.

Das Fazit aus dieser Studie könnte also lauten: Ein nicht entlarvter Lügner macht einfach weiter und perfektioniert sein Prozedere.

Tiere lügen auch

Wenn man das Lügen im weiteren Sinne als Täuschung versteht, dann sind uns Tiere keineswegs moralisch überlegen. Das Chamäleon, der Meister der Täuschung, ist dem Menschen ein unerreichbares Vorbild. Es passt sich seiner Umgebung perfekt an und blufft gleichermaßen seine Feinde und Opfer.

Das Repertoire der tierischen Täuschung ist nicht klein: Mimikry, Ablenken, Hinlocken, Vorspielen. Die Tiere lassen sich einiges einfallen.

So legt ein Kuckucksweibchen seine Eier einem anderen Vogel ins Nest. Die Eier sind sogar farblich angepasst. Wenn der unfreiwillige Gastgeber dies nicht bemerkt, wird er die fremden Eier ausbrüten. Seine eigenen Kinder werden dann den Kampf ums Überleben mit den schlauen und meist größeren Eindringlingen verlieren.

Nicht eindeutig

Wer lügt, tut dies meist zum eigenen Vorteil. Aber eine Lüge lässt sich nicht immer eindeutig beurteilen. Sie schützt manchmal nur vor Peinlichkeit. Mit ihr kann man wahre oder fiktive Defizite kompensieren, weshalb Menschen mit geringer Selbstwertschätzung angeblich häufiger lügen. Ab und zu kann eine Lüge auch einfach nur ein Scherz oder ein Experiment sein. Als Notlüge behält sie sogar ihre Ehre.

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