Abtreibungsdebatte: Plädoyer für einen neuen Diskussionsansatz

Ein neuer Vorschlag, um die Diskussion um die Abtreibung aus der Sackgasse zu führen und das Selbstbestimmungsrecht der Frau in den Mittelpunkt zu stellen.

Seit 40 Jahren gibt es über das Thema Abtreibung eine Auseinandersetzung, aber keinen wirklichen Dialog. Die Diskussion ist völlig emotionalisiert, Abtreibungsgegner und Abtreibungsbefürworter weichen keinen Schritt von ihren Ideologien ab. Nachdem die Diskussion über Menschenwürde, Person und Menschenrecht auf Leben in einer Sackgasse ist, schlägt der Geschäftsführer des IMABE-Instituts (Institut für Medizinische Anthropologie und Bioethik, Wien), Prof. Enrique Prat, in der Zeitschrift „Imago Hominis“ vor, auf einer anderen Ebene eine Annäherung der Standpunkte zu suchen: nämlich in der Frage des Selbstbestimmungsrechts der Frau. „Ein effizienter Lebensschutz muss unbedingt zunächst die Autonomie der Frau stärken“, betont Prat.

Das Selbstbestimmungsrecht der Frau stärken

Die Autonomie der Frau können wohl beide Seiten, sowohl Befürworter wie Gegner der Abtreibung, annehmen. Die entscheidende Frage ist daher: Welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, damit die Frauen in einer Krisensituation wie einer ungewollten Schwangerschaft eine autonome Entscheidung treffen können? Dazu müssen sie das Für und Wider abwägen können, was in der Krisensituation und unter Druck kaum möglich ist. „Selbstbestimmung setzt als rationale Fähigkeit des Menschen eine gründliche Prüfung von Zielen und Mitteln voraus. Eine kompetente und ins persönliche Lebensumfeld der Betroffenen emotional gut integrierte Beratung ist unumgänglich.“

Abtreibung ist immer nur eine Lösung zweiter Wahl

Es stimmen ja auch alle überein, dass Abtreibung prinzipiell nicht die Lösung erster Wahl, sondern immer nur eine Lösung zweiter Wahl darstellt, die erst dann zum Tragen kommt, wenn sonst nichts mehr hilft. In der Debatte des österreichischen Nationalrats am 29. November 1973, die dem Beschluss der so genannten Fristenregelung (die Abtreibung in den ersten drei Monaten straffrei stellt) vorausging, sagte der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky (Sozialistische Partei Österreichs) wörtlich: „Man muss alles tun, um im Bereich der Politik diesen ganzen Paragraphen so obsolet zu machen, wie dies mit den Mitteln der Politik, der Psychologie und auch der Moral nur geht, um die Frau zu veranlassen, dass sie dann, wenn sie empfangen hat, das Kind behält.“

Fremdbestimmung hintanhalten

Diesem Ziel kommen wir dann näher, wenn die Gesellschaft – im Sinne einer Unterstützung der Selbstbestimmung der Frau – Leistungen anbietet, die ihr eine Entscheidung zweiter Wahl, die sie eigentlich nicht will, erspart. Wer die Autonomie der Frau ernst nimmt, muss alles unternehmen, um Elemente von Fremdbestimmung (Druck von außen, finanzielle Notlage, Alleingelassen werden) abzuwehren, damit die Frauen nicht zur Lösung zweiter Wahl, der Abtreibung, greifen müssen.

Prof. Prat sieht es als Aufgabe von Abtreibungsgegnern und -befürwortern, „das Vertrauen der jeweils anderen zu gewinnen“ und „gemeinsam über die Förderung der Selbstbestimmung der Frau in der Frage der Abtreibung nachzudenken“. Vielleicht ist das ein Weg, um die emotionalisierte Diskussion aus der Sackgasse zu führen und die Hilfe für die betroffenen Frauen in den Mittelpunkt zu stellen.

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