Mit Zeit, Respekt und Klarheit besser kritisieren

Sie sind wichtig: Kritikgespräche, und nützlich, wenn sie effektiv geführt werden können und Änderungen und Verbesserungen bewirken.

Keiner mag sie, doch jeder braucht sie irgendwann einmal – Kritikgespräche. Gut, wenn sie gelingen, dann ist Veränderung möglich. Damit sie gelingen, können Regeln und Verhaltensweisen dafür nützlich sein. Sie lassen sich üben und theoretisch durchplanen – bis dann die Realität mit den Überraschungen dazwischen platzt. Egal, es ist natürlich stets besser, vorbereitet in so ein Gespräch zu gehen und das vermindert auch die persönliche Hemmschwelle, sich darauf einzulassen.

Seminare helfen bei Kritikgesprächen

Einige linguistische Grundideen sind hilfreich und verhindern eine reine Reaktion „aus dem Bauch heraus“. Dieses Wissen lässt sich durch entsprechende Sachliteratur erwerben (etwa F. Schulz von Thun „Miteinander Reden“, Reinbek 1981 oder K. Benien „Schwierige Gespräche führen“, Reinbek 2003) oder aber in einem Seminar üben, was der einfachere Weg ist, zumal das Seminar die Möglichkeit bietet, gleichsam in einem Schonraum den schwierigen Dialog zu trainieren.

Angenehme Gesprächsatmosphäre

Die Hauptregeln bestehen darin, eine angenehme Gesprächsatmosphäre schaffen, ein gutes Ende zu finden und vor allem nicht so lange zu warten, bis ein Problem zur Sprache gebracht wird. Sonst bestünde nämlich die Gefahr, dass aus der Kleinigkeit ein großer Berg wird und allen Beteiligten die Luft wegbleibt.

Unbewusst mithören

Es scheint selbstverständlich zu sein, dass ein Fehlverhalten kritisiert wird und nicht die Person, doch schnell kippt das Ganze. Und Botschaften wie „Nehmen Sie es nicht persönlich“ funktionieren kaum. Das Unterbewusstsein überhört schnell das „nicht“ und schon wird es persönlich genommen, genau wie der Hinweis „Denken Sie nicht an einen Eisbären“ – und schon sieht der Angesprochene genau dieses Tier vor seinem inneren Auge.

Klarheit der Kritik

Was kritisiert werden soll, ist hilfreich und alles andere wird schnell unfair und erreicht eher den Heidi-Klum-Effekt: still stehen und das Gegenüber schmoren lassen, nicht auf den Punkt kommen, den anderen zappeln lassen, das macht das Kritisieren sehr unangenehm. Hierfür kann ein innerer Perspektivwechsel hilfreich sein: Wer sich in den anderen hineinzuversetzen sucht, kann auch verbal zeigen, dass der Kritisierende sich bemüht, die Gegenposition zu verstehen und die Gefühle nachzuvollziehen versucht. So wird es leichter fallen, die Wünsche und Gedankengänge des Gegenüber nachzuvollziehen und die Bereitschaft zum Dialog und Austausch wächst.

Zeit zum Gespräch

Zu einer guten Gesprächsatmosphäre gehört, dass ein sensibles Kritikgespräch unter vier Augen geführt wird und nicht im großen Kreis, am Telefon oder durch Übermittler. Ebenso ist die Zeit wichtig: nicht gehetzt und zwischen Tür und Angel Wichtiges abhandeln, sondern zusammensetzen und in Ruhe über etwas sprechen, Zeit zum Austausch mitbringen. Erst dann gelingt ein Dialog, gerade wenn er ein schwieriges Thema hat.

Respekt der Gesprächspartner/innen

Ein gutes Kritikgespräch findet die Balance zwischen Respekt und klaren Aussagen. Idealerweise besteht dieses Kritikgespräch aus mehreren Phasen: Anfangsphase (die für eine gute Atmosphäre sorgt, etwa indem Wertschätzung für den Gesprächspartner ausgedrückt wird), Hinführung zum Thema (klares Äußern der Kritik – kurz und knapp ohne große Umschweife), Argumentationsphase (gegenseitiger Austausch), Beschlussphase (zusammen Vereinbarungen treffen, das kann wirksame Änderungen herbeiführen) und Abschlussphase (vielleicht ein weiteres Gespräch in Aussicht stellen und nochmal Verhandeltes zusammenfassen).

Aktives Zuhören

Bei der Argumentationsphase ist es förderlich, aktives Zuhören zu praktizieren, dem Gegenüber zu signalisieren, dass mein seine Gefühle und Sichtsweise versteht. Aber Verständnis bedeutet nicht Einverständnis, das muss deutlich bleiben und eigene Wünsche thematisiert werden.

Kreativität für neue Lösungen bei Kritik

In der Beschlussphase ist es empfehlenswert, nicht nur eigene Ideen zu favorisieren, sondern sich für neue Lösungen zu öffnen und dadurch echte Gesprächsbereitschaft zu zeigen. Gemeinsam gefundene Lösungen sind wesentlich erfolgreicher als auferlegte und vorgeschriebene. Perspektivwechsel fördert die Lösungskreativität bei Problemen.

Für die Abschlussphase ist nicht nur die Zusammenfassung des Gesagten und Beschlossenen wichtig. Es kann ein hoffnungsvoller Ausblick auf ein kooperatives Miteinander am Ende des Gesprächs stehen. Es ist gut, sich für die Gesprächsbereitschaft des anderen zu bedanken. Ein positiver Gesprächsausgang verhindert Magenschmerzen beim Kritisierten und motiviert für die Zukunft.

Kein Pauschalurteil

Noch ein paar Tipps für den Gesprächsleiter: nicht zu viel von sich selbst erzählen, auf Ratschläge und moralisierende Sätze verzichten, keine Pauschalurteile, nichts Verharmlosen, kein Kreuzverhör veranstalten, auf Drohungen oder Befehle verzichten. Es gibt auch Redewendungen, die regelrecht wütend machen können, nämlich „Das haben Sie falsch verstanden“ oder „Das ist unmöglich“, „Das gibt es nicht“, „Das müssen Sie einsehen“ und ähnliche Pauschalurteile. Bessere Formulierungen sind die „Ich-Botschaften“: „Ich denke, da habe ich mich unklar ausgedrückt“ oder durch klärende Fragen das Gespräche weiter voran zu bringen.

Zeit zum Üben

Und wenn es gar nicht funktioniert und nur im Streit endet, dann mangelte es an einer oder beiden Seiten an Respekt und die Wertschätzung. Der Beziehungsteil der Nachricht hat ein Übergewicht bekommen, dass jede sachliche Auseinandersetzung unmöglich wurde. Vielleicht kann dann der Zeitfaktor heilend wirken und mit etwas Abstand ein neuer Versuch gestartet werden.

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