Die Preetzer Schusteracht – Wandern in der Holsteinischen Schweiz

Die Schusteracht gehört mit rund 63 Kilometern Gesamtlänge zu den beliebtesten Wanderstrecken der Holsteinischen Schweiz. Kann man sie jedoch an einem Tag durchlaufen?

„Was ist eigentlich die Preetzer Schusteracht?“ Diese Frage wird auf der entsprechenden Internetseite aufgeworfen und auch sogleich beantwortet: In erster Linie handele es sich um einen Rad- und Wanderweg, der sich in Form einer Acht in der Holsteinischen Schweiz um seinen Preetzer Mittelpunkt windet, weiterhin jedoch ebenfalls um eine Art Naturerlebnispfad, vorbei an kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten der Region. Je nach Herangehensweise hält diese Strecke jedoch noch mehr als die Möglichkeit eines netten Ausfluges zu den unentdeckten Perlen des Umlandes bereit, nämlich eine Reise an die eigenen physischen und mentalen Grenzen. Die Berichte- und Terminrubriken der besagten Internetpräsenz weisen auf Radtouren und Wanderungen an bestimmten Bereichen der Strecke, deren Gesamtlänge mit etwa 63 Kilometern angegeben wird, bzw. auf mehrtägige Bezwingungsunternehmungen hin. Wer jedoch eine wirkliche Herausforderung sucht, der lässt das Fahrrad zu Hause und kümmert sich nicht um Teilabschnitte, er stürzt sich auf das Ganze – an einem Tag.

Erste Schritte im Dunkeln am Postsee

Die Sonne erklimmt noch den Horizont, als die Unternehmung zu ungewohnt früher Tageszeit beginnt. Mit der Nordschleife soll begonnen werden, dem Uhrzeigersinn gemäß. Somit führt der Anfang dieser Etappe an den stillen Ufern des morgendlichen Postsees vorbei, während die langsam herannahende Dämmerung das Gewässer in weiches Licht taucht. Eine weitere atmosphärische Besonderheit bietet zu dieser Tagesstunde die Projensdorfer Stauung, indem das erste einfallende Licht eine mythisch-zauberhafte Szenerie in der von dichten Nebelschwaden durchzogenen Sumpfebene offenbart. Der dunkle Eingang zum Klosterforst markiert schließlich den Beginn eines längeren Waldstückes.

Die Nordschleife der Preetzer Schusteracht

Der Raisdorfer Wildpark lädt am nördlichen Rand der Route zu einer Pause ein, in der ein erster ausführlicher und kritischer Blick auf die Karte geworfen wird, die Folge: Optimismus, Zuversicht. Der Kurs geht nun weiter in südlicher Richtung, entlang des zunächst urwüchsig verschlungenen, dann sich öffnenden Schwentinetals. Mit der Hilfe seiner Förderer hat der Verein „Schusteracht e. V.“ an den Wegesrändern in unregelmäßigen Abständen Informationstafeln, die thematisch auf den jeweiligen Aufstellungsort abzielen, zu vornehmlich kulturellen, historischen und ökologischen Themenfeldern aufgestellt. Die durchaus lesenswerten Informationseinheiten erregen bei den Wanderprobanden noch immer Interesse, wobei sich zugegebenermaßen allmählich die ersten Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen, ebenfalls ist ein spürbarer Knick in der Stimmungs- und Motivationskurve zu verzeichnen. Kurz vor den Toren der Schusterstadt Preetz wird der Entschluss zu einer längeren Kaffeepause zum Antrieb für die letzten Meter des nördlichen Teils. Dass dies erst die Aufwärmrunde gewesen sein soll, ist zu diesem Zeitpunkt nicht klar, da die Karte „etwa Hälfte geschafft“ suggeriert.

Der zweite Teil der Preetzer Schusteracht

Über Dammdorf soll der zweite Teil in Angriff genommen werden, wobei die angenehme frühmorgendliche Kühle längst gewichen ist, ein gnadenloser Feuerball zehrt nun unablässig an den Kräften. Die gesamte Nordostflanke der südlichen Strecke von Rethwisch bis zum unteren Zipfel des Waldstückes zwischen Trent und Rixdorf ist die erste wirklich fordernde Etappe, deren Ende sich jeder Erreichbarkeit zu entziehen scheint. Durch eine recht einsame Gegend führen die kleinen Schusteracht-Hinweispfeile nun über flimmernde Feldwege, durch schattige Waldstücke und über von Bäumen gesäumte Pfade, auf denen ab und zu eine willkommene Brise für Kühlung sorgt. Das Vorankommen vollzieht sich nun deutlich langsamer, und auch die Pausenzahl übersteigt bei weitem das geplante Maß, da neben Erschöpfung auch der Schmerz jetzt permanenter Begleiter ist. Der Focus für den Blick in die anfänglich so bewunderte Natur beginnt mehr und mehr sich zu verengen, auch erwecken besagte Informationstafeln kein Interesse mehr, Hinweispfeile mit fröhlich pfeifenden Wandermännchen erregen beinahe Unmut, man befindet sich im Kampf mit sich selbst, und über die letzten Kilometer wird – wie sich bald zeigen wird – nicht die Ausdauer, sondern allein der Wille entscheiden.

Eine 63 Kilometer lange Strecke durch die Holsteinische Schweiz

Unweit der Kapelle Sophienhof, eines 1873 im byzantinischen Rundbogenstil errichteten Sakralbaus, weist die Wanderkarte ein Café aus, das nach rund neun Stunden als dringend benötigte gastronomische Raststation herhalten soll, da die eigenen Vorräte entweder aufgebracht, matschig oder zu warm sind. Ein den Umständen entsprechendes Bild inklusive Geruchkulisse abgebend, stehen die zwei Wandersleute vor der Pforte des Antik-Cafés, entsetzt realisierend, dass diese geschlossen ist, während ein Hinweisschild die noch zu bewältigende Strecke mit 15 Kilometern benennt.

Nachdem gegenseitige Motivierungsversuche allenfalls bescheidene Wirkung gezeigt haben, wird die „Alte Schule“ unweit des Wahlstorfer Hofes als Alternativlösung auserkoren. Am rettenden Gasthof angelangt, sollen alkoholfreies Weizenbier und Eis am Stiel helfen, noch einmal die letzten Kräfte zu mobilisieren. Den Blicken der übrigen Gäste nach zu urteilen, bieten die ersten Bewegungen nach dieser längeren Pause einen äußerst befremdlichen Anblick. Die letzten Kilometer gleichen in der Empfindung dieses Stadiums beinahe der gesamten Nordschleife, dennoch scheinen auch jetzt noch versteckte Reserven vorhanden zu sein, die sich in plötzlichen, jedoch kurzweiligen Energieschüben offenbaren. Während die Strecke zwar äußerst langsam, jedoch konstant dahinschmilzt, siegt schließlich doch die totale Erschöpfung. Beim Erspähen des PKWs, der vor etwa zwölf Stunden zurückgelassen wurde, werden die Wanderer nur noch von den letzten dopaminbedingten Zuckungen die Straße hinuntergetrieben, bis sie mit schmerzverzerrten Gesichtern einsteigen und sogleich abfahren. Die Schusteracht ist bezwungen.

Selbsterfahrung beim „Vorhaben Schusteracht“

Neben den außergewöhnlichen Natureindrücken sind es besonders die Selbsterfahrungen am Rande der eigenen Belastbarkeit, die das „Vorhaben Schusteracht“ zu einer interessanten Erfahrung machen.

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