Gedankenlesen mit Magnetresonanztomographie

Kommunikation mit Patienten im Wachkoma. Forscher konnten willentliche Hirnaktivität bei Menschen im Wachkomazustand mit funktioneller Magnetresonanztomographie sichtbar machen.

Im Krankheitsverlauf eines Komas kann der Mensch verschiedene Stadien des Bewusstseins wiedererlangen. Zur Beurteilung des Bewusstseinszustands ziehen Mediziner neurologische Untersuchungen und bildgebende Verfahren heran. Fällt der Patient in einen vegetativen Zustand, erhalten Teile des Nervensystems alle lebensnotwendigen Funktionen, wie z. B. das Atmen oder den Herzschlag, doch der Mensch ist nicht ansprechbar und nimmt seine Umwelt nicht wahr. Liegt noch ein minimales Bewusstsein vor, kann der Patient zeitweilig auf einfache Fragen antworten, unbewusste Reflexe oder Emotionen zeigen wie Lachen und Weinen. Doch wie sicher können Ärzte sein, dass ein Patient seine Umwelt nicht wahrnimmt oder doch wahrnimmt und sich nur nicht mitteilen kann? Die Fehlerrate bei der Bestimmung des Bewußtseinszustands liegt bei 40 %. Erst im vergangen Jahr hat der Patient Rom Houben Schlagzeilen geschrieben. Rom Houben wurde 23 Jahre lang als Wachkomapatient behandelt. Erst im vergangenen Jahr stellte man fest, dass er bei Bewusstsein ist und seine Umwelt wahrnimmt. Heute kann sich Rom Houben über einen Sprachcomputer seiner Umwelt mitteilen.

Der Blick ins Gehirn mit Magnetresonanztomographie

Steven Laureys ist an der Universität Liege, Belgien, auf Komaforschung spezialisiert und hat kürzlich mit mehreren Koautoren Erfolge in der Kommunikation mit Patienten im vegetativen Zustand veröffentlicht. An der Universität von Cambridge, Großbritannien, und an der Universität von Liege untersuchte das Forscherteam 54 Patienten im vegetativen Zustand oder im minimalen Bewußtseinszustand mit einer funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT). Die fMRT stellt nicht nur die Anatomie, sondern zusätzlich die Aktivität im Gehirn dar. Ist ein Gehirnteil aktiv, so steigt die Durchblutung an und damit der Sauerstoffspiegel. Dies zeigt indirekt die neuronale Aktivität.

Visualisieren mit Magnetresonanztomografen

Für das Experiment sollten sich 16 gesunde Probanden vorstellen, dass sie Tennis spielen während sie im Magnetresonanztomografen lagen. Gedanklich holten sie mit dem Tennischläger aus und trafen den Ball. Diese motorische Vorstellung ließ bei ihnen die Durchblutung in einem bestimmten Hirnareal ansteigen. Dachten die Probanden dagegen an ihr eigenes Zuhause, stieg die Durchblutung in einem anderen Teil des Gehirns. Die unterschiedlich aktivierten Hirnareale ließen sich eindeutig mit der fMRT darstellen und erlaubten den Wissenschaftlern zu interpretieren, ob der Proband gerade an das Tennisspielen oder an sein Zuhause gedacht hatte. Steven Laureys und sein Team übertrugen dieses Experiment auf 54 Patienten im vegetativen Zustand oder im minimalen Bewußtseinszustand. Fünf der Patienten waren in der Lage, die Anweisung zu verstehen. Sie visualisierten Tennisspielen oder ihr Zuhause, obwohl sie nicht oder kaum bei Bewusstsein waren.

Kommunizieren per Scan

Mit einem der Patienten aus der Versuchsgruppe konnten die Forscher per Scan kommunizieren. Der 22-jährige lag seit seinem schweren Autounfall vor fünf Jahren im vegetativen Zustand. Eine Kommunikation mit ihm war völlig unmöglich, denn er konnte sich nicht einmal durch ein Augenzwinkern mitteilen. Die Forscher erklärten ihm, dass sie ihm Fragen stellen würden. Wollte er mit Ja antworten, baten sie ihn ans Tennisspielen zu denken. Wollte er eine Frage verneinen, sollte er an seine vertraute Umgebung denken. So fragten sie den Patienten, ob der Name seines Vaters Alexander sei. Der Patient lag im Magnetresonanztomografen und visualisierte Tennisspielen. Die Forscher konnten die Aktivierung der motorischen Vorstellungskraft auf den Scans ablesen und als Ja interpretieren. Auf die Frage, ob der Name des Vaters Thomas sei, visualisierte der Patient sein Zuhause und antwortet so mit Nein. Seine Mutter bestätigte später die Richtigkeit seiner Antworten.

Hoffnung für Komapatienten?

Dieses Experiment ist eine Brücke zu Patienten im vegetativen Stadium oder im minimalen Bewußtseinszustand. Noch ist es zu früh, diese Patienten zu ihrem Wunsch nach medizinischer Versorgung oder nach Schmerzen zu befragen. In diesen ersten Experimenten handelte es sich ausschließlich um Fragen nach prüfbaren Fakten. Steven Laureys und Martin Monti, beide Koautoren der Veröffentlichung, bestätigten, dass eine Verständigung über komplexe, abstrakte Themen derzeit nicht denkbar ist. Bevor dies möglich sei, so die Autoren, müssten rechtliche und ethische Ansätze sowie die ärztliche Behandlung von Komapatienten neu überdacht werden. Selbst bei den untersuchten Patienten des Experiments könne man im Augenblick nicht klar definieren, wie zuverlässig ihre Wahrnehmung und damit ihre Antworten tatsächlich sind.

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