Krankenkassen-Vertragssystem irritiert Patienten

Probleme mit der Rabattvertragsregelung der Kassen.

Ein Patient kommt mit einem Rezept in die Apotheke und möchte seine drei verordneten Medikamente abholen. Die Rabattvertragsregelung der Krankenkassen führt zu Problemen.

Ein alter Mann legt in einer Apotheke sein Krankenkassenrezept vor, auf dem drei Arzneimittel verordnet sind. Der Patient ist bei der Techniker Krankenkasse versichert und fühlt sich sicher. Schließlich gehört diese Krankenkasse zu den größten und besten gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland.

Auf dem Rezept sind folgende drei Arzneimittel verordnet:

  • Novodigal 100 Tabletten
  • Lexotanil 6 mg 50 Tabletten
  • Ibuprofen Heumann 600 mg 50 Tabletten

Die Apothekerin geht an die Schublade und entnimmt die Novodigal Tabletten. Als sie das Mittel an der Kasse abscannen will, erscheint auf dem Computerbildschirm der Warnhinweis, dass sie auf dieses Techniker-Krankenkassen-Rezept keine Novodigal Tabletten abgeben darf. Das einzige Mittel, das in diesem Fall für die Abgabe erlaubt ist, heißt Beta Acetyldigoxin R 0,2 mg von der Firma Ratiopharm.

Für die Abgabe von Arzneimitteln, die auf einem Rezept verordnet sind, gibt es klare Regelungen

„Leider darf ich Ihnen das verordnete Herzmedikament nicht abgeben“, sagt die Apothekerin zu dem Kunden und erntet einen entsetzten Blick. „Ich muss das Mittel gegen ein gleichwertiges von einer anderen Firma austauschen“, sagt sie schnell, doch der Blick des alten Mannes bleibt zweifelnd. „Vor ein paar Wochen habe ich doch noch mein Novodigal bekommen, warum jetzt nicht mehr?“, fragt der Kunde.

Handelt es sich bei dem Rezept um ein sogenanntes „Rosa Rezept“, werden diese Medikamente einer gesetzlichen Krankenkasse in Rechnung gestellt. Der Rahmenvertrag vom 1. April schreibt den Apotheken vor, dass sie diejenigen Arzneimittel, für die eine Krankenkasse eine Rabattvereinbarung nach § 130a Absatz 8 SGB V mit dem Hersteller getroffen hat, vorrangig abgeben müssen. Hält sich eine Apotheke nicht an diese Verordnung und gibt es keinen besonderen Grund dafür, kann dies zur Retaxation führen, das heißt, die Krankenkasse kann eine Bezahlung ablehnen. Ist das abzugebende Mittel nicht verfügbar, weil es zu einem Lieferengpass gekommen ist, darf in diesem Fall die Apotheke auch ein gleichwertiges anderes Medikament abgeben, allerdings muss sie die Nichtverfügbarkeit nachweisen.

Bei gleichem Wirkstoff muss immer das günstigere Medikament gegeben werden

Als die Apothekerin den Namen Lexotanil in den Computer eingibt, geschieht genau das, was sie schon befürchtet hat. Die Techniker-Krankenkasse, wie auch viele andere Krankenkassen, bezahlen dieses Mittel nicht, weil es Medikamente mit dem gleichen Wirkstoff gibt, die weitaus günstiger sind. In diesem Fall hat die Apothekerin mehrere Möglichkeiten, das Mittel auszutauschen. Sie legt dem Kunden das Arzneimittel Bromazepam 6 mg vor. „Dies ist genau das gleiche wie Lexotanil, nur preisgünstiger“, sagt sie zum Patienten. „Das heißt aber doch ganz anders“, sagt der Kunde stirnrunzelnd und schiebt das Mittel von sich weg. „Das will ich nicht! Wenn Lexotanil teurer ist, dann zahl ich eben drauf.“

Die Apothekerin hat keine andere Wahl, als den Wunsch des Kunden abzulehnen. Die gesetzlichen Bestimmungen erlauben nicht, dass der Patient das teurere Mittel bekommt und die Differenz aufbezahlt.

Krankenkassen haben Verträge mit bestimmten Arzneimittelfirmen

Ibuprofen Heumann 600 mg, 50 Tabletten sind verordnet. Als die Apothekerin ihren Computer abfragt, ob sie dieses Mittel auf dieses Rezept abgeben darf, wird sie ein drittes Mal enttäuscht. Mit der Firma Heumann hat die Techniker-Krankenkasse in diesem Fall auch keinen Vertrag, sondern mit mehreren anderen Arzneimittelfirmen. Das Schmerzmittel muss die Apothekerin dem Kunden von einer anderen Firma geben. Sie hofft auf Verständnis, doch leider reagiert der Kunde äußerst ungehalten. Sie versichert dem Patienten, dass der Wirkstoff genau der gleiche ist und das Schmerzmittel genau so gut hilft, doch er will ihre Erklärungen gar nicht hören.

Die Apothekerin händigt dem alten Mann die beiden verfügbaren Medikamente aus, die sie laut Kassenvertrag abgeben darf. „Das Herzmittel habe ich bereits bestellt, Sie können es morgen früh ab 9.30 Uhr abholen“, sagt sie nett, doch der Kunde verlässt grußlos die Apotheke.

Defizite im Gesundheitssystem

Der alte Mann betritt am nächsten Morgen die Apotheke. Seine Stimmung hat sich etwas gebessert. Doch dies ändert sich schlagartig, als die Apothekerin ihm mitteilen muss, dass das bestellte Herzmittel nicht geliefert wurde. Durch die erhöhte Nachfrage der Apotheken bei den Arzneimittel-Großhandlungen war das Medikament nicht mehr verfügbar und sie muss nun doch auf die Novodigal Tabletten, die sie in der Schublade hat, zurück greifen. Die Apothekerin versucht dem Kunden die Situation zu erklären, doch sie stößt auf taube Ohren.

„Sie wollen mir also allen ernstes sagen, dass ich heute mein Novodigal bekomme, das Sie mir gestern schon vor die Nase gehalten haben?“, schreit er los. „Nun bin ich umsonst die acht Kilometer gefahren, wer bezahlt mir das Benzin? Ist denn das ganze Gesundheitssystem verrückt geworden?“

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