Selbstignoranz

Die Ignoranz sich selbst gegenüber ist ein ausgelebtes Gefühl der Wertlosigkeit, hervorgerufen durch die verschiedensten Erfahrungen.

„Ich liebe mich nicht…“ ein edler Ausspruch? Oder ist er gleichzusetzen mit: „Ich erhalte mich nicht mehr“? Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass der Mensch mit einem gewissen Maß an „Selbstliebe“ geboren wird. Man könnte es auch Selbsterhalt nennen. Nicht umsonst heißt es ja auch „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Dieser Satz setzt also voraus, dass wir uns selber lieben. Und das gar nicht mal wenig, denn unserem Nächsten sollen wir ja alles erdenklich Gute zukommen lassen.

Ich bin mir egal…

Umso erschreckender ist es wenn man bedenkt, wieviele Menschen sich nicht nur hassen, sondern sich mit einer Form von Ignoranz gegenüberstehen.

Ich weiß sehr viel…

Die Menschen wissen immer mehr, sehen sich selbst als Quelle des Wissens an, als „human resource“. Ignoranz gegenüber der Wissenschaft, gegenüber dem Wissen des Einzelnen wird ge- und bestraft, es gibt endlose Vortragsreihen, dass der Einzelne doch Recht hat, es gibt endlose Vortragsreihen, was nun richtig und was nicht, was gut und was böse sei, aber all das verschlimmert die Ignoranz seinem eigenen Selbst gegenüber nur. Trotz all des Wissens, trotz besseren Wissens, wie es ja nun einmal mehr als oft zutrifft. Wie passt das zusammen? Menschen voll der Weisheit, des Verstandes – und doch so ignorant ihrer Seele, ihrem Körper gegenüber?

Die Chinesen sagen: Ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper

Wie viele Menschen wird es dann wohl geben, die keinen gesunden Geist haben, die sich prächtig fühlen in all ihrem Wissenswahn, der sie zwar viel gelehrt und gelernt, aber eines doch vergessen haben: das eigene Selbst. Das Selbst, dass sogar Kant schon erforscht hat. Kant, der eine Selbstbeziehung dem Wissen gegenüber vorausgesetzt hat, bewußt oder unbewußt. Doch wo ist diese Selbstbeziehung dem Wissen gegenüber, dem Wissen sich Selbst gegenüber?

Und wenn man dann noch davon ausgeht, dass selbst diese vor Wissen platzenden Menschen so unwissend sind, dass ihr Wissen lediglich eine schwimmende Insel im Meer ihrer Unwissenheit ist (zugegeben, die Insel ist größer als bei den abgestempelten „Unwissenden“ oder auch denen, deren Wissen tatsächlich sehr klein ist), ist es umso trauriger.

Wie kann man nun scheinbares Wissen, Ignoranz, Dummheit oder bewußtes Unwissen voneinander abgrenzen, oder greift alles ineinander, vermischt sich?

Ich bin nicht ignorant…

Was Ignoranz ist, wissen wir alle. Die Wissenschaft teilt es in mehrere Teile. Die zwei wichtigsten Teile:

1. ein Prozess, an dessen Ende ein Nichtwissen steht, und zwar Nichtwissen dessen, was man vorher gewußt hat. Ein Prozess des Vergessens, würde der Laie sagen.

2. eine bewußte „Unterversorgung“ mit Informationen, Daten und Fakten.

Um es mit meinen eigenen Worten zu sagen ist die Ignoranz sich selbst gebenüber ein Phänomen welches darauf beruht, dass Wichtiges vergessen und bewußt weggeschoben und Unwichtiges in den Vordergrund gerückt wurde.

Ich bin un- wichtig…. – das was ich weiß, ist wichtig

Das bloße Wissen, was man im Kopf hat, scheint so viel wichtiger zu sein, als die Seele oder die Gesundheit.

Der Arbeitswert einer Person, die Belastbarkeit, die Flexibilität ist sehr viel wichtiger als die Seele, der Körper, die Gesundheit und was noch so an „Ich“ dranhängt.

Ich bin nichts wert…

Schwerwiegend ist, dass nicht nur andere so ignorant ihren Mitmenschen gegenüber sind (wie beispielsweise Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern gegenüber) – sondern dass die Menschen sich selbst mit derselben Verachtung behandeln. Sie sind sich selbst nichts mehr wert, behandeln sich als ein Wegwerfprodukt oder Ersatzteillager. Ja nicht nur das… all das wird bei den Ignoranten verteidigt, es wird von „Wellness“ und Jugend gesprochen und von vielen anderen, wohlklingenden Wörtern. „Nimm dir eine Auszeit.“ „Gönn dir etwas.“ „Das ist nur für dich!“ All diese hohlklingenden Phrasen sind nichts weiter als Produkte, die diese Ignoranz erhöhen – und mit steigender Ignoranz wird dieses auch mehr verteidigt, es wird nach wissenschaftlichen Studien gefragt, die die Ignoranten sehen wollen – und da es diese nicht gibt sehen sie es als Beweis, dass sie auf dem „richtien Weg“ sind, sie fühlen sich dabei immer öfter miserabel, hier und da bricht das Eis der Ignoranz, weil der Körper oder die Seele durch das Eis bricht und laut um Hilfe schreit. Aber eine Schneekanone sorgt schnell dafür, dass wieder Ruhe einkehrt und die Kälte der Entschuldigungen, das bewußte Augenschließen vor dem, was immer Offensichtlicher wird sorgen dafür, dass das Eisloch schnell wieder zufriert.

Ich liebe die Kultur

Ist es vielleicht sogar so, dass ein kultureller Umschwung stattfindet, der diese Ignoranz, dieses Vergessen und absichtlich herbeigeführtes Unwissen in Form von Ausblendung erklären könnte?

Ist es wichtig für die moderne Humane, sich nicht nur so wertlos zu fühlen, sondern sich auch so zu behandeln?

Eine Transformation, die erheblich ist… und unaufhaltsam schreitet sie voran. Sie frisst um sich und lässt nichts zurück, als Krankheit und Ohnmacht.

Ich bin nicht ganz zufrieden….

Wen nimmt es bei all dieser Selbst-Ignoranz noch Wunder, wenn die Menschen, zerfressen von dieser Selbstignoranz, natürlich auch ihren Nächsten nicht mehr lieben können. Zank und Streit, Lügen und Lästerei, Krieg und Schlimmeres … davon hört man mehr als genug. In den Häusern Unglück, Unfriede, Unzufriedenheit. Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation.

Ja, man kann sich nun weiter die Augen zuhalten, die Ohren gleich mit… und sich weiter zerfressen lassen von der Selbstignoranz. Solange, bis man nicht mehr da ist.

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