Teenager & Bettnässer – was dagegen hilft?

Ein peinliches Geheimnis. Inkontinenz bei Jungendlichen und was gegen primäres und sekundäres Bettnässen hilft.

Eine Woche ohne Schlaf. Das war der Preis den Sven Tegeler zahlte, um an der Klassenfahrt teilnehmen zu können. Er musste sich irgendwie wach halten: Musik hören, unter der Bettdecke lesen, sich mit Energiedrinks aufputschen. Und wenn ihm doch die Augen zufallen? Dafür entwarf er einen Notfallplan: Er könnte sich ganz früh aus dem Fünf-Bett-Zimmer schleichen, um seiner Kleidung zu wechseln, und wenn seine Klassenkameraden schliefen, könnte er vielleicht auch seine Gummihose unter der Bettdecke anziehen. Das wichtigste ist, das niemand seinem Geheimnis auf die Spur kommen würde. Sven Tegeler, 13 Jahre alt, macht täglich nachts ins Bett.

Ein bis zwei Prozent der Jugendlichen leiden unter Enuresis

Bettnässen, bei Kleinkindern passiert das häufig, denn die Schließfunktion der Blase ist noch nicht voll ausgebildet. Die Fähigkeit, Urin im Schlaf zurückzuhalten, entwickeln Kinder erst vollständig zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr. Statistiken zeigen, dass etwa 25 Prozent der Drei- bis Vierjährigen und zehn Prozent der Fünfjährigen nachts noch ins Bett machen. Erst bei älteren Kindern ist Bettnässen ein medizinisches Problem, das in der Enuresis genannt wird. Davon sind etwa ein bis zwei Prozent der Jugendlichen betroffen. Jungen leiden doppelt so häufig daran wie Mädchen.

Urologische Ursachen für Bettnässen abklären

Es gibt viele Gründe, warum Kinder nachts den Urin nicht halten können. Um herauszufinden was dahinter steckt, sollte zunächst ein Urologe zu Rat gezogen werden. Er kann Ursachen wie eine Fehlbildung der Harnwege, Nierenprobleme oder eine zu kleine Harnblase ausschließen. Zudem klärt der Arzt ab, ob der Urin in der Nacht ausreichend konzentriert wird.

Klingelhosen

Diese Untersuchungen hat Sven Tegeler alle hinter sich. Auch sonst probierte die Familie viel aus. Eine Zeit lang trug der Dreizehnjährige nachst so genannte Klingelhosen. Sensoren in der Hose melden, wenn diese feucht wird, und geben einen Alarmton ab. Die ganze Familie ist in der Nacht davon aufgewacht, nur einer hat es nicht gehört: Sven.

Peinliche Momente und Depressionen

Fast jede Nacht aufstehen, Laken wechseln, Berge von Wäsche waschen und im ganzen Haus dieser beißende Geruch. Das Familienleben littt sehr unter Svens Krankheit – er am meisten. Er brachte kaum Freunde mit nach hause, zog sich immer mehr zurück. Depressive Verhaltensmuster wurden immer deutlicher.

Psychosomatische Ursachen fürs Bettnässen

Immer wieder hörten Svens Eltern von Freunden und Verwandten den gleichen Rat: Geht zum Psychologen. Und tatsächlich kann nächtliches Bettnässen ein psychosomatisches Symptom sein, besonders bei der sekundären Enuresis. Bei dieser Form war das Kind schon über einen längeren Zeitraum – von mindestens sechs Monaten – trocken und nässt dann plötzlich wieder ein. Ängste, etwa durch den Umzug in eine andere Stadt oder die Geburt eines Geschwisterkindes, können das erneute Bettnässen verursachen.

Hormonelle Regulation gegen nasse Betten

Doch bei Sven Tegeler war die Sache anders. Bis zu seinem dreizehnten Lebensjahr war der Schüler nie wirklich trocken. In solchen Fällen sprechen Mediziner von primärer Enuresis. Diese Form des Bettnässens ist zu großen Teilen erblich bedingt. Die Gründe sind hier rein körperlich. Es handelt sich um eine Entwicklungsverzögerung der Hirnanhangdrüse. Diese scheidet das Hormon Vasopressin aus, das den Wasserhaushalt im Körper steuert und so auf die Blasenfüllung wirkt. Es bewirkt auch, dass nachts weniger Urin in die Blase gelangt. Diese hormonelle Regulation ist bei vielen Kindern, die nachts nicht trocken bleiben, gestört. Zudem haben Kinder und Jugendliche meist einen sehr tiefen Schlaf und der Druck der gefüllten Blase ist zu schwach, um sie aufzuwecken.

Medikamente für trockene Nächte

Die gute Nachricht: In der Pubertät hört das Einnässen meist von selbst auf: Und bis dahin können Medikamente, die Vasopressin-ähnliche Wirkstoffe enthalten und in vielen Fällen für trockene Nächte sorgen. Auch Sven Tegeler wurde eine zeitlang mit diesem Hormon behandelt. Zudem bekam er ein Verhaltenstraining, bei dem er ein Tagebuch über trockene und nasse Nächte führte sowie neue Trinkgewohnheiten lernte. Die Mischung aus Medikamenten und Verhaltenstraining führt fast immer zum Erfolg. Bei Sven Tegeler hat es funktioniert! Seit sechs Monaten bleibt sein Bett nachts trocken.

Anmerkung: Der Name wurde für den Schutz des Betroffenen geändert.

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