Wenn nur noch der Erfolg zählt

In einer postindustriellen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft wird der Mensch zum wettbewerbsentscheidenden Faktor.

Die Regisseurin Carmen Losmann beschäftigt sich in ihrer Dokumentation „Work Hard – Play Hard“ mit der Ressource Humankapital.

„Das Gebäude soll vermitteln, das Arbeit kein Zwang ist“, „Wir schaffen ein Business Umfeld“, oder „Je stärker ich mein Team mache, desto stärker ist meine eigene Kraft.“ Auf den ersten Blick klingt dies alles wunderbar: Erwerbstätigkeit in lockerer Atmosphäre, in angenehmer Umgebung und in der Gemeinschaft. Dennoch birgt auch die neue schöne Arbeitswelt unschöne Aspekte.

Erst kürzlich kam die Regisseurin Carmen Losmann zum Filmgespräch ins Kino des Bahnhof Langendreers in Bochum. Gemeinsam mit Eva Bockenheimer vom Kölner Philosophie-Verein Club Dialektik und Klaus Holz von verdi spricht sie über moderne Unternehmenskulturen. Für ihre preisgekrönte Dokumentation „Work Hard – Play Hard“ besucht Carmen Losmann vier Jahre lang Unternehmen und Beraterfirmen der hochqualifizierten Dienstleistungsbranche. Ein Jahr dauerten die Vorbereitungen, zwei Jahre die Dreharbeiten in zwölf Konzernen. Sie lichten Mitarbeiter bei In- und Outdoor-Trainigs, bei Besprechungen und Präsentationen und bei Assessment Gesprächen ab. „Es gibt durchaus Unternehmen, die den kritischen Kontext erkennen“, sagt sie.

Unternehmerisch denken

Ursprünglich sollte „Work Hard – Play Hard“ ihre Abschlussarbeit werden. Es entwickelt sich eine Zusammenarbeit mit ZDF und Arte, der Film schafft es bis in die Kinos. Der ruhige Dokumentarfilm kommt ohne Kommentar aus. Mechanismen und Funktionsweisen des sogenannten indirekten Managements interessieren Carmen Losmann besonders. Sie stellt die Frage nach der manipulativen Kraft, die die Unternehmen auf ihre Mitarbeiter ausüben. „Im Prinzip soll jeder die Unternehmenskultur so verändern, dass jeder einzelne Arbeitnehmer unternehmerisch denkt und handelt“, sagt Carmen Losmann.

Dem Arbeitgeber geht es um das verwertbare Potenzial seiner Mitarbeiter. Wie schaffen sie es, strategisch zu denken? Den Unternehmensprofit maximal zu optimieren? „Meine Vision ist es, den kulturellen Wandel nachhaltig in die DNA jedes einzelnen Mitarbeiters zu verpflanzen“, sagt eine Unternehmensberaterin. Um dieses Ziel zu verwirklichen, gibt es vielfältige Methoden, die Carmen Losmann in ihrer Dokumentation vorführt.

Fast schon grotesk mutet es an, Menschen bei einer „Potenzialanalyse“ zu beobachten. Mit Augenbinden klettern sie in ein unterirdisches Labyrinth, klettern wie Labortiere durch die Gänge, während ein Trainer ihr Verhalten via Monitor beurteilt. Ein anderes Mal sieht man Mitarbeiter eines großen, deutschlandweit agierenden Unternehmens, wie sie ihre tägliche Erfolgssteigerung erklären. „Die Methoden sind längst Normalität geworden“, erklärt Klaus Holz von verdi Bochum.

Freiwillig selbst ausbeuten

„Die Individualität des Arbeitnehmers wird ausgebeutet“, gibt auch Eva Bockenheimer zu bedenken. Vorhandene Potenziale werden genutzt, Schwächen gelten als Entwicklungsfelder. Hinzu gesellt sich die freiwillige Selbstausbeutung, denn der Arbeitnehmer hat die Unternehmensziele längst verinnerlicht. Obwohl die Stempeluhr weg und die Anwesenheitspflicht gelockert ist, arbeiten die Menschen heute viel länger. „Betriebs- und Personalräte werden sogar als blockierend empfunden, weil sie an die maximal erlaubte Arbeitszeit erinnern“, so Klaus Holz weiter. Dabei habe er nichts gegen Erfolg im Unternehmen, betont der Gewerkschafter. „Das Problem ist nur, dass nur noch der Erfolg zählt.“

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