Autonomie – In der Pubertät von Zuhause loslassen

Jugendliche entfernen sich von ihren Eltern, deren Einstellungen und Sichtweisen. Das ist notwendig, um die eigene Identitätsfindung zu ermöglichen.

Autonomie bedeutet Selbstverantwortlichkeit, bedeutet, sich selbst Gesetze zu geben. Erziehung sollte das Ziel verfolgen, den Heranwachsenden von seinen Erziehenden loszulösen, damit ein Leben in Unabhängigkeit und Freiheit möglich ist. Dieses Ziel kann auch verfehlt werden, wenn Eltern beispielsweise ihr Kind zu sehr verwöhnen, ihm ständig Entscheidungen abnehmen oder sich häufig Sorgen machen. Kinder, die nicht aufräumen oder statt zu lernen lieber Fußball spielen, Kinder, die ihre nassen Sportklamotten ständig auf die Wäsche der Mutter werfen oder sich um nichts kümmern – sie alle lassen Erziehende oft verzweifeln. Hier wird der Unterschied zwischen der Absicht der Eltern – wie Jugendliche „es“ machen sollen – und der Fähigkeit der Heranwachsenden, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, deutlich.

Wenn Jugendliche die Forderungen der Eltern nicht mehr erfüllen und Leistungen verweigern geht es oft um das Aushandeln von Autonomie. Jugendliche, die bisher über die Pubertät hinaus versorgt bzw. verwöhnt werden, bekommen sicher weniger Lust auf Autonomie. Der junge Mensch merkt bald, dass die Abhängigkeit durchaus bequemer ist als Selbständigkeit. Warum Eltern so handeln liegt sicher in verschiedenen Ursachen begründet – manche Eltern werten die Autonomie des Heranwachsenden als Verlust, andere werten sie sogar als Gefährdung. Auch in Familien mit Beziehungsproblemen, zum Beispiel nach Scheidung, kann die Entwicklung von Autonomie gestört sein.

Das Zeitalter der Technik

Wie aber können eingespielte Muster verlassen werden, wie können Eltern lernen, das Loslassen, das auf dem Entwicklungsweg ihres Kindes eine so entscheidende Rolle spielt, auszuhalten? Viele Menschen denken an ihre Jugend zurück und meinen, in ihrer Entwicklung war alles anders – da wurde noch darauf gehört, was die Eltern, Großeltern oder Lehrer sagten. Und noch einmal anders und wesentlich strenger war alles noch früher, in der Generation der Großeltern. Aber die Zeit bleibt nicht stehen, eine neue Generation ist entstanden, in der Technik eine wesentliche Rolle spielt und die Medien einen großen Einfluss nicht nur auf die heranwachsenden Kinder ausüben.

Durch die neuen Medien haben nahe Bindungen an Bedeutung verloren. Jugendliche sitzen stundenlang in ihrem Zimmer und scheinen nichts zu tun. Aber sie stimulieren sich ständig per Medienkonsum. Sie sind oft sozial sehr zurückgezogen und nur noch schwer erreichbar. Hier verlieren die Eltern meist die Möglichkeit zu verstehen, was ihr Kind die ganze Zeit tut. Häufig liegt das ganz einfach daran, dass sie der schnellen technischen Entwicklung gar nicht mehr folgen können. Arbeit und Stress lassen wenig Raum, sich auch einmal mit den Dingen zu beschäftigen, die für die Kinder scheinbar so unverzichtbar sind.

Die Basis einer guten Beziehung

Aber nicht einfach alles, was mit dem Internet, Fernsehen oder iPod zu tun hat ist gleichzeitig schlecht. Die Schnelligkeit, mit der Jugendliche sich zum Beispiel über etwas informieren können, ist für die Generation der Eltern, die noch gern im Lexikon oder anderen Büchern nachschlagen, enorm. Wie viele Firmen erwarten heute eine Bewerbung per E-Mail, welcher Student findet seinen Vorlesungs- und Seminarplan nicht im Internet? Ein Leben ohne Computer ist heute kaum noch denkbar. Man sollte seinem Kind trotz der Ängste, die unweigerlich entstehen müssen auch Vertrauen entgegenbringen. Man kann sich auch Dinge erklären lassen und einen kleinen Computerkurs bei dem Sohn oder der Tochter einfordern. Das trägt sicher zu einem guten Verhältnis bei.

Ein Kind, das seinen Eltern etwas beibringen kann fühlt sich wertgeschätzt und die Chance, dass es auch von sich aus auf die Eltern zugeht steigt. Wenn ein gesundes Verhältnis zwischen Eltern und Kind besteht, Ehrlichkeit und Vertrauen Grundlage des Miteinanders sind müssen keine Ängste bestehen, wenn man nicht alle Dinge, die ein heranwachsender Jugendlicher tut auch versteht oder nachvollziehen kann. Eltern sollten sich immer wieder die Frage stellen, was sie mit ihren erwachsenen Jugendlichen noch gemeinsam haben, wie sieht der Kontakt über die Auseinandersetzung hinaus aus?

Gibt es noch ein Strahlen in den Augen der Eltern, wenn sie von ihren Kindern sprechen auch wenn sie „es“ nicht so machen wie sie es sich vorstellen?

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