Ösophagusatresie, Fehlbildung der Speiseröhre: ein Beispiel

Der kleine Jannik kam zehn Wochen zu früh und mit einer komplizierten Fehlbildung auf die Welt: Seine winzige Speiseröhre war mit der Luftröhre verbunden.

Jannik Fleck (10) aus Karlsruhe geht es gut. Ausgelassen spielt er mit seinem Vater Andreas (48) auf dem nahe gelegenen Spielplatz. Ob Schaukel, Trampolin oder Riesenrutschbahn: Jannik hat an allen Geräten großen Spaß. Wenn seine Mutter Janine (42) ihn lachen sieht, weiß sie: „Jannik ist unser Sechser im Lotto!“. Auch Vater Andreas vergisst dann die langen Monate, in denen sie um den Kleinen gebangt haben.

Es ist der 12. Juni 2001, als die schwangere Janine Bauchschmerzen bekommt. Dass es bereits Wehen sind, die sie plagen, kann sie nicht ahnen. Schließlich sind es noch zehn Wochen bis zu dem errechneten Geburtstermin. Einen Tag später stellt der Frauenarzt fest: Es hat sich zu viel Fruchtwasser gebildet. Der Muttermund beginnt, sich zu öffnen. Janine kommt ins Krankenhaus, erhält eine Fruchtwasserpunktion. Doch die Herztöne des Kindes werden immer schlechter. Um das Ungeborene nicht zu gefährden, entscheiden die Ärzte, es per Kaiserschnitt zu holen. Vater Andreas: „Es war klar, dass dies bedeutete, dass wir jetzt ein Frühchen haben, mit allen Problematiken, die das so mit sich bringt. Dass unser Kind zudem eine Fehlbildung haben könne, damit rechneten wir nicht.“

Oesophagusatresie (Ösophagusatresie): Eine Fehlbildung der Speiseröhre

Tatsächlich litt der kleine Jannik an einer Oesophagusatresie, einer Fehlbildung der Speiseröhre. Speiseröhre und Luftröhre sind in der frühen Entwicklung des Kindes ein einziger Strang. Sie hatten sich nicht getrennt, wie es normal wäre. So mündete beim kleinen Jannik das untere Ende der Speiseröhre in die Luftröhre. Daher bestand vom ersten Atemzug des Jungen an akute Lebensgefahr. Jannik musste sofort operiert werden – und das bei einem Gewicht von 1.450 Gramm! Ein Schock für die Familie!

Doch der kleine Jannik erwies sich als Kämpfer. Die Operation, bei der die Verbindung zwischen Speise- und Luftröhre getrennt wurde, steckte er gut weg. „Wir haben uns in dieser Zeit im Internet über die Erkrankung informiert“, erzählt Andreas. „Gott sei Dank sind wir gleich auf KEKS gestoßen. Diese Selbsthilfeorganisation hat uns darüber informiert, was noch alles passieren kann und uns bei allen weiteren Schritten informiert und begleitet.“

Nach fünf Monaten Intensivstation konnte Jannik operiert werden

Die Speiseröhre eines Babys kann auf verschiedene Arten nicht richtig ausgebildet sein. Die Oesophagusatresie, die der kleine Jannik hatte, war die Form, die am häufigsten vorkommt: An der Speiseröhre hatte sich eine Fistel gebildet, die mit der Luftröhre verbunden war. So konnte Magensäure in die Lunge gelangen und sie dauerhaft schädigen.

Weil Janniks Lunge aufgrund der verfrühten Geburt noch nicht richtig ausgebildet war, hatte er große Atemprobleme und musste in seinem Brutkasten ständig beatmet werden. Probleme mit den Augen und Blutschwämme kamen hinzu. Auch ein Loch in der Herzscheidewand bereitete den Ärzten Sorgen, was sich jedoch als unnötig herausstellte. Das Loch schloss sich von selbst. Dennoch musste Jannik fünf Monate auf der Intensivstation bleiben, bevor die notwendige End-zu-End-Anastomose durchgeführt werden konnte. Dabei näht der Kinderchirurg unter leichter Dehnung mit äußerst feinen Stichen die Speiseröhrenenden zusammen.

Noch immer hat Jannik Angst, sich zu verschlucken – es könnte etwas stecken bleiben

Die Operation verlief gut, nur die Magensonde, die den kleinen Jannik ernährt hatte, machte Probleme. „Die Wunde am Bauch wollte und wollte einfach nicht verheilen. Das musste nach drei, vier Monaten ebenfalls operiert werden“, erzählt Andreas. Doch danach war der kleine Jannik ein regelrechtes Vorzeigekind, was seine Grunderkrankung anbelangte. Nur ein einziges Mal blieb in der Speiseröhre des Jungens etwas so fest stecken, dass er mit Luftnot ins Krankenhaus gebracht werden musste. „Dort, wo einmal die Verbindung zur Luftröhre war, ist Narbengewebe statt der üblichen Muskulatur einer Speiseröhre. Hier wird die Nahrung nicht gut weiter transportiert. Auch die Gegenstelle an der Luftröhre ist nicht verknorpelt. Wenn hier etwas stecken bleibt, geht nichts mehr.“

Meist genügt es, wenn Jannik den Speiserest auswürgen oder erbrechen kann, doch bis dahin steht er Todesängste aus. „Er will danach auch ungern wieder anfangen zu essen. Es gab Zeiten, der ernährten wir ihn wegen seiner Ängste mit Babybrei, obwohl er längst aus diesem Alter draußen war“, erzählt Andreas.

Ein Jahr lang Antibiotika, weil die Lunge streikte

Als Jannik zwei Jahre alt wurde, bekam er eine Lungenentzündung nach der anderen, konnte nicht abhusten und verlor dabei viel Gewicht. „Erst ein CT zeigte, dass Teile von Janniks Lunge nicht belüftet waren“, erklärt Andreas. Ein Jahr lang musste der Junge daraufhin ein Antibiotikum einnehmen und zur Atemtherapie.

Noch heute unterscheidet sich Jannik von anderen Kindern, aber nur, wenn man genau hinsieht. Seine linke Schulter liegt tiefer als die rechte, weil bei seinen frühen Operationen die Muskulatur seitlich des Brustkorbs vom Schulterblatt an durchtrennt wurde. Das führte zu einer schiefen Schulterpartie führt, die auch die jahrelange Ergotherapie nicht ganz ausgleichen konnte. Auch das große Glas Wasser, das Jannik immer neben seinem Essen stehen hat, zeigt, wie sehr er sich immer noch vor dem Moment fürchtet, an dem ihm etwas im Halse stecken bleibt.

KEKS e.V.

KEKS e. V. ist eine Patienten- und Selbsthilfeorganisation für Kinder und Erwachsene mit kranker Speiseröhre (www.keks.org). KEKS finanziert sich ausschließlich durch Spenden.

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