Migräne – Interdisziplinäre Versorgung hilft den Betroffenen

In einer Studie aus den USA zeigt sich, dass die Kombination aus Betablockern und Verhaltenstraining die Migräne positiv beeinflusst.

Migräniker haben es schwer. Das Erleben von Migräneanfällen ist schon schwierig genug und abgesehen von den Schmerzen, sind Alltag und Lebensqualität sehr stark eingeschränkt. Dazu kommen noch die gut gemeinten Ratschläge der Umwelt, die meist auch nur Ausdruck der eigenen Hilflosigkeit sind. Das Prestige der Erkrankung ist denkbar schlecht, das führt dazu, dass viele Betroffene die Migräneverheimlichen. Und dann gibt es noch von ärztlicher und therapeutischer Seite eine Menge sich immer wieder verändernder Verhaltensanweisungen, Medikamente und andere Therapiemaßnahmen.

Die Behandlungsgrundsätze bei Migräne haben sich in den letzten Jahren sehr verändert und obwohl die Medikamente weniger Nebenwirkungen produzieren und sich die Lebensqualität der Migräniker insgesamt verbessert hat, ist die Versorgung nicht optimal. In den USA wurde Ende 2010 das Ergebnis einer Studie veröffentlicht, die gezeigt hat, dass die Kombination aus Betablockern und Verhaltenstraining bei ansonsten für den Akutfall medikamentös gut eingestellten Migränikern Anfallshäufigkeit und Schmerzintensität noch verringern kann.

Erste kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von Betablockern plus Verhaltensmedizin bei Migräne an der Universität Ohio

Die Migränestudie schloss 232 Patienten ein, die über einen Zeitraum von 16 Monaten behandelt beziehungsweise beobachtet wurden. Die Probanden galten als medikamentös gut eingestellt für akute Migräneanfälle, die meisten mit Triptanen. Trotzdem hatten sie im Durchschnitt immer noch 5,5 schwere Migräneattacken mit insgesamt 8,5 Migränetagen pro Monat. Wenn man sich verdeutlicht, welche Auswirkungen die Migräne im sozialen Umfeld und in der Gesellschaft hat, ist es verwunderlich, dass nicht schon früher der Ruf nach einem aggressiveren Migränemanagement laut wurde. Bei anderen chronischen Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes oder Asthma ist die Rolle des aufgeklärten, gut geschulten und kompetenten Patienten längst erkannt worden und wird auch mit standardisierten Schulungsprogrammen umgesetzt. Nun also auch für die Migräne.

Studiendesign

Die Probanden wurden in vier Gruppen unterteilt. Für die erste Gruppe gab es ein Placebo, die zweite erhielt Betablocker, Propanolol oder Nadolol. Die dritte Gruppe unterlag der Kombination von Placebo und einer intensiven Schulung, die vierte Gruppe erhielt die identische Schulung und dazu Betablocker. Alle Studienteilnehmer hatten die gleiche Anzahl von Besuchen in der Kopfschmerzambulanz zu absolvieren und mussten telefonisch im gleichen Maße über die Erkrankung Auskunft geben. Zusätzlich hatten alle Teilnehmer täglich, über die gesamte Studiendauer hinweg, Beschwerden und Medikamentenverbrauch rechnergestützt zu protokollieren.

Inhalt der Schulung waren Psychoedukation, also Informationen über die Krankheit an sich und deren auslösende Mechanismen. Zusätzlich erlernten die Teilnehmer verschiedene Entspannungstechniken, die dann selbstständig mit Unterstützung von Handbuch und Audiolektionen weiter vertieft wurden. Des Weiteren stand das Erlernen von Verhaltensänderungen auf dem Plan und es wurden individuelle Pläne für das Migränemanagement erarbeitet, flankiert vom Erlernen des Umgangs mit Rückschlägen. Der Inhalt der viermonatigen Patientenschulung stellt klassische Verhaltenstherapie mit Anteilen aus der kognitiven Verhaltenstherapie dar.

Ergebnisse der Studie – Migränehäufigkeit und Migränestärke konnten gesenkt werden

Das Befinden der Studienteilnehmer wurde zehn und sechzehn Monate nach Beginn der Studie überprüft, zu beiden Zeitpunkten hatte sich der gesundheitliche Zustand aller Teilnehmer in allen Gruppen verbessert. In der vierten Gruppe, Schulung plus Betablocker, gingen die Migräneattacken um 3,3 (nach 10 Monaten) und 3,8 (nach 16 Monaten) pro Monat zurück, nur die Werte dieser Gruppe waren signifikant. Auch das Ausmaß der Lebensqualität, welches mit einer vorgegebenen Skala eingeschätzt wurde, hatte sich in gleicher Weise verbessert, mit signifikanten Werten für die vierte Probandengruppe.

Eine Erfahrung, die im deutschen Gesundheitssystem mit der Entwicklung und Anwendung der Desease-Management-Programme (DMP) schon seit längerem für andere chronische Erkrankungen umgesetzt wird, hat sich hier nun auch für die Migräne bestätigt. Der aufgeklärte und kompetente Patient kann seine Krankheit besser managen, was weitreichende positive Auswirkungen auf Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität hat. In der Integrierten Versorgung Kopfschmerz wird diese Erkenntnis in Deutschland in Kopfschmerzambulanzen und Kopfschmerzkliniken auch bereits umgesetzt, eine flächendeckende Versorgung ist aber noch nicht in Sicht.

Die interdisziplinäre Behandlung, besonders von chronischen Erkrankungen, gerät zu Recht in Deutschland immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Da diesen Krankheiten in der Regel ein komplexes Ursache-Wirkungs-Geflecht zugrunde liegt, verschenkt eine eindimensionale Betrachtung nutzbare Ressourcen. Zwar kann man mit solchen fachübergreifenden Modellen die Krankheit nicht beseitigen, aber zumindest dafür sorgen, dass jeder Erkrankte lernt, seine Möglichkeiten optimal zu nutzen.

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