Dunkelzifferproblematik bei Sexualstraftaten

Nicht alle Sexualdelikte werden angezeigt.

Durch die Massenmedien wurde die Bevölkerung insbesondere für Sexualmorde an Kindern durch bereits mehrfach vorbestrafte Sexualstraftäter sensibilisiert.

Die nachfolgenden Prozesse, etwa von Rolf Diesterweg und Ronny Ricken, wurden medienwirksam ausgeschlachtet. Hierdurch ist der Eindruck entstanden, dass die Zahl der Sexualstraftaten signifikant zugenommen hat. Die Zahl derartiger Delikte ist jedoch relativ konstant geblieben, lediglich das Anzeigeverhalten und die Berichterstattung der Medien zum Thema haben sich stark verändert.

Männer als Täter

Eins haben die meisten Sexualverbrechen gemeinsam: Sie werden überwiegend von Männern begangen. Die Bevölkerung geht davon aus, dass etwa 90 % der Sexualtäter männlich sind und nur 10 % weiblich. In Wirklichkeit dürfte das Verhältnis jedoch bei 65 Männern zu 35 Frauen liegen.

Geändertes Anzeigeverhalten

Gegenüber den 1960er und 1970er Jahren hat sich die Zahl der Sexualstraftaten, die zur Anzeige gebracht wurden, um fast 50 % erhöht. Dennoch gibt es eine recht hohe Dunkelziffer. Viele Frauen zeigen eine Vergewaltigung nach wie vor nicht an, beispielsweise, wenn den Frauen im Elternhaus ein Männerbild vermittelt wurde, das besagt, dass „Männer eben halt so sind“ und die Frau am besten still halten sollte oder wenn der Täter nicht der „große Unbekannte“ ist, der plötzlich hinter einem Gebüsch hervorkommt, sondern ein Bekannter oder eine Disco-Bekanntschaft, die eine Frau sofort am ersten Abend mit in ihre Wohnung genommen hat.

Mitschuld der Opfer?

Hinzu kommt, dass Vergewaltigungsopfern nach wie vor häufig eine Mitschuld suggeriert wird. „Die ist es doch selbst Schuld, so wie die sich immer angezogen hat!“, „Wie kann man ’nen Kerl, den man gerade erst in der Kneipe kennen gelernt hat, sofort mit nach Hause nehmen!“ und ähnliche Aussagen von vielen Bürgern zeigen, dass ihrer Meinung nach die Frau doch selbst Schuld daran ist, Opfer einer Vergewaltigung geworden zu sein.

Hierbei wird jedoch übersehen, dass aufreizende Kleidung einer Frau nicht der Grund dafür ist, dass ein Mann plötzlich über sie herfällt. Ein „normaler“ Mann wird sich möglicherweise denken, dass die Frau eine gute Figur hat, aber trotzdem nicht auf die Idee kommen, sie bei nächstbester Gelegenheit zu vergewaltigen. Sexualstraftätern ist es in der Regel relativ egal, wie ihr späteres Opfer gekleidet ist – oft lösen allgemeine äußere Merkmale wie etwa eine bestimmte Haarfarbe, ein bestimmter Frauentyp oder große Unsicherheit im Auftreten der Frau erst den Trieb aus. Die Entschuldigung mit der aufreizenden Kleidung wird oft von Gelegenheitstätern gewählt, um sich und ihre Tat vor der Allgemeinheit und der Justiz zu rechtfertigen. Es ist zwar äußerst leichtsinnig, eine gerade eben erst entstandene Bekanntschaft sofort mit nach Hause zu nehmen, dennoch gibt es dem Täter nicht das Recht, sich an der Frau zu vergreifen.

Sexualdelikte, die seltenst zur Anzeige kommen

Wie bereits erkennbar wird, ist der Mann in aller Regel der Täter, wobei dieses Bild noch durch die Massenmedien verstärkt wird. Aus diesem Grunde kommen keine Sexualdelikte zur Anzeige, die von Frauen begangen werden. Meist handelt es sich um sexuelle Nötigung von erwachsenen Frauen an Kindern oder Jugendlichen unter 16 Jahren. Hier ist die Schamgrenze der Opfer noch größer als bei Missbrauch durch einen Mann, da kaum jemand einer Frau eine solche Tat zutraut. Gerade bei jugendlichen Opfern fragen sich unter Umständen viele Menschen, warum sich der Jugendliche nicht gegen das zudringliche Verhalten der Täterin gewehrt hat.

Bei Sexualdelikten, bei denen sowohl Täter als auch Opfer erwachsen sind, gilt das weitverbreitete Bild, dass der Täter grundsätzlich männlich ist und das Opfer grundsätzlich weiblich. Es gibt jedoch auch den Fall, dass sowohl Täter als auch Opfer männlichen Geschlechts sind. Vergewaltigungen an Männern durch einen anderen Mann werden seltenst angezeigt, weil diese Konstellation vielen Menschen als viel zu abwegig erscheint. Des Weiteren stellt sich vielen Leuten auch in diesem Fall die Frage, ob das Opfer aus rein physischer Sicht nicht viel mehr Möglichkeiten hatte, sich gegen seinen Peiniger zu wehren als eine Frau, die einem Mann in der Regel körperlich unterlegen ist. In solchen Fällen ist die Schamgrenze des vergewaltigten Mannes noch größer als bei einer vergewaltigten Frau, so dass diese Taten in den meisten Fällen nicht zur Anzeige gebracht werden.

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