Die Zukunft ist mehrsprachig

Vorteile der mehrsprachigen Erziehung. Ein Gespräch mit dem Sozialpädagogen (FH) Klaus-Dieter Hermeling, auf Grundlage der von der Ostfriesische Landschaft, Aurich, herausgegebenen gleichnamigen Broschüre.

Alle Eltern freuen sich, wenn ihr Neugeborenes gesund ist, sich zunehmend altersgemäß entwickelt. Sie wünschen sich eine möglichst optimale Förderung der geistigen, körperlichen und seelischen Fähigkeiten ihres „Schatzes“. Eitel Freude herrscht, wenn sich der erste Zahn zeigt, die ersten Schritte gewagt werden oder das Baby das erste Wort spricht.

So viele Sprachen wie ich kann, so viele Male bin ich Mensch“

Thematisiert wurde in der vergangenen Zeit die sprachliche Entwicklung eines Kindes nur dann, wenn etwas „schief“-gelaufen war und das Kind sprachauffällig wurde. Erst in den vergangenen Jahren verbreitete sich allmählich bei den Verantwortlichen die Einsicht, dass die im Elternhaus natürlich erlernten Sprachfähigkeiten die geistige Entwicklung eines Kindes fördern und im Kindergarten und der Schule weiter unterstützt werden könnten.

Die frühe Mehrsprachigkeit ist ein Bildungskonzept, das an die Sprachenplanungen der EU anschließt. Der bilinguale Unterricht im ostfriesischen Simonswolde zum Beispiel begann im Rahmen eines EU-Projektes zur frühen Mehrsprachigkeit, das in den Jahren 2001-2003 von der Ostfriesischen Landschaft (einer regionalen Institution für Bildung, Kultur und Wissenschaft) durchgeführt wurde.

Die Sprachentwicklung der Kinder

„Sprachen wurden von Philosophen schon in früheren Zeiten als Schlüssel zur Welt gesehen“, „So viele Sprachen wie ich kann, so viele Male bin ich Mensch“, ließ schon Karl der Große verlauten.

Wenn man als stiller Beobachter mehrsprachige Menschen im Gebrauch verschiedener Sprachen betrachtet, scheinen sie mit der Sprache auch ihre Mentalität und damit ihr „Menschsein“ zu wechseln. Die Gebärden werden anders, die Sprachgeschwindigkeit verändert sich, die Silben- und Satzbildung anders betont. Schon diesen Merkmalen kann ein Zuschauer entnehmen, ob der Sprechende in einer südlich oder nördlichen Sprache kommuniziert. In einige Sprachen gibt es für die gleichen Tätigkeiten verschiedene Worte, andere kommen mit weniger Worten aus, haben aber eine vielfältige Lautbildung.

Deutsche Kinder sind mehrsprachig

„Das Schulsystem in Deutschland vermittelt Eltern und Schülern den Eindruck, dass es wünschenswert ist, mit Deutsch als Muttersprache aufzuwachsen und in dieser Sprache zunächst Lesen und Schreiben zu lernen. Erst im Fremdsprachenunterricht im 5. Schuljahr werden die Grundlagen, meist der englischen Sprache, entwickelt. Dieses Tun stimmt, wie DDr. Els Oksander (Professorin für Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Hamburg) in einem Vortrag für den Verein Oostfreske Taal 1992 in Aurich erläuterte, nicht mit der Wirklichkeit überein. Zu den Kindern, die in Deutschland zu Hause eine andere Sprache sprechen, zählen nicht nur Migrantenkinder, sondern auch solche, die in der Familie mit Plattdeutsch, Sorbisch, Friesisch, Dänisch, oder Romanes aufwachsen, also Sprachen, die teilweise älter als das Hochdeutsche sind. Bis vor wenigen Jahren wurde diese Tatsache wenig und schon gar nicht positiv bewertet, Zweisprachigkeit wurde eher als Manko betrachtet, und in der Schule oft verlacht.“

Tatsächlich ist Einsprachigkeit eher die Ausnahme

„Frühe Mehrsprachlichkeit fördert Kinder in ihrer intellektuellen und sprachlichen Entwicklung. Mehr als 70 Prozent der Erdbevölkerung nutzen täglich mehr als eine Sprache und das macht sie nicht dümmer.

Weil sich das Gehirn und mit ihm das Sprachzentrum im Alter bis zu acht Jahren entwickelt, lernen Kinder Sprachen schneller. Es ist nachgewiesen, dass die Entwicklung bei mehrsprachigen Kindern anders verläuft als bei einsprachigen Kindern.“

Kinder regen durch ihr „Reden“ Kooperationen an

„Es entstand im Kreis der Kooperationspartner und parallel im Kreis der Dozentinnen und Dozenten der Zentralen Einrichtung für Weiterbildung ZE der Universität Hannover eine Zusammenarbeit von Kindertagesstätten und Grundschulen. Erreicht werden konnte dies durch die gegenseitige Anerkennung der unterschiedlichen Kompetenzen, durch die Förderung des Wissens über den Arbeitsalltag der anderen Institution und durch das Wissen über pädagogische Konzepte und Lernkulturen.“

Wie könnte eine erfolgreiche Sprachförderung aussehen?

„Im Zusammenhang mit einer für Europa angestrebten Mehrsprachigkeit, bei der jeder Bürger in Zukunft mindestens dreisprachig sein soll, bekommen das Niederdeutsche und auch die Dialekte eine bildungspolitische Funktion.

Sprachförderung kann allgemein in den Arbeitsalltag integriert werden und eine gute Basis, auch für Kinder mit besonderem Förderbedarf, darstellen. Es soll darum gehen, Fähigkeiten für die Sprachförderung zu stärken. Dazu gehört beispielsweise der Einsatz der Stimme, das Gefühl für und den spielerischen Umgang mit Sprachrhythmus, die Einschätzung sprachlicher Entwicklungsstufen und der Umgang mit Kindern, die erst anfangen Deutsch zu lernen. Diese Fähigkeiten sollen pädagogischen Kräften unter dem Druck der teilweise überhöhten Ansprüche mehr Sicherheit verleihen und helfen, ihren Arbeitsalltag leichter aber auch reicher zu gestalten.

Die Prinzipien der interkulturellen Pädagogik, Förderung von Mehrsprachigkeit und Achtung und Beachtung der Sprachen, die Kinder mit in die Einrichtung bringen, sollten mit der Sprachförderung verbunden werden. Es wird davon ausgegangen, dass die Bereitschaft von Kindern sprechen und Sprachen zu lernen mit der sozio-kulturellen Öffnung ihrer Räume wächst. Interkulturalität ist im Sinne der Fortbildung nicht allein auf ethnische Kulturen zu beziehen. Es sollten Brücken zwischen verschiedenen sozialen Kulturen von Eltern und Lehrkräften, oder von Kindern und Erwachsenen und natürlich zwischen den Kulturen von Kindergärten und Schulen, geschlagen werden.“

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