Morbus Bechterew – Chronische Wirbelsäulenentzündung

Morbus Bechterew ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, die hauptsächlich die Wirbelsäule betrifft. Als Ursache wird eine Autoimmunerkrankung vermutet.

Morbus Bechterew ist eine entzündliche Erkrankung, die hauptsächlich die Wirbelsäule betrifft. Sie wird den chronischen rheumatischen Erkrankungen zugeordnet, obwohl die Ursachen bis heute noch nicht eindeutig geklärt sind.

Entzündlicher Prozess, Autoimmunerkrankung, Wirbelsäulenversteifung

Im deutschen und osteuropäischen Sprachraum hat sich der Name „Morbus Bechterew“ eingebürgert. Im Lateinischen wird die Erkrankung als „Spondylitis ankylosans“ im Englischen als „ankylosing spondylitis“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um einen entzündlichen Prozess hauptsächlich der kleinen Wirbelgelenke (Zwischenwirbelgelenke). Sehr oft sind auch an die Wirbelsäule angrenzende Gelenke, z.B. das Kreuzdarmbeingelenk (Iliosakralgelenk) davon betroffen. Im schlimmsten Fall führt die Erkrankung zu einer knöchernen Wirbelsäulenversteifung. Experten vermuten, dass eine chronische Autoimmunreaktion mit vererbter Disposition die Ursache dafür ist. Dies würde die Einordnung bei den rheumatischen Erkrankungen erklären. Morbus Bechterew gilt auch heute noch als unheilbar, kann aber in ihrem Verlauf entscheidend beeinflusst werden.

Symptome: Morgenschmerz, Versteifung, Entzündungen

Leitsymptom ist ein tief liegender Rückenschmerz, der in den Morgenstunden auftritt oder sich in diesem Zeitraum verschlimmert. Bewegung lindert meistens die Schmerzen. Weitere Symptome sind oft Steifigkeit des Nackens, der Wirbelsäule, des Brustkorbs. Es können Entzündungen anderer Körpergelenke auftreten. Durch die Versteifung werden Schmerzen beim Niesen oder Husten ausgelöst. Sehnenansätze können sich entzünden. Etwa 10-25% der Betroffenen leidet unter einer Entzündung der Regenbogenhaut (Iridozyklitis). Wenn die Erkrankten dem Versteifungsprozess nicht mit Krankengymnastik entgegenwirken, versteift die Wirbelsäule sehr oft in einer ungünstigen Position mit zum Boden geneigten Kopf (Begrüßungshaltung).

Autoimmunerkrankung, körpereigenes Gewebe, Immunsystem, T-Lymphozyten

Autoimmunreaktionen sind überschießende Immunprozesse gegen das körpereigene Gewebe. Das Immunsystem erkennt gesundes körpereigenes Gewebe als fremd und bekämpft es. Dies führt zu Entzündungsreaktionen und Gewebs- bzw. Organschäden z.B. bei Morbus Bechterew in den Wirbelgelenken.

Eine zentrale Rolle bei der Autoimmunreaktion spielen die T-Lymphozyten. Sie werden im Knochenmark gebildet und reifen für ihre spezifische Aufgaben im Thymus. Eine dieser spezifischen Aufgaben ist die Erkennung und Unterscheidung von körperfremden und körpereigenen Stoffen (Zentrale Immuntoleranz). Normalerweise werden diejenigen T-Lymphozyten, die dazu nicht fähig sind, im Thymus selektiert und zerstört.

Genetische Disposition, äußere Einflüsse, Immuntoleranz

Die genauen Ursachen von Autoimmunerkrankungen sind trotz intensiver Forschung bis heute nicht eindeutig geklärt. Es wird vermutet, dass eine Kombination von angeborener Empfänglichkeit (genetische Disposition) und äußeren Einflüssen ausschlaggebend ist.

Das Immunsystem unterscheidet körperfremde von körpereigenen Zellen u.a. anhand der Zellmembranoberfläche. Genauer gesagt, findet eine Unterscheidung aufgrund der Oberflächenstruktur statt, die wie eine Art Ausweis in diesem Zusammenhang funktioniert.

Für die verlorene Immuntoleranz werden zwei Gründe verantwortlich gemacht. Der erste Grund wird in der fehlerhaften Selektion im Thymus gesehen. T-Lymphozyten, die z.B. körpereigene Oberflächenstrukturen als fremd erkennen, werden nicht ausgesondert. Hiervon können ganz bestimmte körpereigene Oberflächenstrukturen betroffen sein. Dies würde erklären, warum bei bestimmten Autoimmunerkrankungen nur ganz bestimmte Gewebetypen bzw. Organe betroffen sind, z.B. die Wirbelsäule bei Morbus Bechterew.

Der zweite Grund könnte die Ähnlichkeit der Oberflächenstruktur bestimmter Erreger zur Oberflächenstruktur bestimmter körpereigenen Zellen sein. Erreger mit diesen ähnlichen Strukturen werden nach einiger Zeit als fremd erkannt. Die folgende Immunreaktion richtet sich nach erfolgreicher Erregereliminierung schließlich gegen das körpereigene Gewebe. Letztendlich könnten T-Gedächtnis-Zellen, die sich Oberflächenstrukturen bekämpfter Zellen merken, für spätere erneute Autoimmunreaktionen (chronischer Krankheitsverlauf) verantwortlich sein.

Tumornekrosefaktor-alpha, Proteoglycan Aggrecan

Obwohl die Ursachen für Morbus Bechterew nicht eindeutig geklärt sind, liegt eine Störung des Immunsystems nahe. Bei Betroffenen konnte eine Schmerzlinderung durch die therapeutische Hemmung des Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-alpha) erreicht werden. TNF-alpha ist ein Signalstoff des Immunsystems und wird hauptsächlich von Makrophagen ausgeschüttet. Ihm wird im Krankheitsgeschehen eine wichtige Rolle beigemessen.

Bei Entzündungen im Kreuzbein-Darmbeingelenk konnten dort T-Lymphozyten (T-Helferzellen, zytotoxische T-Zellen), Fresszellen und TNF-alpha ohne feststellbaren Auslöser nachgewiesen werden. Es wird ein autoimmunologisches Phänomen gegen das im Gelenkknorpel vorhandene und für seine Elastizität mitverantwortliche Proteoglycan Aggrecan vermutet. Die gemeinsamen Oberflächenstrukturen der Zellen im Knorpelgewebe könnten eine Erklärung für die im Körper betroffenen Stellen (Gelenke) sein.

Diagnostik: Symptome, Differenzialdiagnostik

Ausgangspunkt der Diagnose sind entweder Wirbelsäulenschmerzen vom entzündlichen Typ oder Gelenkkapselentzündungen (Arthritis) sowie eines der folgenden Kriterien:

  1. Auftreten von Morbus Bechterew in der Familie,
  2. Schuppenflechte,
  3. Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa (Magen-Darm-Entzündungen),
  4. beidseitig wechselnde Gesäßschmerzen,
  5. Fersenschmerzen,
  6. Sakroiliitis (entzündliche Veränderungen der Wirbelsäule).

Bewegungseinschränkungen können durch einfache Untersuchungen wie Kinn-Brustbeinabstand, Hinterkopf-Wand-Abstand, atemabhängige Änderung Brustumfang, Schober-Maß, Ott-Maß, Menell-Zeichen genauer bestimmt werden.

Morbus Bechterew muss von anderen Krankheiten wie Osteoporose, Bandscheibenvorfälle sowie bakterielle Entzündungen und Tumorerkrankungen der Wirbelkörper abgegrenzt werden.

Blutuntersuchung: HLA-B27, IgA, C-reaktives Protein

Blutuntersuchungen sind meistens nicht eindeutig. 90% der Betroffenen haben das HLA-B27-Gen (Rheumafaktor). Das Gen wird aber lediglich als Risikofaktor angesehen. Im Blut können Entzündungszeichen nachgewiesen werden. Die Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP) und Immunglobulin A (IgA) ist fast immer erhöht.

Röntgenbild, Veränderungen Bewegungsapparat

Im Röntgenbild sind viele Veränderungen am Bewegungsapparat sichtbar, z.B. Sakroiliitis (Entzündung der unteren Wirbelsäule), Knochenspangen zwischen benachbarten Wirbeln, Spondylarthritis (Wirbelgelenkentzündung) und Verknöcherungen des Wirbelsäulenapparats. Die Veränderungen führen letztendlich zur Bambusrohrform der Wirbelsäule.

Morbus Bechterew ist bis heute noch nicht heilbar. Die Betroffenen können aber viel dazu beitragen, den Krankheitsverlauf maßgeblich zu beeinflussen. Schwere Krankheitsverläufe bis zur Wirbelsäulenversteifung sind heute nur noch selten.

Mehr über die verschiedenen Behandlungsmethoden von Morbus Bechterew erfahren Sie im Artikel „Morbus Bechterew – Behandlungsmöglichkeiten„.

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