Glücksspielsucht: Bessere Behandlung durch Typbestimmung

Glücksspielsüchtige sollen in vier Gruppen unterteilt werden. Ziel davon ist, Therapiemöglichkeiten und die Chance auf Heilung zu verbessern.

Das bunte Flimmern am Monitor des Spielautomats, der Nervenkitzel, wenn die Roulettekugel ins Rad fällt, die Flucht vor Problemen an den Pokertisch – Glücksspielsucht hat viele Gesichter. Und Süchtige lassen sich eben deswegen nicht über einen Kamm scheren. Manche überdecken mit ihrer Sucht emotionale Probleme, andere leiden in Wirklichkeit an einem Alkoholproblem und manche sind eigentlich sehr gut angepasste Erfolgsmenschen.

Neue Einteilung von Süchtigen in vier Gruppen

Aufgrund dessen schlagen Forscher der Universität Barcelona nun eine Unterteilung der Süchtigen in vier Gruppen vor. Basis dieser Idee ist eine Untersuchung von 1.200 Glücksspielsüchtigen. Die Erkenntnis: „Wir brauchen verschiedene Behandlungen für jede Untergruppe krankhafter Spieler. Erst so decken wir ihre therapeutischen Bedürfnisse ab“, erklärt die Studienleiterin Susana Jiménez Murcia. In der Behandlung von Spielsüchtigen dominieren besonders zwei Typen, sagt auch Chantal Mörsenvon der Abteilung für Glücksspielsucht an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charite Berlin. „Für den einen ist das Spiel ein Medikament, für den anderen eine Anregung“, so Mörsen in einem Interview mit „pressetext.at“.

Glücksspiel gegen die Angst

Beim ersten Typ diene das Glücksspiel zur Flucht und Problemvermeidung. Das Spiel soll die Angst und die Depression überdecken. Betroffen davon seien oft Menschen, denen es schwer falle, auf andere Personen zuzugehen. Dazu gehören laut Mörsen auch oft Frauen – obwohl ansonsten eher Männer von der Sucht nach dem Glücksspiel betroffen sind. In der zweiten Hauptgruppe der Süchtigen gehe es in erster Linie um den Nervenkitzel. „Diese Menschen holen sich ihren Kick durch das Spielen um Geld. Es geht ihnen dabei stets ums Hoffen und Beten. Das ist zum Beispiel beim Roulette oder bei Sportwetten der Fall, weniger jedoch bei Automaten“, erklärt Mörsen. Allerdings beschränke sich die Vorliebe fürs Risiko bei den Betroffenen leider nicht nur aufs Spiel. Meistens seien in dieser Gruppe auch Alkohol- und Drogenmissbrauch an der Tagesordnung. Weiters sind hier laut Mörsen narzisstische und emotional-expressive Persönlichkeitsstörung besonders auffällig.

Der Hilfeschrei von Süchtigen kommt sehr spät

Weitere Gruppen der Süchtigen fallen nicht durch eine gestörte Persönlichkeit auf. Das berichtet sowohl die Berliner Expertin als auch die spanischen Wissenschaftler. „Manche sind allein auf Anerkennung ausgerichtet und haben im Leben viel Erfolg. Sie möchten sich nicht schwach zeigen und gehen mit dem Problem lieber selbst um, statt Hilfe zu suchen“, sagt Mörsen. Eben deswegen würden Spielsüchtige meist erst dann an eine professionelle Behandlung und Beratung denken, wenn sie ihren ersten Zusammenbruch schon hinter sich haben oder gerade mittendrin sind. Übersetzt heißt das, dass es zumeist erst zur Trennung vom Partner, zur Scheidung, Wohnungskündigung oder übergroßen Schulden kommen muss, bevor der Süchtige nach Hilfe ruft.

Umgang mit Spielsüchtigen

Hauptgrund für die Studie war die Frage, wie die Medizin in Zukunft generell mit Spielsüchtigen umgehen soll. Denn im Handbuch Psychischer Störungen (DSM-5), das im Mai 2013 wieder erscheint, wird pathologisches Spielen als „ständiges und wachsendes Scheitern, dem Drang zum Spielen zu widerstehen“ – und somit als Störung der Impulskontrolle – bezeichnet. Das wird aber in der Fachwelt stark kritisiert. Deshalb soll nun eine neue Kategorie „Verhaltens- und Substanzsüchte“ geschaffen werden.

Glücksspielsucht ist eine Erkrankung

Vom Handbuch erwartet sich auch Mörsen viel. In erster Linie die Anerkennung der Glücksspielsucht als Verhaltenssucht. „Die Wirksamkeit der Therapien könnte besser erforscht, Medikamente für Rückfallprophylaxe überprüft und die Kostenübernahme verbessert werden“, sagt Mörsen. Außerdem wäre schulische Präventionsarbeit möglich und Glücksspieler erhielten besseren Zugang zu Suchthilfe. Allerdings müsse die Gesellschaft weiterhin dafür sensibilisiert werden, dass Glücksspielsucht eine echte Erkrankung ist und nichts mit Willensschwäche zu tun hat.

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