Hungrige Immunwächter sind bissiger

Bonner Forscher haben elementaren Mechanismus entdeckt, der im gesunden Menschen lebenswichtige Immunfunktionen reguliert.

Für unsere Körperzellen bedeutet Hunger Stress pur. Zunächst einmal schlecht. Außerdem aber schüttet der Körper vermehrt antimikrobielle Peptide aus, die angreifende Keime abtöten können.. Erstaunlich! Diesen elementaren Mechanismus, der im gesunden Menschen also lebenswichtige Immunfunktionen reguliert, haben Bonner Forscher jetzt entdeckt.

Gute Keime, schlechte Keime

Von Viren und Bakterien befallen, setzt unser Körper eine bewährte Eingreiftruppe aus T-Zellen, B-Zellen, Antikörper ein. Soweit bekannt. Mit schweren molekularen Geschützen merzen sie Eindringlinge effektiv aus. Leider richtet das Abwehrsystem dabei aber auch Kollateralschäden am eigenen Gewebe an. Diese müssen anschließend erst einmal repariert werden. Ausgeklügelt wie unser Abwehrsystem ist gibt es deshalb eine zusätzliche Barriere – und zwar an der Grenze zwischen Körper und Außenwelt. Ohne diese stände unserer Immunsystem permanent Gewehr bei Fuß und würde so chronische Entzündungen verursachen. Dieses zweite System ist enorm wichtig, denn auf den so genannten Barriere-Geweben wie Lunge und Haut befinden sich Billionen von Bakterien. Der überwiegende Teil dieser Mikroorganismen lebt seit Jahrmillionen in guter Nachbarschaft mit unseren Körperzellen. Mehr noch: Die komplexe Lebensgemeinschaft aus verschiedensten Mikroorganismen versorgt uns mit wichtigen Naturstoffen, man denke nur an das Vitamin B12. Problem dabei: es schmuggeln sich unter unsere Freunde – die friedfertigen Keime – von Zeit zu Zeit leider auch Störenfriede ein: pathogene Keime. Die können uns krank machen. Noch bevor sie in den Körper eindringen kommt ein bis dato unbekannter Abwehrmechanismus ins Spiel.

Peptide lösen Zellwände der Bösen auf

Bonner Biomediziner vom LIMES-Institut der Universität Bonn konnten zunächst an Fruchtfliegen, dann aber auch an menschlichem Gewebe zeigen: der sogenannte Insulinweg ist direkt an den Stoffwechsel gekoppelt. Wenn wir längere Zeit nichts gegessen haben oder viele Treppen steigen müssen, brauchen die Zellen neue Energie und der Insulinlevel sinkt. Bei niedrigem Insulinlevel wird nun ein sogenannter FOXO-Transkriptionsfaktor aktiviert. Seine Fähigkeit: er kann Gene an- und abschalten. Und zwar besondere Gene, Gene für Abwehrproteine. Diese Proteine sind antimikrobielle Peptide (AMP) – übrigens nicht zu verwechseln mit Antikörpern. Sie werden aus den Körperzellen heraus geschleust und zerstören mögliche Krankmacher. Ihr Trick dabei: sie lösen ganz einfach deren Zellwände auf. „Das findet jeden Tag zu jeder Minute statt“, erklärt Prof. Michael Hoch „Faszinierend dabei ist, dass eine Funktion des Immunsystems direkt abhängig davon ist, wie viel und was wir essen.“ Im Klartext: In Hungersituationen schüttet der Körper vorsichtshalber vermehrt antimikrobielle Peptide aus, um sich zu schützen.

Abwehrmechanismus uralt

Diese direkte Kopplung des Nahrungsangebots mit der immunologischen Abwehr ist wahrscheinlich schon früh in der Evolution vielzelliger Organismen entstanden. Denn sie gibt es nicht nur bei Menschen, sondern in fast allen Tiergruppen. Der neu entdeckte Abwehrmechanismus wirft eine ganz neue Sichtweise auf eine Zahl von Volkskrankheiten wie Diabetes Typ II oder Fettleibigkeit (Adipositas). Die resultieren nämlich aus einer erhöhten Kalorienaufnahme. Zudem gehen derartige Krankheiten häufig mit vermehrten Entzündungen der Barriere-Gewebe, einem gestörten Immunsystem und einer insgesamt verkürzten Lebensspanne einher.

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