Stellensuchende sind verunsichert, Personalchefs grübeln: Moderne Berufsbezeichnungen erscheinen oft monströs und rätselhaft. Eine Orientierungshilfe.
Bereits der flüchtige Besuch einer Internet-Stellenbörse oder auch der Blick in den Annoncenteil einer Zeitung eröffnet scheinbar ungeahnte Karrieremöglichkeiten am deutschen Arbeitsmarkt: Exotische Begriffe machen jedes noch so miserable Stellenangebot zur lukrativen Aufstiegschance. Der Bedarf an IT-Koordinatoren und Analyst-Programmierern beispielsweise scheint enorm zu sein. Was sich dahinter verbirgt, bleibt selbst für so manchen Informatiker nebulös.
Neue, alte Berufe: mehr Schein als Sein
Die schöne, neue Welt der „Job-Börsen“ beinhaltet eine Vielzahl rhetorischer Irrwege und Fallen. Ein beliebte Methode dabei ist die Verknüpfung eines Euphemismus (sprachliche Beschönigung) mit fremdsprachigen, Weltoffenheit suggerierenden, Fachbegriffen. Welcher Prüfer fühlt sich nicht durch die wohlklingende Bezeichnung „Auditor“ geschmeichelt? Doch dieser Ausflug ins Latein ist eher die Ausnahme. Dominiert wird der Stellenmarkt hingegen eindeutig von englischen Vokabeln.
So haben Broker und Dealer längst den braven Handelsfachmann verdrängt, und wo früher ein Verkaufsleiter die Filiale führte, regiert nun der Sales Manager. Doch es geht noch extremer: Wer heute einfache Botendienste verrichtet, darf sich stolz Runner nennen, während der Telefonist zum Call Center Agent aufgestiegen ist. Staubtrockene Archivare und Statistiker wiederum wurden zu Database-Administratoren geadelt.
Arbeitssuchende hingegen haben diesen Trend offenbar noch nicht für sich entdeckt. Eigentlich schade, denn ungeahnte Möglichkeiten tun sich hier auf. Arbeitslose Dreher etwa könnten ihr Bewerberprofil künftig durch den Begriff „Rotationsdesigner“ wesentlich interessanter gestalten …
Die Inflation der Manager
Richtig kurios wird es jedoch, sobald der Begriff „Manager“ Verwendung findet. Viele Menschen verstehen darunter immer noch gut verdienende Schlipsträger mit Sportwagen, Villa und Segelyacht. Doch in den letzten zwei Jahrzehnten kam es zum inflationären Einsatz dieses Wortes. In einigen Industriebetrieben werden Fette, Emulsionen oder andere Schmierstoffe mittlerweile durch den Fluid-Manager verwaltet und ausgetauscht. Früher hingegen erledigte diese unangenehme, schmutzige Arbeit einfach der so genannte Öldienst. Ähnlich sieht es in den „Restaurants“ der Fast-Food-Branche aus. Auch dort schuften an Grill und Tresen allerhand Manager … Der Trend, wenig repräsentative und schlecht bezahlte Arbeit mit dem Zusatz „Manager“ zu veredeln, stammt vermutlich aus den USA. Dort gibt es sogar spezielle Manager für die verschwitzten Trikots einer Sportmannschaft oder für das Befüllen einer Einkaufstüte im Supermarkt!
Vorsicht! Mogelpackung
Doch nicht allein der so genannte Erste Stellenmarkt ist vom Phänomen exotischer Berufsnamen betroffen. Auch die Aus- und Weiterbildungsbranche, inzwischen ein beachtlicher Wirtschaftszweig, befeuert den Trend ganz ungeniert. Hochwertig klingende (und nicht ganz kostengünstige) Zertifikate oder Abschlüsse sollen gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt suggerieren. Die Ernüchterung könnte allerdings bald folgen, denn nicht alle Anbieter erbringen seriöse Leistungen. Für gutes Geld und klingende Titel werden stattdessen Mogelpackungen in Form qualitativ geringwertiger Lehrgänge verkauft.
Sogar eine behördliche Einrichtung hat bereits frühzeitig den Reiz schöner (aber leerer) Worthülsen erkannt. Seit den so genannten Hartz-Reformen der rot-grünen Regierung unter Gerhard Schröder wurden die ehemaligen Arbeitsämter rhetorisch aufgemöbelt. Aus Ämtern entstanden Agenturen oder Jobcenter, und der bisherige Arbeitslose ist nunmehr ein Kunde. Ob ihm dieser neue Status wirklich hilft, darf bezweifelt werden.
Was tun bei der Stellensuche?
Doch die sprachliche Verunsicherung betrifft nicht allein Arbeitnehmer. Auch Personalchefs sind bisweilen überfordert, wenn ihnen Arbeitssuchende mit klangvollen Berufsabschlüssen gegenüber sitzen. Denn über die tatsächliche Leistungsfähigkeit eines Bewerbers sagen phantasievolle Titel herzlich wenig aus. So wurde beispielsweise der international als solide geltende Diplom-Ingenieur von einer regelrechten Welle an Bachelor- und Masterabschlüssen hinweggespült, ohne echte Klarheit über die erreichte Qualifikation.
Stellensuchende sollten sich daher nicht von fulminant klingenden Angeboten abschrecken lassen, aber auch ihrerseits nicht allein auf die Kraft hochtrabender Berufsbezeichnungen vertrauen. Vielmehr muss das im Stellenangebot beschriebene Anforderungsprofil der Maßstab sein, nach dem potenzielle Arbeitgeber ausgesucht werden. In der Bewerbung empfiehlt es sich dann, ergänzend zur erworbenen Qualifikation die eigenen Fähigkeiten zu erwähnen. Der künftige Chef wird dafür dankbar sein.