Leben als Geliebte

Aus heimlichen Treffen wird oft Abhängigkeit. Eine Affäre kann dem eigenen Leben für kurze Zeit einen zusätzlichen Kick geben. Doch häufig wird die heimliche Liason zum Problem – vor allem für die Geliebte.

Nach einer Affäre bleiben viele Fragen. „Was habe ich damals nur an diesem Mann gefunden?“, denkt Sabine Scholz heute oft, wenn sie sich an ihre ehemalige große Liebe erinnert. Die Frau aus Leipzig war drei Jahre lang die heimliche Geliebte eines verheirateten Mannes. „Ich wusste von Anfang an, dass er eine Frau und zwei Kinder hat. Und trotzdem ließ ich mich auf ihn ein“, sagt die 48-Jährige. Dann wurden die Gefühle stärker. Hoffnungen und Träume entwickelten sich.

Die Geliebte von heute ist emanzipiert und beruflich erfolgreich – Im Inneren aber „das Weibchen“

Frauen wüssten zwar fast immer, dass der Mann gebunden ist, da dieser in der Regel mit offenen Karten spielt, sagt Maja Langsdorff aus Stuttgart, die ein Buch über die Situation von heimlichen Geliebten („Die Geliebte – Was es heißt, die Andere zu sein“, BoD GmbH) geschrieben hat. Doch glaubten sie zunächst, alles im Griff zu haben. Wie Sabine Scholz geht es laut Langsdorff vielen Frauen: „Die meisten von ihnen entscheiden sich nicht bewusst für einen verheirateten Mann. Es ist eher so, dass sie in die Situation hineinschlittern“, sagt sie. Oft seien es Frauen auf der Suche nach Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit, die intuitiv auf einen Mann ansprechen, der gebunden ist und deshalb nicht „gefährlich“ werden könne.

Die Geliebte von heute ist beruflich erfolgreich, zielstrebig und emanzipiert, sagt Diplom-Psychologin Anna Schoch aus München. Aber auch in der modernen Geliebten stecke noch „das Weibchen“, die Frau, die sich anlehnen möchte, beschützt werden will und sich nach Zuwendung und Zärtlichkeit sehnt, so die Psychologin. Gegenüber der Ehefrau hat die Geliebte nach Ansicht der Psychologin leichtes Spiel: „Sie trägt in der Beziehung keinerlei Verantwortung.“ Sie müsse seine Socken nicht stopfen und seine Hemden nicht bügeln, so Schoch. Der Mann lerne seine Freundin nie im Alltag kennen. Beide zeigten sich ständig von ihrer Schokoladenseite. Laut Maja Langsdorff befinden sie sich in einem lang anhaltenden Zustand des Verliebtseins. Der Mann fühle sich im Gegensatz zu seiner Ehe jung und begehrt.

Männer verlassen für die Geliebte fast nie die Ehefrau – aus Angst vor hohen Scheidungskosten

Doch nur eine von zehn Frauen schafft es nach Angaben der Autorin, von der Anderen zur Einen zu werden und den Geliebten zu heiraten. Eine Garantie für dauerhaftes Glück ist dies nicht: „Von diesen Frauen erleben nicht wenige, dass sie selbst zur Betrogenen werden, sagt die Autorin. Der Mann habe zwar die Frauen gewechselt, nicht aber sein Verhalten. Doch nicht nur Männer suchen ihr Glück in außerehelichen Beziehungen. „Im Betrügen des eigenen Partners stehen ihnen die Frauen in nichts mehr nach“, weiß die Psychologin Anna Schoch. „Seitdem sich die Frauen ihre Unhabhängigkeit erarbeitet haben und emanzipiert sind, gehen sie genauso oft fremd wie das andere Geschlecht.“

Unterschiede gibt es bei Betrügenden aber beim Umgang mit der eigenen Familie: Männer seien zwar untreu, stünden aber zu ihrer Familie, sagt Psychologin Anna Schoch. Sie verlassen so gut wie nie die Ehefrau für die Freundin. Männer seien pragmatischer. „Sie scheuen die Kosten, die bei einer Scheidung auf sie zukommen würden“, sagt Schoch. „Frauen aber gehen, wenn sie sich in einen anderen verliebt haben.“

Den Ausstieg aus eigener Kraft schaffen – psychologische Beratungsstellen können helfen

Sabine Scholz hat vor fünf Jahren ihre heimliche Beziehung beendet. „Mir wurde damals klar, dass ich mit diesem Mann nicht glücklich werde“, sagt sie. Jede Geliebte müsse den Ausstieg aus eigener Kraft schaffen, rät Psychologin Anna Schoch. Sie müsse selbst erkennen, dass sie sich in diese Situation gebracht hat und dass nur sie allein ihr Leben ändern kann. Eine psychologische Beratung kann dabei eine große Hilfe sein: „Unsere Psychologen sprechen mit den Hilfesuchenden über deren Probleme und vermitteln sie bei Bedarf an spezielle Beratungsstellen“, sagt Monika Häussermann vom Pro Familia-Landesverband Berlin. Auch Maja Langsdorff rät Frauen, die mit einem verheirateten Mann zusammen sind und sich trennen wollen, zu einer Therapie: „Auch wenn es als kleine Lösung scheinen mag, ist es doch eine große Hilfe.“

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