Rohstoffabbau im Meer – droht eine ökologische Katastrophe?

Zunehmende Ressourcenknappheit lenkt den Fokus der Rohstoffindustrie auf das Meer. Doch der Abbau vom Meeresgrund hat schwerwiegende ökologische Folgen.

Rund zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Dieser Umstand zeigt, was bei zunehmender Ressourcenknappheit noch auf den Planeten zukommt. Denn nicht nur Überfischung und Walfang gefährden die Weltmeere. Eine ökologische Katastrophe droht vor allem durch einen groß angelegten Abbau von Rohstoffen, insbesondere in der Tiefsee. Manganknollen, mineralische Ablagerungen an hydrothermalen Quellen sowie Erdöl und Methanhydrat sind die Bodenschätze, die auf oder unter dem Grund der Ozeane liegen.

Die ökologischen Folgen des Mineralienabbaus im Meer

Zahlreiche Nationen haben bereits ihre Gebietsmarkierungen in internationalen Gewässern abgesteckt und sich die Schürfrechte darin gesichert. Zwar sind diese an Umweltauflagen gebunden. Doch abgesehen von der Pflicht zum Einrichten unberührter Pufferzonen sind sie unspezifisch und verpflichten letzten Endes zu nichts. Und das ist verständlich, denn niemand weiß, wie ein Mineralienabbau am Meeresgrund auf schonende Weise funktionieren könnte, wenn sich Schaufelbagger wie im Tagebau an Land durch das Erdreich fressen. Wo schweres Gerät den Meeresboden durchpflügt, ist kein Platz mehr für die Bewohner dieses Habitats. Da die Tiefsee überhaupt erst seit kurzem wissenschaftlich untersucht wird, sind die Folgen eines solchen Vorgehens noch nicht abzuschätzen. Fragen zur Verhaltenökologie, die für den Fortbestand des gesamten Ökosystems nach der Ausbeutung von Bedeutung sind, werden wohl erst im Nachhinein durch den Praxistest beantwortet werden. Etwa unter welchen Bedingungen es zur Wiederbesiedlung kommt, wie lange die Regenerationsphase dauert, oder ob es zu einem vom Menschen gesteuerten Eingriff in Prozesse der natürlichen Selektion kommen könnte. Am wichtigsten erscheint jedoch die Frage, wie stark die wirtschaftliche Nutzung des Meeresbodens als Katalysator für das Artensterben wirkt. Das ist eine zentrale Frage, die sich Ökologen allgemein immer dann stellen, wenn Zivilisationsbestreben zu Lasten der Natur geht. Im Hinblick auf die sich zuspitzende Situation der Nahrungsmittelversorgung einer explodierenden Weltbevölkerung birgt das Problem des Artensterbens für den Lebensraum Ozean eine besondere Brisanz.

Risiken bei der Ölförderung in der Tiefsee

Fortschritte in der Werkstofftechnik und neue Bohrverfahren ermöglichen heute den Zugriff auf Lagerstätten, deren Ausbeutung der enorme Druck unter Wasser bisher verhindert hatte. Immer größere Bohrinseln, mit denen Ingenieure die Grenzen des technisch Machbaren weiter verschieben, kommen zum Einsatz. Jedoch bleibt die Tiefsee für den Mensch ein extremer Lebensraum, den zu beherrschen letztlich auch die Technik nicht vermag. Erfahrungen auf diesem Gebiet sind kaum vorhanden und so verwundert es nicht, dass die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko mit der Explosion der Plattform „Deep Water Horizon“ ihren Lauf nahm. Trotz der Unterstützung vieler Anwohner und Naturschützer, der Küstenwache und bezahlter Experten von British Petroleum gelang es nicht, eine Ausbreitung der Ölpest zu verhindern. Monate nach der Katastrophe machten Untersuchungen von Biologen deutlich, wie vielschichtig die Folgen für die Umwelt sind. Entlang einem Küstenabschnitt über mehrere hundert Kilometer sind Flora und Fauna noch immer bedroht, wenn die Ölteppiche schon nicht mehr sichtbar sind und Bilder ölverklebter Seevögel der Vergangenheit angehören. Betroffen ist nicht nur die Küste selbst. Mit der Zeit erreicht das Öl auch angrenzende Süßwasserseen und Mangroven-Wälder. Mit dem Ausbringen einer Chemikalie zur Beseitigung des Öls entschieden sich die Verantwortlichen für einen unter Fachleuten, wie der WWF-Meeresschutzexperte Stephan Lutter, umstrittenen Weg. Denn dieses sogenannte Dispersionsmittel lässt es nicht verschwinden, sondern sorgt lediglich dafür, dass das Öl in winzige Tröpfchen zerlegt in tiefere Wasserschichten absinkt. Weil Meeresbewohner diese Überreste für Plankton halten könnten, gelangen so giftige Rückstände in die Nahrungskette. Die Ökosysteme sind nachhaltig geschädigt und es braucht mindestens ein Jahrzehnt, um eine spürbare Erholung zu vermelden, so die Einschätzung der Biologin beim Havariekommando des Bundes und der Länder, Uda Tuente.

Fragwürdige Perspektiven für das Meer

Inwieweit die natürlichen Ressourcen im Meer ausgebeutet werden, hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: dem Preis des Rohstoffs auf dem Weltmarkt und dem Stand der Technik zur Gewinnung. Beides zusammen wirkt wie eine Zange, womit der ökonomisch denkende Mensch sich dem maritimen Lebensraum nähert und droht, diesen einer hohen Belastungsprobe zu unterziehen.

Obgleich die Ausbeutung mineralischer Vorkommen in der Tiefsee aufgrund dieses Gefüges im Moment noch unwirtschaftlich ist, so sind doch die Weichen für die Zukunft bereits gestellt. Mit der International Seabed Authority (ISA) wurde eine anerkannte Institution ins Leben gerufen, die für die Abwicklung von Fördertätigkeiten in internationalen Gewässern zuständig ist.

Währenddessen läuft die Ölförderung auf See auch nach dem verheerenden Unglück im Golf von Mexiko unvermindert weiter – um eine Erkenntnis reicher: Trotz aller Möglichkeiten, die sich durch modernste Technik bieten, birgt die Rohstoffgewinnung aus der Tiefsee eher ein schwer kalkulierbares Risiko als eine Herausforderung.

Lesen Sie auch: „Rohstoffe aus der Tiefsee“ von Andreas Toll

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