Alphabetisierung in Wuppertal-Langerfeld

Ein Katechismus für jugendliche Analphabeten. Pfarrer Johannes Schimanowski berichtet über seine Alphabetisierungsarbeit in seiner Gemeinde in Wuppertal-Langerfeld.

Die Zeitung lesen oder einen Brief schreiben – das ist für die meisten eine ganz normale Sache. Aber eben nicht für alle: Tatsache ist, dass ungefähr anderthalb Millionen Menschen in Deutschland weder lesen noch schreiben können – sie sind Analphabeten.

Trotz schlechter Startbedingungen nicht chancenlos

Der Wuppertaler Pfarrer Johannes Schimanowski hat oft mit Menschen in schwierigen Lebenslagen zu tun: In seinem Konfirmanden-Unterricht zum Beispiel sitzen immer wieder Jugendliche, die nicht richtig lesen und schreiben können.

Der Stadtteil Wuppertal-Langerfeld ist ein sozialer Brennpunkt. Inzwischen leben hier rund die Hälfte der Menschen von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe. Die Wohnverhältnisse sind schlecht, Alkohol und Verwahrlosung gehören schon fast zum Alltag. Dass viele hier auch nicht lesen oder schreiben können, fiel dem Pfarrer zuerst im Konfirmandenunterricht auf. Viele Jugendliche drückten sich dort vor dem Vorlesen und versuchen so von ihrer Schwäche abzulenken.

Warum von Schwächen ablenken?

Pfarrer Schimanowski meint dazu: „Das eine ist, dass sie Stifte fallen lassen, dass sie auf Toilette müssen, dass sie auch manchmal gar nicht kommen und sich nicht Situationen aussetzen, wo sie vor anderen lesen sollen. Das heißt, sie sind fast perfekt bei ihren Vermeidungsstrategien und darin sie sind sehr intelligent. Wenn alle beginnen, mit mir etwas zu singen, dann können sie nach dem zweiten Durchsingen das Lied fast auswendig.“

Johannes Schimanowski hat aber auch noch eine andere Fähigkeit entdeckt: Seine lese- und schreibschwachen Schützlinge lernen am besten über Bilder. Also hat sich der Pfarrer hingesetzt und einen Katechismus für Analphabeten entworfen. Auf 24 Blättern gibt es zu jedem Buchstaben des Alphabets biblische Geschichten, in denen sich die Jugendlichen wiedererkennen und so auch Vertrauen finden können, glaubt Johannes Schimanowski, der Autor des Lernmaterials:

Kursbausteine zur kirchlichen Alphabetisierung.

Vertrauen finden und Mut fassen

„Der Schlüssel ist, dass man das Vertrauen dieser Jugendlichen und auch Erwachsenen gewinnt und dass man nochmal angemessen, ohne Leistungsdruck ganz im Kleinen anfängt, und dann stellen sich überraschende Erfolge ein, wenn der Leistungsdruck nicht mehr da ist. Ganz gravierend war der Fall, wo wir Kontakt hatten zu den obdachlosen Kindern, die unten an der Wupper gewohnt haben und auch nicht mehr gewillt waren nach Hause zu gehen und trotzdem im Konfirmandenunterricht geblieben sind, obwohl sie monatelang nicht zur Schule gegangen waren. Durch den Unterricht beim Schimi – das ist mein Spitzname, da gehe ich auch regelmäßig zur Schule, ich meine zur Kirche.“

Aber nicht nur Analphabeten, auch die Kirche selbst könnte von Schimanowsis Arbeit profitieren, meint der „Buchstaben-Pfarrer“: „Wenn die Analphabeten in der Kirche einen Platz finden, da geschieht das Erstaunliche, dass Kirche sich verändert, sie betet anders, sie glaubt anders, sie kämpft für andere Dinge, und ich behaupte, das tut uns sehr gut.“

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