Verbot der Schlankheitspille Acomplia

Hintergründe rund um eine „Wunderpille“ zum Abnehmen.

Wegen gefährlicher Nebenwirkungen wurde der Appetitzügler Acomplia vom Markt genommen. Der Wirkstoff Rimonabant führt zu psychischen Erkrankungen.

Abnehmen ohne zu hungern – an dieses Versprechen glauben Übergewichtige gern und schlucken Pillen, die ihnen zur Gewichtsreduzierung verhelfen sollen. Das scheint weniger mühsam zu sein als die Umstellung der eigenen Lebensgewohnheiten, weniger anstrengend als Sport, weniger entbehrungsreich als Diäten und weniger riskant als chirurgische Eingriffe wie Fettabsaugen und Magenreduktion. Eifrig forschen Pharma-Firmen nach der Wunderpille, erproben Wirkstoffe im Tierversuch und bringen Präparate auf den Markt, die das Hungergefühl unterdrücken sollen.

Rimonabant blockiert bestimmte Rezeptoren im Gehirn

Der Wirkstoff Rimonabant wurde im Zuge von Studien über die Wirkung von Marihuana auf das Gehirn entdeckt. Er blockiert die Cannabinoid-Rezeptoren des Subtyps CB1. Diese regen bei Cannabis-Genuss den Appetit an. Werden sie mittels Rimonabant ausgeschaltet, kann das Verlangen zu essen oder zu rauchen zurückgehen. Der Eingriff ins körpereigene Cannabinoid-System versprach also gleich mehrfache Abhilfe bei Zivilisationskrankheiten: Raucherentwöhnung bei gleichzeitiger Gewichtsreduktion, zusätzlich Normalisierung des Fettstoffwechsels und Schutz vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die Geschichte eines Lifestyle-Medikaments

„Eine Antiraucherpille, die schlank macht“, titelte der Stern 2004. Das Medikament unterdrücke das Verlangen auf Leckerbissen und Zigaretten. „Wie Sport und Bewegung in Pillenformat“, schwärmte ein amerikanischer Kardiologe damals. Doch bereits bei den Studien vor der Zulassung gab es eine hohe Abbruchrate von 50 Prozent der Versuchspersonen wegen Übelkeit. Die Versuche an Mäusen und Menschen konnten die amerikanische Gesundheitsbehörde nicht überzeugen. Das Medikament wurde in den USA nicht zugelassen, wohl aber 2006 in 18 europäischen Ländern. Nicht zur Raucherentwöhnung, da sei die Wirksamkeit nicht erwiesen, wohl aber zur Bekämpfung der Adipositas und der Fettleibigkeit bei gleichzeitigem Vorliegen eines weiteren Risikofaktors wie Typ-2-Diabetes oder Fettstoffwechselstörung. Zwei Jahre lang nahmen in Deutschland 80.000 Patienten das Mittel auf ärztliche Verordnung ein. Die Krankenkassen übernahmen die Kosten nicht, da es als „Lifestyle-Medikament“ galt.

Schwerwiegende Nebenwirkungen von Acomplia

Wegen schwerwiegender Nebenwirkungen hat der Konzern Sanofi-Aventis die Schlankheitspille nun vom Markt genommen. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMEA hatte dem Medikament im Oktober 2008 die Marktzulassung bis auf Weiteres entzogen. Begründung: In der Praxis habe sich ein höheres Gesundheitsrisiko und eine geringere Wirksamkeit herausgestellt als in den vorherigen Studien. Dass das Risiko psychische Störungen bestand, war bekannt, doch wurde ihre Schwere unterschätzt. Neben Übelkeit und Krampfanfällen wurden Depressionen, Angstgefühle, Gedächtnisstörungen und Suizidgedanken diagnostiziert. Man registrierte in 2 Jahren 720 Fälle schwerer psychischer Erkrankungen, fünf davon mit tödlichem Ausgang. Daraufhin hat die Hersteller-Firma Acomplia jetzt zurückgezogen.

Tierversuche schützen nicht gegen gefährliche Nebenwirkungen

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Lifestyle-Pille zum Abnehmen zuerst zugelassen und dann zurückgerufen wird. Die Liste der Risikomedikamente unter den Schlankmachern ist lang. Manche riefen tödlichen Lungenhochdruck hervor, andere Herzrhythmusstörungen oder Herzklappenschäden. Allein 2001 erfolgte die Rücknahme von vier Medikamenten gegen Übergewicht. Eine Liste aller wegen gefährlicher Nebenwirkungen vom Markt genommenen Medikamente kann man bei Ärzte gegen Tierversuche e.V. einsehen. Dr. Corinna Gericke, wissenschaftliche Mitarbeiterin dieses Vereins, sieht in solchen Rücknahmen einen weiteren Beweis dafür, dass Tierversuche nichts zur Arzneimittelsicherheit beitragen. Jeder tierische Organismus reagiert anders auf die ihm zugeführten Substanzen; die Prüfung an Tieren sagt nichts darüber aus, wie ein Mensch auf den Wirkstoff reagiert.

„Bei der Arzneimittelentwicklung werden unzählige Tierversuche durchgeführt, angeblich, um die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Wirkstoffs zu prüfen“, erläutert sie. „Doch noch so viele Tests an Mäusen, Ratten, Kaninchen, Affen, Hunden und anderen Tieren können die Patienten nicht vor unerwünschten, oft sogar tödlichen Wirkungen schützen.“

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