Hilft der Nacktmull bei der Krebsbekämpfung?

Das hässliche Nagetier wird uralt und kennt keine Tumorbildung. Wieder einmal Hoffnung bei der Krebsbekämpfung. Diesmal steht das kleine, unterirdisch lebende Nagetier Nacktmull im Mittelpunkt. Neue Erkenntnisse aus den USA.

Hässlicher als dieser Nacktmull ist wohl kaum ein anderes Tier. Es wird auch als Molratte bezeichnet, und seitdem es von dem deutschen Biologen Eduard Rüppell 1842 entdeckt und beschrieben wurde, ist es wissenschaftlich auch als Heterocephalusglaber bekannt (englisch: naked mole rat). Es ist eine Art Maulwurf, obwohl es unter der Erde und dort unglaublicher Weise in mit Bienen vergleichbaren Kolonien lebt. Zur Gattung der Nagetiere zählend, ist es damit zweifellos ein Unikum. Und auf das setzt neuerdings die internationale Krebsforschung große Hoffnungen.

Diese Tiere bilden keinerlei Krebszellen

Der Nacktmull, der ausschließlich in Ostafrika vorkommt (Äthiopien, Kenia, Somalia), lebt länger als jedes andere Nagetier, bis zu 30 Jahren. Eine Maus schafft ein paar Jährchen, und bei etwa 90 Prozent von ihnen sind Tumore die Todesursache. Der Nacktmull dagegen kennt Krebs überhaupt nicht, denn „diese Tiere bilden absolut keine Krebszellen“. So heißt es in einem Aufsehen erregenden Bericht der amerikanischen Krebsforscherin Dr. Vera Gorbunova, veröffentlicht im Magazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“. Das ist keineswegs – wie anfangs angenommen – der Tatsache zuzuschreiben, dass diese Tiere hautlos sind und nur unter Tage leben. Nein: Ihr Zellsystem ist ein doppeltes, verfügt also über einen „Ersatz“, wenn man so will, und der erstickt quasi eine mögliche Krebszelle im Keim. Das geschieht im Gen p27, das bei Mensch und Nacktmull identisch ist. Dort spielt das überlagernde Gen p16-inka4a die entscheidende Rolle.

Das Unsterblichkeitsenzym wird ausgeschaltet

Das reagiert beim Nacktmull anders als beim Menschen – in Zusammenarbeit mit Telomerase. Laienhaft wird das als Unsterblichkeitsenzym umschrieben. Denn es verhindert die Tumorbildung – aber: Beim Menschen wird dieses Enzym in den „erwachsen“ werdenden Zellen still gelegt, ausgeschaltet. Nicht so beim Nacktmull. Ist hier der Schlüssel zur Krebsverhütung zu finden? Dr. Gordunova glaubt daran und will ihre weitere Forschung darauf konzentrieren, in der Hoffnung, dem Menschen helfen, Krebs vielleicht völlig „ausrotten“ zu können. Dr. Ronald da Pinho, Krebs- und Telomerase-Experte der Harvard Medical School, widerspricht, aber Vera Gorbunova ist von ihrer These felsenfest überzeugt und hat bereits neue Untersuchungen und Analysen begonnen.

Kolonie von Nacktmullen wird im Labor etabliert

Sie will demnächst in ihrem Labor an der University of Rochester eine Kolonie von Nacktmullen etablieren. Die sollen dort in Plastikröhren leben, die in Form eines Tunnelsystems miteinander verbunden sind und in denen sich angehäuftes Erdreich befindet, in dem wiederum Möhren aufrecht eingepflanzt sind. Das etwa entspricht den normalen Bedingungen, unter denen die Nacktmulle in Ostafrika leben. Sie ernähren sich von faserigen Pflanzenknollen, die tief im Erdreich gedeihen, aber wenig Nährkraft haben. Deshalb fressen die Nacktmulle auch Teile ihrer eigenen Ausscheidungen, ihres Kots. Flüssigkeit nehmen Nacktmulle überhaupt nicht zu sich.

Eine Königin dominiert

Ihr Körper wird bis zu 15 Zentimeter lang, sie wiegen zwischen 30 und 50 Gramm. Bis auf wenige Sinnes- oder Tasthaare (Vibrissen) sind sie völlig nackt. Sie besitzen große Nagezähne, die sie beim Tunnelbau wie Baggerschaufeln benutzen. Ihrer Haut fehlt die Substanz P. Dieses aus elf Aminosäuren bestehende Molekül vermittelt Schmerzgefühl – also kennen Nacktmulle keinen Schmerz. Sie leben in Kolonien von 20 bis 300 Tieren. Die sind organisiert, wie es bei Bienen der Fall ist: Junge Nacktmulle kümmern sich um den Nachwuchs, eine die Kolonie dominierende Königin ist als einziges Weibchen fruchtbar. Älter gewordene Nacktmulle sind die Arbeiter, zuständig für den Tunnelbau. Dazu existieren Soldaten, die sich an den Röhrenausgängen aufhalten und diese bewachen. Die Königin hat alle 70 bis 80 Tage einen Wurf von 20 bis 30 Jungen. Sie paart sich mit mehreren Männchen, die nach dem Akt erstaunlich schnell altern.

Diese Tiere also studiert Dr. Gorbunova, „um Langlebigkeit und Krebs beim Menschen zu erforschen““ sagt sie, um hinzuzufügen: „Ich glaube, ich stehe am Anfang einer langen Reise . . .“

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