Osedax: Knochenfressendes Kuriosum aus der Tiefsee

Das macht diesen Würmern so schnell keiner nach: ohne Mund und Verdauungssystem ganze Walskelette zu verschlingen.

Bekannt sind die zur Gattung der Vielborster (Polychaeta) zählenden Osedax (was so viel wie Knochen fressend bedeutet) vergleichsweise kurz, nämlich erst seit einem knappen Jahrzehnt – existieren dürften die Tiere laut einem Bericht von deutschen Forscher im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences“ schon seit mindestens 30 Millionen Jahren, und das trotz so mancher Handicaps sehr erfolgreich.

Vielfrasse ohne Maul und Darm

Um einen Walkadaver zu vertilgen, muss man das Maul ganz schön weit aufreißen. Wie genau die in ihrer natürlichen Umgebung ausschließlich von Walknochen lebenden Tiefseewürmer dies allerdings ganz ohne Fresswerkzeuge schaffen und nebenbei auch noch auf ein funktionierendes Verdauungssystem verzichten können, gibt Meeresbiologen Rätsel auf. Auf den ersten Blick wirken die Tiere, die ihr gesamtes Leben an ihrer Nahrungsquelle, dem Walskelett verbringen, wie simple Fäden, jedoch ist zumindest bei den weiblichen Exemplaren der Körperbau deutlich komplexer und und lässt sich unterteilen in Rumpf, aus Tentakelkrone ragt, einen Eisack und eine verzweigte Wurzel, mit der sie sich in das Innere der Walknochen bohren. Dass die Tiere ohne Fresswerkzeuge und Darm erfolgreich in der Tiefsee überleben, verdanken sie dem symbiotischen Zusammenleben mit Bakterien, welche für sie die Aufgabe der Nahrungsaufnahme übernehmen und ihren Wirt gleichzeitig mit Nährstoffen versorgen. Über die genauen Abläufe dieser Versorgungskette rätseln Wissenschaftler aber nach wie vor, denn die auf den Osedax angesiedelten Bakterienstämme benötigen selbst organische Nahrung und können eigentlich nicht die einzige Versorgungsquelle darstellen.

In weit weniger minimalistischer Form beobachtet man das Phänomen symbiotischer Beziehungen zwischen anderen darmlosen Wurmgattungen und Bakterien, mit dem Unterschied, dass die Bakterien in diesen Fällen klar nachweisbare Abbauprodukte freisetzten, die den Würmern als Nahrungsquelle dienen.

Männliche Parasiten im Zwergenformat

Nicht nur die unkonventionelle Nahrungsaufnahme, auch der Größenunterschied der Geschlechter ist bei den Osedax verblüffend: während die Weibchen immerhin eine Größe von bis zu sieben Zentimetern erreichen können, bleiben die Männchen mikroskopisch klein und verbringen ihr gesamtes Leben in einer den Rumpf des Weibchens umhüllenden Röhre. Dass ihre Existenz in erster Linie auf die Sicherung des Fortbestandes ausgelegt ist, legt auch ihre nahezu vollständige Füllung mit Spermien nahe.

Überleben bestimmt der Zufall

In Fragen der Fortpflanzung setzt der Osedax in erster Linie auf Quantität und glückliche Zufälle. Da mit dem Aufbrauchen des Walskeletts sowohl Lebensraum als auch Nahrungsgrundlage für die gesamte Kolonie verschwindet, versucht der Osedax, den Fortbestand der Art mit einer möglichst großen Larvenproduktion zu sichern. Diese werden in die Meeresströmung freigesetzt, um sich auf einem neuen Walkadaver niederzulassen – und dies wird in Zeiten der dramatisch sinkenden Walpopulation immer schwerer.

Dass jedoch die Osedax nötigenfalls auch auf alternative Nahrungsquellen zurückgreifen würden, zeigen Experimente an der Scripps Institution of Oceanography: die Würmer besiedelten auch versenkte Knochen von Rindern oder großen Fischen.

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