Kosmische Ursuppe – dem Quark-Gluon-Plasma auf der Spur

Kurz nach dem Urknall bestand das Universum aus dem Quark-Gluon-Plasma, einem extremen Zustand der Materie, dessen Eigenschaften erforscht werden sollen.

Physiker sind den extremen Bedingungen der Materie beim spektakulären Anfang des Universums heute auf der Spur. Einem besonders interessanten Zustand dieser Urmaterie, dem Quark-Gluon-Plasma, widmen sich seit etlichen Jahren die Hochenergiephysiker. Manche nennen es auch scherzhaft „kosmische Ursuppe“, weil sich eine gewisse Ähnlichkeit mit Suppen aufdrängt, die man zum Beispiel mit Buchstabennudeln zubereiten kann.

Am Anfang war die Ursuppe

Bei dem Quark-Gluon-Plasma handelt es sich um einen bisher kaum erforschten Zustand der Materie, in dem sich das Universum in den ersten Mikrosekunden nach seiner Entstehung befunden haben soll. Der Kosmos hatte noch nicht einmal die Größe des Sonnensystems bei einer Temperatur von rund einer Billion Grad. Es gab noch keine Protonen und Neutronen, denn dafür war es so kurz nach dem Urknall noch viel zu heiß. Das neugeborene Universum war angefüllt mit einem unvorstellbar dichten und energiereichen Gemisch aus subatomaren Teilchen, den Quarks und Gluonen, das explosionsartig auseinander flog und sich dabei abkühlte.

Materie besteht aus Quarks

Quarks werden heute, dem Standardmodell entsprechend, als die elementaren Teilchen der Materie angesehen. Schon 1963 wiesen die beiden Naturwissenschaftler Murray Gell-Mann und Fred Zweig unabhängig voneinander darauf hin, dass die damals bekannten Kernbausteine, allen voran Proton und Neutron, nicht wirklich elementar seien, sondern sich aus Bestandteilen zusammensetzen mussten, die noch kleiner sind.

Der Name „Quark“ hat keine tiefere Bedeutung. Er wurde, einer Anekdote entsprechend, von Gell-Mann aus einem Roman übernommen, in dem um eine Bestellung in einem Gasthaus lautete: Drei Quark für Herrn Mark. Das passte gut, denn es sind gerade drei Quarks nötig, um Neutronen bzw. Protonen zu bilden. Gell-Mann erhielt 1969 für seine Arbeiten den Nobelpreis für Physik.

Inzwischen ist, um alle vorhandenen Elementarteilchen befriedigend in dieses Modell einzuordnen, die Anzahl der benötigten Quarks auf sechs angewachsen, die zum Teil phantasievolle Namen wie strange- oder charm-Quark erhielten. Allerdings hat bis heute kein Physiker die exotischen Quark-Teilchen frei gesehen, auch wenn es erdrückende experimentelle Hinweise für sie gibt. Noch in den 1960er Jahren betrachtete man diesen Sachverhalt als Beweis gegen das Quarkmodell. Theoretiker gehen heute jedoch davon aus, dass die Quarks in den Elementarteilchen eingeschlossen sind. Wenn man versucht, sie dort unter Energieaufwand herauszubrechen, so erschafft man auf diese Weise lediglich weitere Elementarteilchen. Man kann sich dies so vorstellen, dass die Quarks mit einem Gummiband zusammengefügt sind. Das Gummiband steht dabei modellhaft für die Wirkung der Gluonen, den Austauschteilchen der starken Kernkraft, die als „Klebstoff“ für den Zusammenhalt der Kernbausteine sorgen. Je mehr man zieht, desto stärker wird die Bindung.

Quark-Gluon-Plasma – eine extreme Materieform

Wie die Elektronen in einem normalen Gasplasma, so konnten sich die Quarks in diesem Ursuppen-Plasma quasi frei bewegen. Ähnliche Materieformen vermuten die Astrophysiker übrigens auch bei Neutronensternen, einem äußerst dichten Rest massereicher Sterne. Im Inneren eines solchen Neutronensternes sollten Bedingungen herrschen, bei denen sich die Kernmaterie in ein Quark-Gluon-Plasma verdichtet hat.

Da die Evolution des Kosmos von Expansion und gleichzeitiger Abkühlung geprägt ist, fanden sich nur wenig später, bei kühleren Temperaturen, die freien Quarks zu Protonen und Neutronen zusammen, die starke Kernkraft begann zu wirken. Physiker nennen diesen Prozess „Ausfrieren in die heute bekannten Bausteine der Materie“ (und ihre Antiteilchen), ähnlich einem Phasenübergang zwischen flüssig und fest. Seitdem kommen Quarks und Gluonen nicht mehr frei vor, sondern sind immer auf verschiedene Weise miteinander vereinigt. Die Einbindung der Quarks wird als „Confinement“ bezeichnet, zu Deutsch „Einkerkerung“.

Urknall im Labor?

Die Schilderung von der Entstehung der Welt beruht lediglich auf indirekten Schlussfolgerungen, die man aus der Beobachtung des heutigen Universums gezogen hat. Doch Physiker glauben letztendlich nur, was sie im Experiment nachvollziehen können. Seit Jahren bemühen sie sich, diesen Urzustand des Universums, in dem sich die später fest im Atomkern verankerten Grundbausteine der Materie noch frei bewegen konnten, unter Laborbedingungen nachzubilden und seine Eigenschaften zu erforschen.

Im Quark-Gluon-Plasma konnten sich Quarks und Gluonen über größere Distanzen relativ frei bewegen und miteinander agieren. Über die physikalischen Eigenschaften dieses extremen Plasmas ist so gut wie nichts bekannt; die Erzeugung des Quark-Gluon-Plasma ist daher ein schon seit längerem mit großem Nachdruck verfolgtes Ziel an mehreren Teilchenbeschleunigern weltweit.

Erfolgversprechende Experimente fanden seit Ende der 1980er Jahre an zwei Beschleunigerlabors statt, nämlich dem RHIC (Relativistic Heavy Ion Collider) in Brookhaven, USA und dem CERN-Forschungslabor in Genf. Dort werden schwere Atomkerne mit hohen Geschwindigkeiten in gegenläufigen Teilchenstrahlen, dem so genannten Collider-Prinzip, zur Kollision gebracht. Im Inneren des Kollisionsgeschehens entsteht ein enorm heißer Feuerball, der heißeste Spot im ganzen Sonnensystem, 300 Millionen Mal heißer als die Oberfläche der Sonne. Der Spot ist allerdings auch viel kleiner, nämlich nur ein Hunderttausendstel Nanometer im Durchmesser.

Dort herrscht jene Temperatur, die kurz nach dem Urknall das begehrte Quark-Gluon-Plasma erzeugt hat. Dabei sollten für sehr kurze Zeit Neutronen und Protonen in ihre Bestandteile, die Quarks, aufschmelzen, Quarks und Gluonen haben dann für einen kurzen Moment freies Spiel. Auch bei der Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt ist geplant, mit Hilfe eines erweiterten Synchrotronbeschleunigers in Kern-Kern-Kollisionen höhere Energien zu erzeugen und damit den Phasenübergang zum Quark-Gluon-Plasma, allerdings bei hohen Dichten ähnlich wie in Neutronensternen, zu erreichen.

In CERN scheint es bereits im Jahr 2002 gelungen zu sein, mit schweren Bleikernen von nahezu Lichtgeschwindigkeit diese kosmische Ursuppe kurzzeitig künstlich zu erzeugen. Das Schwierige an den Experimenten ist, dass für die Erzeugung eines solchen Plasmas extrem hohe Temperaturen notwendig sind und das zu untersuchende Quark-Gluon-Plasma bisher nur für eine winzige Zeitdauer existiert, viel zu kurz für eine direkte Beobachtung. Dann verwandelt es sich wieder in normale Materie – der extreme Materiezustand lässt sich also nicht „vorführen“. Als Produkte solcher Kern-Kern-Kollisionen treten viele neue Teilchen auf, darunter auch solche, die die seltenen schweren Quarks enthalten. Bei ihrem Nachweis sind die Forscher daher auf einen Indizienbeweis angewiesen-

Dennoch sind viele skeptisch, selbst Naturwissenschaftler. Ein Fortschritt in Richtung höherer Energien wird daher vom Large Hadron Collider (LHC) am CERN erwartet, der sich derzeit noch in der Erprobungsphase befindet. Vielleicht kann damit auch das Rätsel gelöst werden, warum sich im Kosmos überhaupt Atomkerne, Elemente, Sterne und Galaxien gebildet haben.

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