Hormonelle Wirkungen aus Kunststoffen sind tolerabel

Aus Kunststoffen können Stoffe frei gesetzt werden, die wie Hormone wirken. Das BfR sieht derzeit dadurch keine Gefahren für die menschliche Gesundheit.

Synthetische und natürliche Substanzen, die schädliche Wirkungen auf das Hormonsystem haben können, bezeichnen die Fachleute als endokrine Disruptoren. Und solche Substanzen können aus Kunststoffen, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen, in diese übergehen und so zu einem Risiko für Menschen werden.

Endokrine Disruptoren in Kunststoffen

Endokrin aktive Substanzen stammen entweder aus den Grundbausteinen (Monomeren) oder aus den Zusatzstoffen (Additiven) der Kunststoffe.

Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) befassen sich mit der Frage, ob die chronische Aufnahme von schwach hormonell wirksamen Substanzen aus Kunststoffen ein gesundheitliches Risiko für Verbraucher birgt. Dazu sind die derzeit bekannten wissenschaftlichen Erkenntnisse nur von begrenzter Aussagekraft. Sie ermöglichen einen Überblick über potenziell endokrin wirksame Substanzen in den Materialien (Screening-Verfahren) und sie können die hormonartigen Wirkmechanismen einzelner Substanzen im Reagenzglas klären. Für eine wissenschaftlich fundierte Risikobewertung reicht dies nicht aus. Denn häufig ist unklar, inwieweit sich solche Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen. So gibt es eine allgemein akzeptierte Vorgehensweise für den Nachweis von endokrinen Substanzeigenschaften für Bedarfsgegenstände mit Lebensmittelkontakt bisher nicht. Studien zu den hormonartigen Wirkungen lassen in der Regel keine gesundheitliche Bewertung zu, die über die bereits bestehenden Bewertungen auf der Grundlage von tierexperimentellen Daten zur (sub)chronischen Toxizität und/oder zur Reproduktionstoxikologie hinausgeht. Daher arbeitet das BfR an aussagekräftigeren Screening-Verfahren, untersucht die Migration von endokrin wirksamen Substanzen aus Materialien im Kontakt mit Lebensmitteln und geht der Frage nach, wie solche Verbindungen den Stoffwechsel beeinflussen.

Bei Bisphenol A gibt das BfR Entwarnung

Bisphenol A (BPA) ist ein Grundstoff für die Herstellung von Polycarbonaten. Aus Polycarbonat werden zum Beispiel Babyfläschchen und Trinkbecher hergestellt. Auch für die Innenbeschichtung von Konservendosen wird dieser Kunststoff eingesetzt.

Bisphenol A gehört zu einer Gruppe von Substanzen, die ähnliche Wirkungen wie das weibliche Sexualhormon Östrogen auslösen können. Dieses Problem wird dadurch entschärft, das Bisphenol A im menschlichen Körper schnell in ein Stoffwechselprodukt umgewandelt wird, das keine östrogene Wirkung mehr hat.

Bisphenol A kann in sehr geringen Mengen aus Innenbeschichtungen von Konservendosen, aus Polycarbonatbabyfläschchen und aus anderen Gegenständen aus Polycarbonat freigesetzt werden und auf Lebensmittel übergehen. Nach den dem BfR vorliegenden Migrationsdaten dieser Produkte nehmen Verbraucherinnen und Verbraucher deutlich weniger auf als die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI-Wert), die von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) mit 0,05 Milligramm Bisphenol A pro Kilogramm Körpergewicht festgesetzt wurde. Vom Umweltbundesamt (UBA) erhobene Daten zur Konzentration von Bisphenol A im Urin von Kindern zeigen, dass der TDI-Wert für Bisphenol A sehr deutlich unterschritten wird. Nach sorgfältiger Bewertung aller bisherigen Studien kommen die EFSA wie auch das BfR zu dem Resultat, dass für Säuglinge und Kleinkinder kein gesundheitliches Risiko durch Bisphenol A besteht.

Die Babyschnuller und Bisphenol A

2009 tauchten Meldungen über hohe Belastungen von Babyschnullern durch Bisphenol A auf. Belastet waren die Schnuller und die Kunststoffschilde dieser Schnuller. Das war Anlass für intensive Untersuchungen von Babysaugern durch das BfR und andere Institute. Es wurden verschiedene Schnuller aus Latex und Silikon daraufhin untersucht, wie viel Bisphenol A sie abgeben. Das Ergebnis: Bei 17 von 18 untersuchten Saugern konnte nicht nachgewiesen werden, dass Bisphenol A in die Speicheltestlösung übergegangen ist. Bei einer Probe lag der gemessene Wert knapp über der Nachweisgrenze. Andere Labore kamen zu identischen Ergebnissen. Der einzige Sauger mit einem messbaren Übergang von Bisphenol A schöpft die täglich tolerierbare Aufnahmemenge eines Säuglings zu einem Prozent aus. Bei diesem Ergebnis gibt es keinen Anlass zu gesundheitlichen Bedenken beim Gebrauch dieser Babyschnuller.

Das Problem mit den Phthalaten als Weichmacher in Kunststoffen

Phthalate werden Kunststoffen als Weichmacher zugesetzt. Das geschieht vor allem bei PVC, dessen weiche Varianten bis zu 50 Prozent aus Weichmachern bestehen. Phthalate können sich aus den Kunststoffen lösen. Haben diese Kontakt zu Lebensmitteln, dann können die Phthalate in diese übergehen.

Das Problem ist, dass einige Phthalate als für die Fortpflanzung gefährlich eingestuft wurden. Dabei handelt es sich um die Phthalate Dibutylphthalat (DBP), Diethylhexylphthalat (DEHP) und Butylbenzylphthalat (BBP). Seit einigen Jahren gibt es auf europäischer und nationaler Ebene Bestimmungen, die den Einsatz dieser Substanzen in solchen Materialien verbieten, die mit fetthaltigen Lebensmitteln in Kontakt kommen. Das gilt zum Beispiel für Dichtungen von Deckeln für Gläser. So geht das BfR davon aus, dass die festgelegte tolerierbare tägliche Aufnahmemenge dieser Phthalate nicht überschritten wird.

Aber es gibt noch Anlass zur Sorge. Messungen des Umweltbundesamtes zeigen im Urin von Kindern relativ hohe Werte für Phthalate. Dies deutet nach Auffassung des BfR auf weitere Aufnahmewege für Phthalate hin. Der Verdacht fällt vor allem auf Spielzeuge aus PVC, obwohl die Verwendung der als gefährlich eingestuften Phthalate für Spielzeuge und Babyartikel bereits seit Jahren verboten sind. Aber da gibt es scheinbar immer wieder Schwarze Schafe unter den Produzenten, die diese Regelungen nicht beachten. Und schließlich auch noch Altbestände an Spielwaren aller Art in den Haushalten.

Über die Auswirkungen einer Belastung vom Menschen mit niedrigen Dosen von Phthalaten gibt es bis jetzt noch keine aussagekräftigen Studien. Es besteht noch Forschungsbedarf, um das gesundheitliche Risiko der derzeitigen Aufnahme von Phthalaten für den Menschen genauer bestimmen zu können. Vor allem muss die Frage geklärt werden, ob sich bei Phthalat-Gemischen die einzelnen Stoffe in ihrer die Gesundheit beeinflussenden Wirkung verstärken. Studien mit Tieren, die einzelnen Phthalaten und Gemischen ausgesetzt wurden, deuten auf eine additive Wirkung bei der Störung der Testosteronbildung bei den Nachkommen der Tiere hin.

Das Fazit

Endokrine Disruptoren dürften in dem Bereich der Verpackung von Lebensmitteln und bei Gebrauchsgegenständen, die mit Lebensmittel oder Speichel in Kontakt kommen, nur in solchen Mengen vom Menschen aufgenommen werden, die die zulässige Menge nach den derzeit festgelegten tolerierbaren Aufnahmemengen in der Regel deutlich unterschreitet.

Ein Problem scheint noch bei den Phthalaten zu existieren. Hier sollten in den Haushalten alte Kunststoffgegenstände, vor allem Spielwaren aus PVC, doch kritisch beäugt und vorsichtshalber aus Küche und Kinderzimmer entfernt werden.

Beim derzeitigen Wissensstand sehen die Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung, das von Bedarfsgegenständen und Verpackungen aus Kunststoffen keine gravierenden Gefahren für die Gesundheit der Menschen ausgehen.

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