Was die (Tarot-) Karten nicht verraten

Überteuerter Humbug oder echte Lebenshilfe? Tarotkartenlegen wird immer beliebter. Anbieter erleben einen regelrechten Boom. Was sie verschweigen, ist die Sucht, die daraus entstehen kann und die immensen Kosten.

Kirsten S. (44) (vollständiger Name der Autorin bekannt) ist verzweifelt, ihr Freund hat sie verlassen und über kurz oder lang wird sie ihren Arbeitsplatz verlieren. In Psychologen hat sie schon lange kein Vertrauen mehr. Nach dem Tod ihrer Eltern war sie lange in Therapie, wirklich geholfen hat das monatelange Seelenstripping ihr nicht. „Ruf doch mal bei einer Line an. Da gibt es eine Kartenlegerin, die hat mir wirklich geholfen und alles was die gesagt hat stimmte!“ Kirstens Freundin hat es nur gut gemeint, als sie ihr diesen Rat gegeben hat. Was sie nicht ahnen konnte, sechs Monate später stand Kirsten S. nicht nur vor ihrem finanziellen Ruin, sondern auch kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

Kartenleger-Lines – Alles nur Humbug, oder wirkliche Hilfe?

Kartenleger-Lines bieten in erster Linie so genannte spirituelle Lebenshilfe an. Manche werben damit ein Pendel zu benutzen, andere nehmen verschiedene Tarot-Karten und wieder andere verzichten auf sämtliche Hilfsmittel, da sie nach eigener Aussage einen direkten Draht zu den Engeln haben.

Die Geschichten, mit denen die Hellseher und Kartenleger für sich werben klingen oft sehr ähnlich: Schon seit frühester Kindheit, oder durch ein traumatisches Ereignis erkannten sie ihre Hellsichtigkeit, die sie nun für die Menschen einsetzen möchten, um ihnen zu helfen. Natürlich gegen Bares und oft nicht wenig. Die Preise für eine Beratung können zwischen 0,79 Euro bis zu 2,99 Euro in der Minute varieren. Viele Interessierte überlesen den letzten Satz in der Werbung für die Dienste. Dort heißt es in der Regel: „Eine Beratung ersetzt keine ärztliche oder psychologische Behandlung!“ Das Kartenlegen und Hellsehen kein anerkannter Beruf ist, verschweigen die Berater.

In einem Teufelskreis gefangen

Auch Kirsten S. hat diesen Passus übersehen und in ihrer Verzweiflung einen Berater nach den anderen angerufen. Innerhalb kürzester Zeit konnte sie ohne diese Beratungen nicht mehr leben. Versprachen die selbsternannten Hellseher ihr doch, dass ihr Freund, der längst eine neue Lebensgefährtin hatte, reumütig zu ihr zurückkehren würde, sie ihre Arbeit behalten nicht verliert und sie ein Leben voller Sonnenschein erwartet. Der verzweifelten Frau war nicht bewusst, dass sie in einen Teufelskreis gefangen war.

Erst, als sie kein Geld mehr hatte und eine Line nach der anderen sie sperrte, weil sie die Rechnungen nicht mehr bezahlen konnte, ging Kirsten ein Licht auf. Allerdings suchte sie die Hilfe wieder nicht bei einem Therapeuten, sondern wandte sich an örtliche Kartenleger und Hellseher, die ihr Rabatte und Kredite gewährten. Nach einem halben Jahr hat Kirsten S. Schulden in Höhe von 20 000 Euro. Ihr Freund ist nicht zur ihr zurückgekehrt und ihr Arbeitgeber hat ihr gekündigt. Ihren Glauben an die Kartenleger hat sie nicht verloren, immer noch möchte sie daran glauben, dass ihr Leben auf der Sonnenseite stattfindet und die Kartenleger recht behalten. Einziger Lichtblick, ihr Bruder begleicht die Schulden, wenn Kirsten S. sich in professionelle, therapeutische Hände begibt.

Was bringt Tarotkartenlegen?

Wenn man nicht wie Kirsten S. in eine psychologische Abhängigkeit gerät und sich vorher mit dem Thema Tarotkartenlegen auseinandersetzt, können die Karten und Ratschläge der Hellseher und Kartenleger aus Sicht ihrer Befürworter eine Hilfe sein, obgleich ihre Wirung wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist. Sogar Anhänger der Methode betonen jedoch, dass Karten, egal von welchem Legesystem nicht die Zukunft voraussagen, sondern nur Tendenzen aufzeigen. Es werden momentane Schwingungen aufgenommen, die ein Kartenleser, wenn er sein Handwerk versteht, herauslesen kann und wiedergibt. Allerdings beeinflusst jede Entscheidung, die der Mensch trifft diese Legung.

Bewerbe ich mich nicht, dann kann die Arbeit, die die Karten eventuell positiv gesehen haben nicht in Erfüllung gehen. Lerne ich jemanden kennen und verliebe mich erneut, interessiert der Ex-Freund, von dem jemand anfänglich gehofft hat, er würde wieder zurückkommen, nicht mehr. Es gibt viele ähnliche Beispiele. Natürlich können Karten gelegt werden, wenn jemand verunsichert ist, nur darf das Leben nicht von Kartenlegungen und Hellsehen bestimmt werden, dann wird es krankhaft und kostet jede Menge Geld.

Verlierer und Gewinner

Kirsten S. ist nur ein Beispiel von vielen. Die Kartenleger-Lines selber haben große Probleme ihr Geld zu bekommen. „Oft bekomme ich nur einen geringen Teil der Gelder.“ die Mitarbeiterin einer bekannten Line möchte unerkannt bleiben. „Die wenigsten Kunden wissen, dass wir auf selbständiger Basis arbeiten. Von den zwei bis drei Euro, erhalten die Mitarbeiter nur einen geringen Anteil. Auf einer Line verlange ich 1,79 Euro, davon sehe ich gerade mal 23 Cent in der Minute. Wenn das Geld zurückgebucht wird, bekomme ich gar nichts, auch wenn der Betreiber selber ein Inkassounternehmen einschaltet.“ Am Ende sind auch die Mitarbeiter die Verlierer, die für ihre Arbeit kaum oder gar nicht entlohnt werden.

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