Machtkämpfe in Beziehungen

Ein Mantel des Schweigens verdeckt oft aggressive Methoden in Beziehungskonflikten – verbale Attacken, Intrigen, Schuldzuweisungen und handfeste Übergriffe.

Zwischenmenschliche Beziehungen haben häufig ein Machtgefälle. In überlegener Position gelingt es deutlich besser, seine Interessen durchzusetzen. Billigen Beteiligte das Machtgefüge, entstehen selten Konflikte. Jedoch werden Ungleichheiten selten reibungslos akzeptiert.

Konflikte in Beziehungen

Nach demokratischem Grundverständnis sind Menschen gleichberechtigt. Das Prinzip der Vernunft gilt als Ideal für Konfliktlösungen. Sachliche Gespräche sollen wirksam Streit vermeiden. Doch in der Realität stehen in viele Beziehungen Unstimmigkeiten in allen Schattierungen auf der Tagesordnung. Existiert ein Machtgefälle im Beziehungsverhältnis, sieht der dominantere Partner keinen Grund, um sachlich über Sinn und Zweck seiner Forderungen zu diskutieren. Dem steht entgegen, das schwächere Partner nicht immer bereit sind, Anweisungen einfach schlicht zu befolgen. Das Untertanenmodell gilt nicht mehr als erstrebenswert. Manchmal ist auch grundsätzlich die Bereitschaft zum harmonischen Miteinander oder zum gemeinsamen Finden von Kompromissen nicht vorhanden. Erwachsene behalten sich vor, ihre eigene Meinung zu haben. Und fühlen sich in unterlegener Position benachteiligt. Sind gegebenenfalls zu wenig selbstbewusst, um sich mit sachlichen Argumenten Konflikten zu stellen und somit ein Kräftegleichgewicht und eine Art “Waffenstillstand“ herbeizuführen. Über kurz oder lang streben sie danach, die Machtposition des Stärkeren mit gleichfalls aggressiven Methoden zu untergraben. So wird der Möglichkeit einer sachlichen Ebene, auf der Konflikte ausgetragen werden, die Grundlage entzogen.

Machtkämpfe führen zum Wortgefecht

Nützen dem Überlegenen einer Beziehung einfaches Bitten oder Fordern nicht mehr, greift er zu stärkeren Methoden. So beginnt nicht selten ein Machtkampf, um den Partner dominant zu bestimmten Handlungen zu nötigen. Es geht nur vordergründig um die Durchsetzung bestimmter Wünsche oder Anweisungen. Der eigentliche Sinn und Zweck ist die Aufrechterhaltung und Festigung der Machtposition des Überlegenen. Die Demonstration von machterhaltenden Methoden erfolgt schubweise. Die Intensität kann sich schrittweise steigern, bis das Opfer einlenkt und nachgibt. Die verbale Attacke gilt als das gebräuchlichste Mittel. Aggressives Gebrüll oder unsachliche Herabsetzungen wirken nicht nur einschüchternd. Es frustriert nachhaltig und lähmt. Die Aggressivität von Wortangriffen steht oft in keinem Verhältnis zum eigentlichen Anlass. Das sorgt für Verwirrung. Der aggressivere Beziehungspartner gewinnt mit unfairen Methoden und stärkt seine Überlegenheit.

Stellungskriege in Beziehungen

Behaupten sich Dominante durch aggressive Wortgefechte, bedeutet das nicht automatisch das Ende einer Beziehung. Viele Partner werden mit verbalen Attacken bedrängt. Sie geben jedoch immer wieder nach. Das ist nicht unbedingt spezifisches Rollenverhalten. Natürlich gibt es die “schwache” Frau, die immer wieder verzeiht. Und den “starken” Mann, der in Beziehungen aggressives Verhalten als Bestätigung seiner falsch verstandenen Männlichkeit anwendet. Zwischenmenschliche Beziehungen sind jedoch vielfältig und von unterschiedlicher Intensität. Das Geschlecht entscheidet nicht, ob man Opfer oder Verursacher solcher Beziehungsgefechte wird. Schwächere Partner wollen sich die Tatsache solcher Machtkämpfe häufig nicht eingestehen. Das Eingeständnis und die damit verbundene Konsequenz einer Trennung würden sie als persönliches Scheitern begreifen, das um jeden Preis vermieden werden soll. Probleme werden verschwiegen. Verdrängung und Selbstbetrug funktionieren je nach Belastungsintensität. Beziehungen mit Machtgefälle befinden sich in einem Prozess des zähen Ringens um die Vorherrschaft. Diese Situation kann wie ein Stellungskrieg wirken und lange Zeiträume beherrschen.

Versteckte Machtkämpfe in Beziehungen

Dominanz gegen Beziehungspartner ist ein Machtkampf, der vielfältige Erscheinungsformen besitzt. Oft werden aggressive Methoden auch geschickt hinter Masken von mildtätigem Wohlwollen, Helfen, Pflegen oder Verstehen versteckt. Kreativ oder auch sadistisch veranlagte Aggressoren bringen erstaunlich ausgeklügelte Strategien zum Einsatz. Taktiken werden verfolgt, die das Opfer in einen Zustand andauernder Anspannung versetzt. Ist ein Täter begabt als Intrigant, können Aggressionen verschleiert wirken, so dass ein Opfer sie gar nicht als solche erkennt. Eine aggressive Intrige verbindet scheinbar fehlende Ursachen mit maximaler Irritation. Opfer werden geschickt demoralisiert. Schuldzuweisungen verstärken als bewährte Aggressionsform nachhaltig Verunsicherungen. Mit dem Hervorrufen von Schuldgefühlen wird das Opfer wirksam zu Handlungen genötigt, die seinen Bedürfnissen und Interessen entgegenstehen.

Die Konsequenz von Machtkämpfen

Je stärker die emotionale Bindung des Opfers an den Täter ist, um so verletzlicher und empfindlicher wird es reagieren. Das Risiko, seelisch und körperlich dabei zu erkranken, ist extrem hoch. Je länger ein Machtkampf andauert und somit zumeist auch an Intensität zunimmt, um so zermürbender wird er für Betroffene. Abwehrmaßnahmen von der passiven Verweigerung über Sprachlosigkeit bis zum Liebesentzug sind irgendwann erschöpft. Manche Beziehungsgefechte enden abrupt, indem ein Beteiligter stressbedingt lebensgefährlich erkrankt, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleidet. Ist der ursprünglich Dominantere betroffen, kann sich das Machtverhältnis auch drehen und das Opfer wird zum Täter. Die dann durch Rachegefühle motivierte Vielfalt aggressiver Verhaltensweisen führt den Machtkampf erneut in eine Endlosschleife von Demütigungen und Erniedrigungen. Gesundheitliche Gefahren einer permanent angespannten Beziehungssituation dürfen nicht unterschätzt werden. Menschen, die von fortlaufenden Machtkämpfen zerrüttet sind, können nicht mehr die notwendige Energie aufbringen, um die von außen einwirkenden Belastungen auf sie und ihre Beziehung ausreichend abzufedern. Auch können existenzbedrohende Sachverhalte (Arbeitslosigkeit, Schulden, Schicksalsschläge) Machtkämpfe eskalieren lassen. Aus verbalen Angriffen werden handfeste Schläge. Dann herrscht nur noch der Stärkere mit roher körperlicher Gewalt. Für den schwächeren Partner der Beziehung entsteht ein hochgradiges Risiko für Leben und Gesundheit.

Befinden sich Menschen in einer derartigen Gefahr, sollten sie konsequent aufhören ihre Beziehungssituation zu leugnen. Und schnellstmöglich die Trennung vollziehen. Ist Aggression in einer Beziehung derartig explodiert, kann keine sachliche Gegenwehr mehr helfen. Jeder noch so konstruktiv wirkende Lösungsansatz wird sinnlos und ein Beziehungsabbruch bleibt unvermeidlich.

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