Wie funktioniert der Lotuseffekt

Der Lotus-Effekt – Selbstreinigung von Oberflächen. Die Blätter der Lotuspflanze sind immer sauber, denn sie verfügt über einen eingebauten Mechanismus zur Selbstreinigung. Auf den Blättern der indischen Lotusblume bildet das Regenwasser Tropfen, die schon bei geringer Neigung des Blattes abrollen und dabei Staub und Schmutzpartikel aufnehmen und entfernen. Dadurch bleibt die Blattoberfläche stets sauber und ist nach einem Regenschauer sofort trocken.

Über diesen Selbstreinigungseffekt verfügen weitere Pflanzen, wie zum Beispiel die Kapuzinerkresse, Kohl oder Tulpen. Der Lotus steht jedoch in östlichen Ländern als Symbol für Reinheit und Schönheit. Das liegt insbesondere daran, dass er in einer schmutzigen Umgebung gedeiht und dabei immer über saubere Blätter verfügt. Deshalb ist die Selbstreinigungskraft von Pflanzen unter dem Namen „Lotuseffekt“ bekannt.

Lotuseffekt im Tierreich

Die Selbstreinigung ist nicht auf das Pflanzenreich beschränkt. So besitzen einige Libellen und Schmetterlinge selbstreinigende Flügel. Zu ihnen zählt der tropische Morphofalter. Seine blau schillernden Flügel reinigen sich mit jedem Regenschauer von selbst.

Rau statt glatt

Man könnte annehmen, dass wasserabweisende, hydrophobe Oberflächen absolut glatt sind. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Das Lotusblatt ist von einer Wachsschicht überzogen, die aus unzähligen Wachskristallen zwischen etwa 200 Nanometern und zwei Millimetern besteht. Beim Lotus sind diese Kristalle röhrenförmig; anderen Blätter verfügen über Nanostrukturen in Form von Fäden, Stäbchen oder Schuppen.

Selbstreinigungseffekt

Doch warum läuft Wasser auf einer unebenen Fläche besser ab als auf einer glatten? Die Lösung dieses Paradoxons liegt in einem physikalischen Phänomen, der Oberflächenspannung. Eigentlich ist die Oberflächenspannung des Wassers eine relativ schwache Kraft. Sie bewirkt jedoch, dass Wasser kugelförmige Tropfen bildet. Fällt ein solcher Tropfen auf die raue Blattoberfläche, so legt sich der Wassertropfen auf die Spitzen der Wachskristalle – vergleichbar mit einem Fakier auf einem Nagelbrett. Die Kontaktfläche zwischen Tropfen und Blattoberfläche ist äußerst gering. Durch die geringe Kontaktfläche besitzen die beiden Oberflächen eine geringe Haftung. Hierdurch kullert der Wassertopfen auf dem geneigten Blatt herunter. Trifft er bei seiner Rutschpartie auf einen ebenfalls nur leicht anhaftenden Schmutzpartikel, so verbindet sich der Wassertropfen mit dem Partikel und nimmt ihn mit. Dies ist der Selbstreinigungs- oder Lotuseffekt.

Technische Anwendungen des Lotus-Effekts

Erfolgreiche Anwendungen des Lotus-Effekts sind selbstreinigende Dachziegel und Fassadenfarbe. Ebenfalls ist es gelungen, einen Autolack mit Lotuseffekt herzustellen. Dieser Lack konnte sich am Markt jedoch nicht durchsetzen, da er wegen der erhöhten Rauheit zu matt wirkte.

Im Bereich der Nanotechnologie forscht man an Beschichtungen, die zwar wasserabweisend – jedoch nicht selbstreinigend – dafür aber besonders leicht zu reinigen sind. Meist handelt es sich hierbei um Sprays, die auf mikrostrukturierten Oberflächen, wie zum Beispiel Glas, Keramik oder Kunststoff aufgebracht werden und nach dem Aushärten unebene Nanostrukturen bilden. Anwendungsmöglichkeiten liegen beispielsweise in Schutzschichten für Handys oder Handhelds.

Entdeckung des Lotus-Effekts

Das Wissen über die Selbstreinungskraft einiger Pflanzen und Tiere ist bereits recht lange bekannt. Das Rätsel der Funktionsweise konnte jedoch erst gelöst werden, als das Rasterelektronenmikroskop erfunden war. Die vollständige Aufklärung des Lotus-Effekts gelang Mitte der 90er Jahre dem deutschen Botaniker Prof. Dr. Wilhelm Barthlott. Er suchte in den 70er Jahren nach einer neuen Methode, um den Verwandtschaftsgrad von Pflanzen zu bestimmen. Bei rasterelektronischen Untersuchungen von Blattoberflächen fiel ihm der unterschiedliche Verschmutzungsgrad der Pflanzen auf. Barthlott registrierte 1998 den Namen Lotus-Effect als Marke.

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