Umbauprozesse des Gehirns während der Pubertät

Wie Prozesse im Hirn das Verhalten der Jugendlichen formen. Früher glaubte man, Hormone seien an pubertierendem Verhalten schuld. Neue bildgebende Verfahren weisen in eine andere Richtung. Umbauprozesse formen das Verhalten.

Die meisten Eltern sind stolz auf ihre Kinder. Oftmals keimt der Gedanke auf: „Das Kind ist mir gut geglückt“. Die lange Erziehungsarbeit scheint sich gelohnt zu haben. Alle Umgangsformen werden vom Nachwuchs beherrscht.

Dann kommt der Schock: Die Pubertät. Für viele Erwachsene ist der Sprössling während dieser Phase fremd und unverständlich. Die Arbeit von Jahren scheint über Nacht einfach verpufft zu sein.

Mädchen und Jungs pubertieren nicht gleich

Jungs sind während der Pubertät die Draufgänger. Es gibt kaum ein Wagnis, dass sie nicht bereit sind einzugehen. Mädchen hingegen werden oftmals weinerlich und zeigen starke Gefühlswallungen. Sie nehmen sich viel zu Herzen und reagieren oftmals sehr sensibel auf ihre Umgebung.

Sowohl die Mädchen als auch die Jungs sind in dieser Phase besonders gefährdet. Die Todesrate unter Jugendlichen ist um mehr als das Doppelte aller anderen Altersstufen erhöht. Betrachtet man sich diesen Umstand näher, so fällt auf, dass die Todesarten nicht zufällig verteilt sind. Während die Jungs eher durch Unfälle sterben, ist bei Mädchen die Suizidrate besonders hoch. Dies entspricht im wesentlichen dem zu beobachtenden Verhalten.

Gleichzeitig sind pubertierende geschlechtsunabhängig nur schwer zu motivieren. Sie können nicht planen und ihr Verhalten zieht oftmals schwere Konsequenzen nach sich.

Schuld sind Vorgänge im Gehirn

Die Wissenschaft ging lange Zeit davon aus, dass pubertierendes Verhalten durch die Hormonumstellung zustande käme. Prozesse im Gehirn wurden vernachlässigt. Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass mit Einsetzen der Pubertät die Entwicklung des Gehirns abgeschlossen sei. Neuere Ergebnisse aus der Hirnforschung weisen hier in eine andere Richtung. Bedingt durch moderne bildgebende Verfahren ist man nun in der Lage, die Prozesse im Jugendlichen Gehirn sichtbar zu machen. Neue Befunde bestätigen, dass mit dem Eintritt der Pubertät das Gehirn nicht ausgereift ist. Im Gegenteil: Mit Eintritt der Pubertät verändert sich das gesamte Gehirn und fördert hiermit das für Jugendliche typische Verhalten zu tage.

Das Chaos im Gehirn

Bei Jungs reift bei Einsetzen der Pubertät zunächst der Hippocampus aus. Dieser ist zuständig für das draufgängerische Verhalten. Bei Mädchen ist die erste Station die Ausreifung der Amygdala. Sie ist das „Zentrum für Gefühlswallungen“. Gleichzeitig werden die Verbindungen im Gehirn, die in der Kindheit aufgebaut wurden, wieder gelöst. Dies geschieht nach dem Prinzip: Was gebraucht wird bleibt, was brach liegt wird abgebaut. Bei diesen Prozessen verlieren Jugendliche ca. 15 % ihrer Hirnmasse.

Die Reihenfolge des Umbaus

Der Umbau des Gehirns folgt dabei einer Systematik: Der Vorgang beginnt am hinteren Ende des Gehirns und arbeitet sich dann nach vorne durch. Hier beginnt das eigentliche Dilemma, die das Verhalten bedingt. Im vorderen Teil des Gehirns sind höhere Funktionen beheimatet wie Motivation, Planung, die Abschätzung von Konsequenzen und die Impulskontrolle.

Betrachtet man sich diese Umstände, so wird das Verhalten der Teenager zu einem großen Teil erklärbar.

Die Konsequenz

Bedingt durch die Ausreifung des Hippocampus neigen Jungs dazu, riskantes Verhalten zu zeigen. Mädchen sind durch die Ausreifung der Amygdala Gefühlswallungen ausgesetzt. Durch den Umstand, dass im Frontalhirn die zur Impulskontrolle erforderlichen Zentren nicht ausgereift sind, schlagen Hippocampus und Amygdala voll durch. Gleichzeitig sind die Motivationszentren noch nicht ausgereift: Die Jugendlichen sind motivationslos. Auch Entscheidungen können von Jugendlichen nur schwer getroffen werden. Die hierfür erforderlichen Zentren sind ebenfalls im Frontalhirn angelagert.

Der Umbau wird dann schwierig, wenn die Jugendlichen auf eine „dumme“ Idee kommen. Sie sind durch die mangelnde Ausreifung der Hirnregionen nicht in der Lage, eine Konsequenz abzuschätzen. Da keine Konsequenz abgeschätzt werden kann, laufen Pubertierende immer wieder Gefahr, Dinge zu tun, die ernsthafte Probleme nach sich ziehen. Die Einsicht der Jugendlichen kommt zu spät.

Mit 18 ist noch immer eine Baustelle im Gehirn

Während man früher davon ausging, dass zwischen 18 und 21 Jahren die Pubertät beendet ist, weiß man heute mehr. Die bildgebenden Verfahren zeigen, dass einige Vorgänge, die in der Pubertät ihren Anfang nehmen, erst mit ungefähr 40 Jahren abgeschlossen sind. Zu diesem Zeitpunkt ist dann zwar der Umbau der Verknüpfungen schon lange abgeschlossen, aber Prozesse wie die Zunahme der weißen Hirnmasse oder die „Schrumpfung“ der Nervenbahnen der grauen Hirnmasse sind noch in vollem Gange. Hier vermutet die Wissenschaft, dass dies der Grund ist, warum im Alter die Lernfähigkeit nachlässt.

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