Konversationsmaximen

Wie wir vom Gesagten auf das Gemeinte schließen können. Der feine Unterschied zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten hat den Sprachphilosophen H. P. Grice zu seiner Theorie der Konversationsmaximen inspiriert.

Wir schalten das Radio ein, während uns ein Mitmensch auf unsere häuslichen Pflichten aufmerksam machen will, worauf dieser uns in gesteigerter Lautstärke nahelegt, den Apparat doch besser noch lauter zu stellen. In der Küche entgleitet uns ein Teller, und während wir uns an den Scherben schneiden, erhalten wir ein Lob für unsere Geschicklichkeit. Eine Bekannte trägt ein scheußliches Kleid in den grellsten Farben. Um einen Kommentar gebeten, erwidern wir: Es ist sehr farbenfroh.

Sagen und Meinen

Was all diese Fälle gemeinsam haben, ist, dass eine besondere Kommunikationssituation vorliegt – eine Situation, in der das, was gesagt wird, nicht unmittelbar das wiedergibt, was gemeint ist. „Nicht unmittelbar“ bedeutet: Das, was manche Linguisten als „wörtliche Bedeutung“ bezeichnen, die man beispielsweise in Wörterbüchern nachschlagen kann, deckt sich nicht mit dem, was der Sprecher tatsächlich gemeint hat, zu verstehen geben will.

H. P. Grices Theorie der Konversationsmaximen auf der Grundlage des Kooperationsprinzips

Diese Unterscheidung zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten hat den Sprachphilosophen Herbert Paul Grice zu seiner Theorie der Konversationsmaximen geführt – einer Theorie, die neben der Sprechakttheorie zu den einflussreichsten Ansätzen innerhalb der Linguistischen Pragmatik zählt. Verkürzt gesagt, geht Grice von der Annahme aus, dass sprachliche Kommunikationsprozesse nicht einfach wildes Drauflosreden bedeuten, sondern im Kern rationaler Art sind, indem die Gesprächsteilnehmer sich von vernünftigen Prinzipien leiten lassen. Diese Annahme benennt das sogenannte Kooperationsprinzip. Es lautet, als Aufforderung an die Sprecher gerichtet: „Mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird.“ Das Kooperationsprinzip regelt also gewissermaßen, welche Gesprächsbeiträge akzeptabel, das heißt angemessen sind.

Grice benennt insgesamt vier Dimensionen, in denen das Kooperationsprinzip zum Tragen kommt, die sogenannten Konversationsmaximen. Im Anschluss an Kant sind dies die Kategorien 1) der Quantität, 2) der Qualität, 3) der Relation sowie 4) der Modalität. Was ist damit gemeint?

Die Maxime der Quantität

Sie betrifft im weitesten Sinn die Menge der Informationen, die in einem Gesprächsbeitrag mitgeteilt werden. Grice stellt hier zwei Forderungen auf:

  1. Mache deinen Beitrag so informativ wie (für die gegebenen Gesprächszwecke) nötig!
  2. Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig!

Gegen die erste Forderung kann ich im Gespräch etwa dann verstoßen, wenn ich auf die Frage nach meinem Geburtsdatum äußere: “Irgendwann in der zweiten Jahreshälfte“. Forderung 2 dagegen kann ich damit unterlaufen, dass ich darauf hinweise, dass ich um 14 Uhr 20 zur Welt gekommen bin.

Die Maxime der Qualität

Darunter fällt die Wertigkeit der Informationen, die in einem Gesprächsbeitrag mitgeteilt werden. Auch hier gibt es zwei Forderungen:

  1. Sage nichts, was du für falsch hältst.
  2. Sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen.

Beispielsweise betrifft ein Verstoß gegen die Maxime der Qualität das Lügen – wenn ich Stein und Bein schwöre, keinen Stein geworfen zu haben, obwohl ich es doch getan habe. Im zweiten Fall könnte ich meinen Nebenmann beschuldigen, ohne dabeigewesen zu sein, als der Stein geworfen wurde.

Die Maxime der Relation

Sie regelt den Bezug der Äußerung zum aktuellen oder übergreifenden Gesprächsthema. Sie lautet kurz gesagt: Sei relevant! Wenn mich jemand fragt, ob Meier ein guter Arbeitskollege ist und ich seine Kochkünste lobe, habe ich gegen diese Maxime verstoßen.

Die Maxime der Modalität

Darunter fällt im Prinzip der Stil eines Gesprächsbeitrags. Grice fordert: Sei klar! Das heißt:

  1. Vermeide Dunkelheit des Ausdrucks!
  2. Vermeide Mehrdeutigkeit!
  3. Sei kurz (vermeide unnötige Weitschweifigkeit)!
  4. Der Reihe nach!

Die Berücksichtigung dieser Konversationsmaximen kann dabei behilflich sein, sprachliche Kommunikation zu optimieren und effektiver zu gestalten.

Implikaturen als Bindeglied zwischen Gesagtem und Gemeintem

Nun ist es aber auch möglich, dass wir als Sprecher ohne böse Absicht bewusst einer oder mehreren dieser Maximen zuwiderhandeln – und dennoch oder sogar gerade deswegen verstanden werden. Grund dafür ist dieses Vertrauen in die schier unumstößliche Geltung des Kooperationsprinzips, das dabei hilft, auch zunächst scheinbar unpassende Beiträge daraufhin zu überprüfen, was der Sprecher mit ihnen (dem Gesagten) denn nun eigentlich meint.

Das beste Beispiel für einen Verstoß gegen die Maxime der Qualität, bei der dennoch nicht das Kooperationsprinzip außer Kraft gesetzt wird, ist die (erkannte, also erfolgreiche) Ironie. Man erkennt sie oft durch den folgenden Gedankenprozess: 1) Der Gesprächspartner lobt mich für meine Geschicklichkeit, obwohl ich den Teller habe fallen lassen. 2) Er verstößt damit ganz offensichtlich gegen die Maxime der Qualität. 3) Ich nehme an, dass er weiß, dass ich diesen Verstoß bemerke. 4) Ich habe keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass das übergeordnete Kooperationsprinzip für uns beide gilt. 5) Also will er mir ironisch zu verstehen geben, dass ich zwei linke Hände habe.

Derartige Gedankenprozesse, bei denen man vom Gesagten auf das Gemeinte schließt, nennt Grice Implikaturen. Die Theorie der Konversationsmaximen ist also zugleich eine der Konversationsimplikaturen. Sie verdeutlicht, dass es nicht unbedingt die Kenntnis einer „wörtlichen Bedeutung“ ist, die alltägliche Kommunikationsprozesse regelt, sondern gewöhnlich das Wissen um die Sprecherabsicht in konkreten Gesprächssituationen.

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