Stechapfel und Engelstrompete

Datura & Brugmansia: Nachtschattengewächse mit Heil- und Giftwirkung. Jedes Nachtschattengewächs hat mindestens einen giftigen Pflanzenteil. Doch auch Heilsames ist in ihnen zu finden, das wussten schon unsere Ahnen.

Wer kennt sie nicht, die Topfpflanzen mit den trompetenförmigen Blüten, den bizarren Blättern? Vielerlei Vorgärten werden heute mit ihnen geschmückt. Und das, obwohl es sich um Nachtschattengewächse handelt, welche tödlich sein können und dennoch im Baumarkt feil geboten werden.

Stechapfel und Engelstrompete, Datura und Brugmansia

Diese vermeintlichen Zierpflanzen stellen ein zentrales Element europäischer „Hexenkunst“, mexikanischen Schamanentums und indischen Heilwissens dar: Sowohl der Stechapfel als auch die Engelstrompete, sind Rausch-, Ritual- und Medizinpflanzen.

Die Engelstrompete ist mit dem Stechapfel verwandt, wurde botanisch-nomenklatorisch unter der Gattung Datura geführt, fälschlicher Weise ist sie noch immer unter diesem Namen erhältlich.

Die Verwendung beider Pflanzen entspricht jener der anderen Nachtschattengewächse, über dies hinaus waren die Samen des Stechapfels ein beliebtes Mittel zum Gefügigmachen von Liebespartnern und um die Zukunft vorauszusagen: „Im Daturarausch tanzen und fliegen die Menschen. Völker in allen Erdteilen nehmen Stechapfel zu sich, um den Wahnsinn zu erzeugen. Sie lassen die Kinder davon essen, die ihnen Gold an der Stelle anzeigen, wo sie berauscht niedersinken. Datura verführt Frauen, weissagt, läßt in die Zukunft sehen.“ (Schenk, vgl. Quellen)

Stechapfel und Engelstrompeten gehören seit ihrer ersten Erwähnung bei Leonard Fuchs 1543 zu den beliebtesten Zierpflanzen europäischer Gärten. Sie verzaubern allerdings nicht nur durch ihre Blütenpracht, ihre Fähigkeit als Nachtdufter, sondern durchaus auch als psychoaktive Droge: „Wer diese Pflanze einnimmt, um sich anzutörnen, wird sein blaues Wunder erleben, einen Ausflug in den Wahnsinn, ein Aufstieg in die eigene Hölle“, so Christian Rätsch als Herausgeber der Reihe „Nachtschattengewächse, eine faszinierende Pflanzenfamilie“ (vgl. Quellen).

Historie, Verwendung in der Volksmedizin und Heilkunde

Den Mayas war der Stechapfel heilig, wie archäologische Funde beweisen. In Südamerika, Asien und Afrika wird die Datura als rituelles Entheogen, Aphrodisiakum und Medizin genutzt; die Engelstrompete stammt augenscheinlich aus Südamerika, wo sie ebenso medizinisch und narkotisch verwendet wird.

Aus den Samen der Datura bereiten nordmexikanische Indianer einen Aufguss, der bei geschwollenem Hals indiziert ist. Andere Völker nutzen verschiedene Datura-Arten und Brugmansia als Augenmittel, Analgetikum, Aphrodisiakum, Brandwundenauflage, Desinfektionsmittel oder Narkotikum, gegen Abschürfungen, Asthma, Atembeschwerden jeder Art, Diarrhöe, Entzündungen, Geburts- und Gelenkschmerzen, Vergiftungen durch Bisse, Schwellungen, Knochenbrüche und auch zur Geburtenkontrolle. Sogar gegen Krebs und Meningitis, Nervenkrankheiten und Typhus werden sie in Mittelamerika verwendet.

Die Schulmedizin gebraucht Datura-eigenes Atropin als wichtiges Ausgangsmaterial zur Herstellung des Pharmazeutikums und Antidots bei diversen Intoxikationen. In der pädiatrischen Kinderanästhesie wird Atropin zur Narkoseeinleitung genutzt, bis zur Mitte der 80ger Jahre des 20. Jahrhunderts gab es in der Apotheke Asthma-Zigaretten, die unter anderem gerollte Stechapfelblätter enthielten. Die stark bronchospasmolytische Wirkung tritt so rasch ein, dass einige wenige Inhalationszüge genügen, um einen Anfall zu verhindern.

In der Homöopathie wird Datura stramonium gegen Asthma, Keuchhusten, Masern, Scharlach, Fieberkrampf, Epilepsie, Rückenmarksentzündungen und verschiedene Geisteskrankheiten wie Säuferwahnsinn und Tobsucht eingesetzt; weltweit gilt die Datura zudem als Liebesmittel.

Gegenmittel bei Vergiftungen

Grundsätzlich galt die Mistel als Gegenmittel bei jedweder Vergiftung, die Begründung ist nicht erforscht. Allerdings können die Fette durch ihre okklusive Wirkung helfen, die Wärmeverteilung des Körpers zugunsten einer vermehrten Gift-Ausscheidung über die Haut umzuleiten.

Als Antidot bei Tollkirschen-Vergiftung galt Tannin und Jod. Hatte man beides nicht zu Hand, wurde eine Abkochung von Eichen-, Weiden- oder Chinarinde gemacht.

Ebenso wandte man örtliche Blutentziehungen sowie reizende Fußbäder, Klistiere an. Kam es zu Lähmungen, war die Darreichung von Reizmitteln in Form von Wein notwendig.

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