Das Langzeitgedächtnis – Was wir nicht vergessen und warum

Das menschliche Gedächtnis manifestiert sich durch wiederholende oder sehr starke Reize im Gehirn und kann durch emotionalen Input verbessert werden.

Wie heißen die binomischen Formeln, wann war Julius Cäsar an der Macht und welches sind die ersten vier chemischen Elemente?

Jeder hat das einmal in der Schule gelernt, aber nur diejenigen die sich auch heute noch damit beschäftigen, können diese Fragen beantworten. Die anderen haben die Antwort wahrscheinlich vergessen, obwohl sie sich an andere Ereignisse aus ihrer Kindheit noch sehr gut erinnern können: der erste Kuss, ein schrecklich peinlicher Moment oder der Name des geliebten Meerschweinchens.

Wenn wir lernen, verbinden wir zwei oder mehrere zuvor unabhängige Sachverhalte miteinander. Diese Kopplung ist im menschlichen Gehirn durch Nervenimpulse zwischen Neuronen (Nervenzellen) kodiert. Wenn unsere Großmutter zur Weihnachtszeit immer Zimtsterne gebacken hat, assoziieren wir höchstwahrscheinlich den Geruch von Zimt mit Weihnachten – auch im Sommer. Stark vereinfacht dargestellt lernen wir, indem sich ein Riechneuron „Zimt“ mit einem Neuron „Weihnachten“ verbindet. Wenn uns ein Zimtgeruch in die Nase weht, sendet das entsprechende Neuron Nervenimpulse an den Weihnachtsnerv und wir denken: „Weihnachten.“. Was sind aber die Mechanismen, die solche Verknüpfungen für einen langen Zeitraum im Gehirn etablieren?

Das Gehirn ist auch im Erwachsenenalter noch formbar

Was langfristig im Gedächtnis bleibt und was gleich wieder vergessen wird, ist von der Art des Reizes abhängig. Dabei werden einmalige oder oberflächliche Ereignisse schnell wieder vergessen. Gedankenreize, die sich oft wiederholen oder einschneidende, traumatische und sehr emotionale Erlebnisse, aber auch Sachverhalte die mit anderen wichtigen Erinnerungen assoziiert werden, können im Langzeitgedächtnis über Jahrzehnte hinweg abgespeichert bleiben.

Wie man lernt und sich das Gelernte merkt, ist in der Neurobiologie noch nicht vollkommen aufgeklärt. Bekannt ist aber das Langzeitpotenzial (LTP – long term potentiation), eine lang andauernde Neuronenerregung im Hippocampus des Säugerhirns, das durch eine sich oftmals wiederholende starke Stimulierung eines Neurons oder durch die synchrone Erregung mehrerer schwächerer Neuronen entsteht. Das LTP kann mehrere Minuten bis hin zu Monaten aktiv sein und führt zur plastischen Veränderung des Gehirns. Die Gehirnstruktur wird zwar im Kleinkindalter zu großen Teilen festgelegt, ist aber auch im Erwachsenenalter durchaus noch wandel- und formbar. An der Verknüpfungsstelle der Neuronen, die in den Lernvorgang involviert sind, werden durch die lang anhaltende Erregung spezielle Proteine gebildet, welche die Verbindung zwischen den Neuronen stärken. Dadurch wird die eine Nervenzelle immer dann auch aktiviert, wenn das andere erregt ist.

Die Verknüpfung von Emotionen mit Lerninhalten kann das Erinnerungsvermögen verbessern

Wir können uns Ereignisse besser merken, die emotional aufgeladen sind oder besser gesagt, in denen wir emotional aufgewühlt sind. Hierfür ist ein Teil des Gehirns verantwortlich, der Amygdala heißt. Dieses Gefühlszentrum wird zum Beispiel durch Stresshormone erregt und hat einen starken Einfluss auf unser Lernverhalten. Die Verknüpfung des Erinnerungsvermögens mit Emotionen war evolutionär gesehen überlebenswichtig: Der Mensch durfte nicht vergessen, wovor er Angst haben muss oder was energiereiche Nahrung ist. Aber auch in der Neuzeit kann eine emotionale Aufbereitung des Unterrichtsstoffes Schüler vor dem Einschlafen bewahren.

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