Bulkamid-Injektionen gegen Harninkontinenz

Eine neue Therapieoption für Frauen bei ungewolltem Harnverlust.

Käthe Schibath (61) litt jahrelang an Harninkontinenz. Nachdem alle üblichen Therapien versagten, wurde sie als eine der ersten Patientinnen mit Bulkamid behandelt.

Rund acht Millionen Frauen in Deutschland und 600 Millionen Menschen weltweit leiden an ungewolltem Urinverlust. Bei dieser so genannten Harninkontinenz reicht der Verschlussdruck des Beckenbodens nicht aus, um die Harnröhre voll zu verschließen. So verliert die Patientin ungewollt Urin.

Bericht einer Betroffenen

Käthe Schibath (61) war eine von ihnen. Seit der Geburt ihrer ersten Tochter hatte die Berlinerin unter Inkontinenz gelitten. „Am Anfang war es nicht so schlimm. Ich habe mir kaum Gedanken gemacht und fühlte mich auch nicht besonders beeinträchtigt“, erinnert sie sich. Doch dann bekam Käthe ihre zweite Tochter und das Problem verschlimmerte sich. Als sie dann mit 50 in die Wechseljahre kam, führte jede Belastung zu ungewolltem Urinverlust. „Ich konnte eigentlich keinen Sport mehr treiben. Nachts schaffte ich es nicht mehr auf die Toilette und sogar beim Niesen, Husten oder Lachen verlor ich Urin.“

Beckenboden-Training und Medikamente

Käthe Schibath tat, was die meisten Frauen in dieser Situation tun: Sie trug Vorlagen und zog sich immer mehr zurück. Harninkontenenz ist schließlich immer noch ein Tabu-Thema. Erst im Jahr 2000 sprach Käthe ihre Gynäkologin auf das Thema an. Sie empfahl ihr Beckenbodentraining und Medikamente – aber beides half Käthe nicht.

TVT-Scheidenbändchen

Erst sechs Jahre später startete Käthe einen zweiten Anlauf. „Ich dachte, damit muss ich ja nicht leben und bin zu einem anderen Arzt gegangen!“ erzählt sie. Es war Professor Dr. Ralf Tunn von der Berliner Charité. Er erkannte die Situation und riet ihr zu einem TVT-Scheidenbändchen – ein minimal-invasiver Eingriff, bei dem ein spannungsfrei implantiertes Bändchen die mangelnde Stützfunktion der Bänder und des Gewebes um die Harnröhre herum übernimmt. So kann die Harnröhre wieder gestützt werden, woraufhin der Verschlussmechanismus funktioniert. „Es war ein kurzer Eingriff, den ich ohne größere Beschwerden überstanden habe. Leider habe ich aber schon auf dem Weg nach Hause gemerkt, dass auch das Band nicht die erhoffte Wirkung hatte“, bedauert Käthe.

Bulkamid-Injektionen

Erst seit diesem Jahr (2008) steht den Medizinern eine neue Therapieoption offen: Eine Injektionstherapie mit einem Hydrogel, wie man es aus der Kosmetik kennt. Bei der neuen Therapie wird die Harnröhre mit dem Hydrogel Bulkamid gleichmäßig unterspritzt. Das verengt die Harnröhre, so dass der Verschlussmechanismus wieder funktioniert. Dieses Verfahren ist schnell, komplikationsarm und wirkungsvoll. Allerdings gibt es derzeit deutschlandweit erst 100 Ärzte, die diesen Eingriff durchführen können.

Prof. Tunn rief seine Patientin an und klärte sie über diese neue Möglichkeit auf. „Ich hatte nichts zu verlieren, also stimmte ich zu! Mir ist dann Anfang des Jahres unter einer kurzen Vollnarkose dieses Gel injiziert worden!“ Drei Tage war Käthe dafür in der Charité zur Beobachtung.

„Das Verfahren hat sofort angeschlagen!“ freut sich die frischgebackene Großmutter. Sie kann jetzt wieder alles tun, was vorher schwierig war: Shoppen oder ins Theater gehen oder Sport treiben. Ihr Leiden ist sie nach vielen, vielen Jahren endlich losgeworden. Anderen Frauen rät sie deshalb: „Haben Sie keine Scham. Gehen Sie zum Arzt und sprechen Sie die Inkontinenz an. Bei mir hat die Unterspritzung jedenfalls die Erwartungen erfüllt.“

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