Die psychotherapeutische Tagesklinik als Alternative zur Klinik

Immer mehr Menschen haben mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen. Eine Alternative zum Aufenthalt in einer Klinik bietet die Therapieform Tagesklinik.

Das Thema ist kein neues, sondern vielmehr ein (ungewolltes) Kind unserer Zeit. Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin hat in seinem Gesundheitsbericht für Deutschland bereits 2006 eine alarmierende Tendenz festgestellt: „Trotz sinkender Krankenstände nehmen die psychisch bedingten Fehlzeiten zu.“ Interessanterweise ist dabei der Anstieg bei Männern höher, so dass sich ein ursprünglich vorhandener Geschlechterunterschied weiter verringert hat. Laut des Berichts des RKI stiegen die psychisch bedingten Fälle von Arbeitsunfähigkeit zwischen 1994 und 2003 bei Männern um 81,6%, bei Frauen um 56,8%. Relativiert werden diese Zahlen durch eine Kontroverse, ob es tatsächlich eine höhere Zahl psychischer Störungen gibt, oder ob die Diagnostik lediglich verfeinert und verbessert wurde. Tatsache ist indes, dass der Wirtschaft aufgrund dieses beinahe sprunghaften Anstiegs ausgefallener Arbeitskraft ein nicht zu unterschätzender Schaden zugefügt wird.

Psychische Erkrankungen – eine (verkannte) Volkskrankheit

Lange Zeit, bis in die 1990er Jahre hinein wurde die psychische Erkrankung insgesamt unterschätzt, da es kaum verlässliches Datenmaterial gab. Dabei zeigt sich nach neueren Erhebungen, dass pro Jahr etwa 15% der Frauen und 8 % der Männer eine depressive Phase durchleben und jeder siebte schwer depressive Patient durch Suizid stirbt. Auch ist die Depression ein häufiger Grund für Arbeitsunfähigkeit. Dazu kommen natürlich schwere Beeinträchtigungen des täglichen Lebens der betroffenen Menschen. Dies fängt bei Schwierigkeiten, den Alltag zu meistern an, geht bis zur völligen Unfähigkeit, sich zu bewegen („Stupor“) und endet, wie gerade dargestellt, nicht selten im Suizid.

Eine weitere diesbezügliche Problematik stellt die oftmals nicht richtig gestellte Diagnose dar. Wo nicht richtig diagnostiziert – dort nicht richtig behandelt, diese einfache Schlussfolgerung kann schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen.

Natürlich darf die noch immer in den Köpfen der Menschen vorhandene Scheu vor Erkrankungen der Psyche nicht vergessen werden – noch allzu oft wird „psychisch krank“ mit „verrückt“ gleichgesetzt. Dabei machen psychische Störungen, wie eben die Depression eine ist, vor keiner Gesellschaftsschicht oder Berufsgruppe und auch vor keinem Intelligenzgrad Halt. Sie können jeden jederzeit treffen.

Zur Versorgungslage im deutschen Gesundheitssystem

Beim Spaziergang durch eine beliebige deutsche Innenstadt wird dem aufmerksamen Beobachter auffallen, wie viele psychotherapeutische Praxen es gibt. Noch deutlicher wird dies, wenn man online auf die Suche geht. Diese scheinbar große Anzahl wird jedoch schnell durch die in der Relation dazu stehenden Einwohnerzahlen wieder relativiert. Dazu kommen Terminschwierigkeiten, Wartelisten und der gerade im intensiven und sensiblen Bereich der Psychotherapie sehr wichtige Faktor der „Chemie zwischen Patient und Therapeut“ – schließlich legt man vor dem Gegenüber sein verwundetes Seelenleben frei.

Diese Unwägbarkeiten führen dazu, dass man nicht zwangsläufig mit dem ersten Therapeuten, den man kontaktiert hat, die Therapie auch tatsächlich durchführen wird. In Zeiten, in denen in der Politik über Einsparungen im Gesundheitsbereich mehr denn je nachgedacht wird, lässt sich nur mit einem Übermaß an Optimismus ein positives Bild der Versorgungslage zeichnen.

Die psychotherapeutische Tagesklinik als ambulante Alternative zum stationären Klinikaufenthalt

Per definitionem ist eine Tagesklinik eine Einrichtung der ambulanten/teilstationären Patientenbetreuung. Ihre Ressourcen gestatten es, Patienten über mehrere Stunden (max. 24 Stunden) zu betreuen und zu behandeln. Dazu kommt die Etablierung im Rahmen einzelner Fachrichtungen, wie auch der Psychotherapie. Entstanden ist diese Therapieform in den 1930er Jahren in Russland, erlebte nach dem Zweiten Weltkrieg eine Renaissance im englischsprachigen Raum, gewann in Deutschland jedoch erst mit der Psychiatriereform der 1970er Jahre an Bedeutung. Dennoch ging die Bundesregierung noch 1990 von Zahlen aus, die bei der Gegenüberstellung des Bedarfs von 2007 beinahe naiv wirken: bezogen auf 100.000 bis 150.000 Einwohner sollten 20 Tagesklinikplätze zur Verfügung gestellt werden. Auf eine Einwohnerzahl von rund 80 Millionen Menschen in ganz Deutschland wären das etwa 500 – 600 Tageskliniken mit je 20 Plätzen. 2007 war es laut einer Erhebung des medizinischen Fachverlags „Thieme Connect“ indes so, dass bei ca. 350 allgemeinpsychiatrischen Tageskliniken nur rund 8500 Plätze zur Verfügung standen – dies stellt damit nur eine leichte Annäherung an den aufgestellten Bedarf von 17 Jahren zuvor dar.

Hat man jedoch einmal einen Platz in einer Tagesklinik bekommen, geht es in aller Regel reibungslos weiter: die Krankenkassen haben den sogenannten Sachleistungsanspruch, was nichts anderes heißt, als dass sie die Kosten für die Therapie in voller Höhe übernehmen; die Kasse rechnet direkt mit der Tagesklinik ab. Für den Patienten heißt dies in der Praxis: man muss lediglich mit der Überweisung vom Hausarzt in die Tagesklinik gehen und hat von diesem Moment an mit der Organisation nichts mehr zu tun.

Beispiele für therapeutische Angebote einer Tagesklinik

Diese Beispiel erheben keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit, geben jedoch einen guten Querschnitt durch die Möglichkeiten wieder, die eine psychotherapeutische Tagesklinik hat, um den Patienten Hilfestellungen geben zu können.

  • Gesprächsgruppen: dies ist zweifellos das zentrale therapeutische Mittel. In vielen Tageskliniken wird das Gespräch in verschiedenen Formen angeboten, Einzelgespräch mit dem Therapeuten, Kleingruppengespräche, normale Gruppengespräche, auch das Gespräch unter den Patienten in den Freizeiten wird als förderndes Hilfsmittel herangezogen. Ziel ist dabei, dem Erkrankten mit der Hilfe von mehreren anderen Menschen – sowohl professionellen Therapeuten, als auch in ähnlicher Form selbst Betroffener – seine Problematik näher zu bringen, zu verständlichen und eventuell Denkanstöße zur Lösung des Problems zu geben.
  • Ergotherapie: die Ergotherapie ist ein Beruf mit einem breit gefächerten Arbeitsfeld. Aufgrund der Vielfalt an Inhalten: sh. auch Artikel „Ergotherapie bei der Behandlung psychischer Erkrankungen“.
  • Rollenspiel/Soziales Kompetenztraining: das Rollenspiel ist ein altbekanntes therapeutisches Mittel, um Situationen, die den Patienten in realiter überfordern, zu üben und ihnen damit den Schrecken zu nehmen. Dies sind ganz konkrete Situationen – zum Beispiel ein Gespräch mit dem Vorgesetzten, in dem es um die Wiedereingliederung nach der Krankheitsphase geht. Die Situation wird im Anschluss von der Gruppe analysiert, dem Betroffenen werden Anregungen und Tipps gegeben.
  • Gymnastik: hier soll vor allen Dingen der oft vorhandenen Antriebslosigkeit der Patienten durch spielerische Sport-Angebote entgegengewirkt werden.
  • Entspannungsangebote: ergänzend hierzu findet natürlich auch oft Entspannung zum Beispiel durch Tai Chi, progressive Muskelrelaxation oder Snoezelen statt.

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