Wie wird man Nichtraucher?

Nikotin ist die Droge, von der man am schnellsten süchtig wird. Bereits eine Zigarette kann für den Raucher „lebenslängslich“ bedeuten. Es gibt Auswege – und neue Fallen.

Samstagnachmittag im Seminarraum „Fontane“ des Frankfurter Novotel City. Zwischen einer Managerkonferenz im „Schiller“, einem Esoterikkurs im „Goethe“ und einer Weiterbildung für Versicherungskaufleute (Moliere) findet hier um 14 Uhr ein Nichtraucherseminar statt: „Rauchfrei durch Tiefenhypnose“. Veranstaltet wird es von der Firma Carlo Faraday Mental Training mit Sitz in Bremen. Die zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmer hoffen inständig, das Seminar als „Freiatmer“ zu verlassen. „Und dabei möglichst nicht zuzunehmen!“ wirft eine junge Frau gleich anfangs in die Runde. Alle anderen Frauen nicken.

Unter ihnen ist Heike Hartmann aus Pfinztal-Söllingen. Die 45jährige Beamtin hat in den letzten zwei Jahren bereits mehrfach aufgehört zu rauchen – aber immer wieder damit angefangen. „Letztes Mal habe ich es immerhin vier Monate geschafft!“, erzählt sie achselzuckend, während sie wieder einmal an einer vermeintlich letzten Zigarette zieht. Warum sie überhaupt raucht, kann sie nicht so recht beantworten. „Stress!“ meint sie. Und dann gibt sie zu: So richtig auseinandergesetzt habe sie sich mit dem Thema nicht.

Literatur zum Thema

Dabei gibt es Literatur zum Thema genug. Man denke nur allein an den Dauerbrenner „Endlich Nichtraucher“ von Allen Carr, den es mittlerweile in mehreren bearbeiteten Versionen von verschiedenen Verlagen gibt und das seit 1993 über 10 Millionen Mal verkauft wurde. Doch auch 2007 wurden rechtzeitig zum Weltnichtrauchertag am 31. Mai neue Ratgeber vorgestellt. Provokant als Zigarettenschachtel gestaltet zum Beispiel das Buch „Nikotinsucht – der große Irrtum“. Autor ist der 42jährige Diplom-Pädagoge Andreas Winter. Seine These: dass Zigaretten gar nicht süchtig machen und hinter jedem Zug lediglich der Wunsch steht, sich Luft zu schaffen. Er erklärt, wie die Psyche arbeitet und wie man wirklich vom Rauchen loskommen kann.

Tiefenhypnose

Sicher eine interessante Lektüre, doch Heike Hartmann liest nicht gerne. Und auch eine Hör-CD zum Thema „ist nicht mein Ding. Ich will einfach aufhören zu rauchen!“ Ihr und den anderen Seminarteilnehmern soll jetzt die Tiefenhypnose helfen. Die meisten Teilnehmer haben vor dem Hotel noch schnell eine geraucht und kommen daher ein wenig spät. „Wir arbeiten hier mit Verankerung“, erklärt ihnen Seminarleiterin Petra Egbring zu Beginn. „Wir verbinden eine medizinische Hypnose mit den Techniken der Neurolinguistischen Programmierung“. Die Teilnehmer hätten ihr Leben lang verinnerlicht, dass Rauchen angenehm sei, obwohl eine Zigarette gar nicht wirklich schmeckt. „Nun verankere ich in Ihrem Unterbewusstsein, dass Sie keine Zigaretten mehr brauchen, aber stattdessen etwas für sich und Ihre Gesundheit tun wollen, deshalb werden sie später auch nicht zunehmen!“, verspricht Petra Egbring. Die anwesenden Frauen nicken erleichtert. Auch Heike Hartmann.

„Seien Sie einfach offen, für das, was ich Ihnen in der Hypnose sage!“ Die Teilnehmer ziehen sich die Schuhe aus, legen sich auf mitgebrachte Decken und Matten und warten gespannt auf das, was nun wohl kommt. Tatsächlich entführt Petra Egbring ihre Seminarteilnehmer in einen tiefen Dämmerschlaf. Heike Hartmann fühlt sich schwer und unbeweglich, aber auch angenehm warm und sicher. 35 Minuten geht die Reise ins Unterbewusste, doch Heike Hartmann kommt es viel kürzer vor. Als Petra Egbring von Zehn zurück auf Null zählt und alle wach sind, steht deutlich, aber unausgesprochen eine Frage im Raum: „War das alles?“ Die Teilnehmer sehen sich ungläubig an und schütteln die letzte Müdigkeit ab. „Wir haben 95 Prozent Erfolgsquote!“ versichert Petra Egbring, „Wer es beim ersten Mal nicht schafft, kommt einfach ein zweites Mal wieder!“

Das Ende der Sucht?

Zwei Teilnehmerinnen sind so mutig und werfen vor den Augen der anderen ihre Zigarettenschachteln weg. Ihre Feuerzeuge haben sie jedoch vorher herausgefischt und behalten. Vier andere Teilnehmer wollen wenigstens noch ein wenig mit der Kursleiterin sprechen. Doch die muss sich schon auf ihren nächsten Kurs „Abnehmen mit Tiefenhypnose“ vorbereiten und verabschiedet sich daher freundlich, aber energisch.

Insgesamt eine Stunde hat die Sitzung gedauert – vielleicht ein wenig zu wenig für jemanden, der schon sein Leben lang gegen die Sucht kämpft. Draußen vor dem Hotel stehen sie daher immer noch ein wenig unschlüssig herum – die angehenden Nichtraucher vom Seminarraum Fontane.

Der Klassiker: Allen Carr

Immerhin sechsstündige Seminare bietet der Klassiker „Allen Carr’s Easyway®“ und wirbt mit dem Slogan „Weltweit die Nr. 1 um Nichtraucher zu werden – seit über 25 Jahren!“

Mehr als 50 000 Menschen besuchen jährlich die meist von Firmen organisierten Seminare. „Raucher sind auch nicht dümmer als andere Menschen!“ so Geschäftsführer Erich Kellermann, selbst ehemaliger Raucher. „Wir zeigen ihnen Wege aus dem Labyrinth und schon geht es ganz einfach!“ Zahlreiche Ex-Raucher bestätigen die kopfwäscheartige Wirkung der sechs Seminarstunden. Und: Es gibt neben einer Nachbetreuung auch eine dreimonatige Geld-Zurück-Garantie. Denn das Seminar kostet mit Euro 389,00 in etwa so viel, wie ein Raucher durchschnittlich in drei Monaten in die Luft bläst. Das Erfolgsrisiko übernimmt daher die Firma – für den Raucher ist das mit Sicherheit einen Versuch wert.

Die „Klopftherapie“

Ganz neu auf dem Markt sind ganze Wochenendseminare, die das Bestsellerautorenpaar Rainer und Regina Franke nach ihrem Buch „Ab sofort Nichtraucher. Klopfen Sie sich rauchfrei mit Meridian-Energie-Techniken“ anbieten. „Dass Rauchen schädlich ist, weiß jeder, der raucht!“, so Diplom-Psychologe Rainer Franke, „darüber gibt es Bücher und Berichte genug!“ Mit seiner Frau Regina, einer Heilpraktikerin, wollte er daher einen anderen Ansatz schaffen, der lästigen Sucht Herr zu werden. „Wir gehen an die Gefühle der Menschen, die rauchen und finden heraus, welche emotionalen Blockaden sie zur Zigarette greifen lassen. Und das sind eine ganze Menge!“ weiß Regina Franke, die wie ihr Mann selbst einmal geraucht hat. Die beiden wissen also, wovon sie reden.

„Schon alleine der Satz ‚Ich gebe jetzt vollständig und für immer das Rauchen auf’ macht Rauchern Angst“, erzählen die beiden aus der Praxis. „Dahinter stecken nicht nur konkrete Befürchtungen wie ‚Werde ich zunehmen?’ sondern auch ganz diffuse Ängste. Manch einer meint, sich lächerlich zu machen, wenn er sein Ziel doch nicht erreicht. Ein anderer hat vielleicht Angst, künftig als weniger gesellig und langweilig zu gelten. Nichtraucher gelten als Spießer!“

Beispiele hierfür gibt es viele – genau 99 mögliche Ängste bei der Vorstellung, das Rauchen für immer aufzugeben haben die Frankes zusammengetragen. Die Meridian-Energie-Techniken sollen diese Ängste auflösen. Durch sanftes Klopfen bestimmter Energiepunkte werden die Blockaden und Gefühle wie Ängste, Ärger, Schuld, Wut, Scham und Verzweiflung in kürzester Zeit aufgelöst. Bei Ängsten, Phobien, Allergien, Stress, Burn-Out, Leistungsblockaden und Erschöpfungszuständen hat diese Methode längst ihre Wirksamkeit bewiesen. Dass sie auch bei Süchten wirkt, hat Roger Callahan, der als Begründer der Meridian-Techniken in Amerika gilt, in verschiedenen Veröffentlichungen belegt. „Seit Jahren haben wir in unseren Seminaren und Einzelbehandlungen Raucher beklopft.“ erzählt Rainer Franke, „Wir haben festgestellt, dass es bei manchen ganz schnell ging, bei anderen saßen die Blockaden tiefer, aber funktioniert hat es immer!“ Der Preis pro Wochenendseminar: € 250,00.

Heike Hartmann

Heike Hartmann hingegen raucht noch immer. Oder besser: schon wieder. Sie gehört zu den 10 Millionen Rauchern Deutschlands, die gerne Nichtraucher wären. „Für manche Menschen ist das halt nichts mit der Hypnose!“, seufzt Heike Hartmann. „Wahrscheinlich muss man daran glauben!“ Immerhin: Mit € 239,00 war ihr Seminar nicht nur das kürzeste, sondern auch das preiswerteste auf dem Markt. Demnächst geht sie zur kostenlosen Hypnose-Auffrischung. „Ich mache das so lange, bis es klappt!“, sagt sie.

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