Kuriositäten auf dem Jakobsweg: Kopfmesse im Kloster Irache

Jedes Jahr an einem Sonntag im Mai wird das Kloster Irache in Navarra Kulisse einer jahrhundertealten Weihwasserzeremonie.

Die „Missa de la Cabeza“, was wörtlich übersetzt Kopfmesse heißt, ist ein Kirchenritual der Region Estella in Navarra. Das Kloster Santa Maria la Real de Irache ist einer der Schauplätze. An einem Maisonntag, der meist erst kurz vorher bekannt wird, kommen Bauern und Einheimische in die Klosterkirche, um einer kuriosen Messe beizuwohnen. Alles dreht sich um den Silberkopf des Heiligen Gregorius.

Mystisches Ritual bei der Kopfmesse in Irache

Geheimniskrämerei liegt in der Luft. Der Messner, Señor Xavier, macht es spannend. Man wisse nicht genau, wann der Koffer mit dem wertvollen Inhalt ankommen würde. Nur so viel könne er verraten: Es handele sich um den Kopf eines Heiligen. Was hat es mit diesem geheimnisvollen Schädel auf sich? „Kommen Sie morgen in die Messe, dann werden Sie mehr erfahren“, meint er verschwörerisch. Am Sonntagmorgen, Punkt 11 Uhr kommen die ersten Kirchengänger in die schlicht-schöne romanische Kirche des einstigen Benediktiner-Klosters Santa Maria la Real de Irache. Die Vorbereitungen beginnen. Der Altar wird angerichtet. Der kleine Männerchor, der sich um das Holzklavier versammelt hat, stimmt ein Lied an.

Feierlich trägt Señor Xavier ein Tablett mit einem silbernen Kopf und einer Bischofsmitra darauf aus der Sakristei. Es folgen der Pater und zwei Ministranten. Die knapp vierzig Anwesenden, hauptsächlich Einheimische, haben sich auf den hölzernen Kirchenbänken niedergelassen. Diese verlieren sich fast unter den riesigen Säulen des enormen Hauptschiffs. Fremde sind nur wenige zugegen, einige Pilger haben sich dazugesellt. Dies scheint mehr eine familiäre Angelegenheit zu sein. Der Kopf wird derweil penibel auf dem Altartisch platziert und die Liturgie beginnt. Am Ende holt der Priester einen versilberten Trichter hervor, stülpt diesen in den Kopf und schüttet langsam vom Chor begleitet Wasser hinein. Das Wasser wird in einer ebenso silbernen Schale aufgefangen. Der junge Messdiener füllt nun das Wasser in Plastikflaschen ab und verteilt diese an die Anwesenden.

Geschichtlicher Hintergrund der Kopfmesse in Irache

Wozu das ganze? Es stellt sich heraus, dass die silberne Reliquie den Schädel des Heiligen Gregorius birgt. Der Heilige Gregorius war Bischof von Ostia, in Rom geboren und einer der ersten Jakobspilger im Auftrag des Papstes Benedikt IX. Er wirkte unter anderem einige Zeit im Kloster Irache bevor er im Jahr 1044 in Logroño verstarb. Seine Vision verhalf dem christlichen Pilgerweg nach Santiago de Compostela zu Aufschwung. Er unterstützte den Bau der Pilgerbrücken von La Calzada und Burgos. Er weihte auch Santo Domingo de la Calzada, einen der bekanntesten Heiligen des Jakobsweges in Nordspanien. Dieser Gregorius, Benediktiner und Bibliothekar des Papstes, soll die Region im 11. Jahrhundert mit einem Wunder von einer Heuschreckenplage befreit haben. Die Nachricht sprach sich wie ein Lauffeuer herum. Und so wurde er auch nach seinem Tod von den Bauern noch um Hilfe gegen Blattläuse und andere Schädlinge angerufen.

Sein Schädel wurde in einen prächtigen Schrein aus Silberblech gebettet, der in der Basilika San Gregorio Ostiense zwischen Estella und Los Arcos am Jakobsweg seinen Ehrenplatz hat. Im Mai geht der Heilige Kopf dann auf Reisen zu diversen Pfarreien der Umgebung, um in der traditionellen Kopfmesse zum Einsatz zu kommen. Seit dem 16. Jahrhundert gibt es Aufzeichnungen über diesen Brauch. Den aktuellen Silber-Kopf, ein Barockstück mit naturalistischem Einfluss, formte José Ventura nach einer Gipsvorlage von Francisco Barona im Jahr 1728. Davor gab es eine andere Version.

Geweihtes Wasser des Heiligen Gregorius für die Felder

Das abgefüllte geweihte Wasser nehmen die Bauern der Region mit nach Hause und beträufeln symbolisch ihre Felder und Pflanzen damit, um von Plagen verschont zu werden und eine reiche Ernte zu bekommen. Nachdem jeder mit Wasser versorgt ist, wird der Trichter wieder eingepackt, die Mitra aufgestülpt und Señor Xavier trägt den Silberkopf mit feierlich-ernster Miene in einer Miniprozession aus der Kirche. Vor dem Haupt-Portal segnet der Priester dann noch einmal alle Beteiligten mit dem Wasser des Heiligen Gregorius und wünscht eine gute Ernte, bevor die Kirchenbesucher mit ihren Plastikflaschen nach Hause fahren. „La Santa Cabeza“- der Heilige Kopf – wird wieder in den Koffer verstaut und kehrt heim in seine Basilika.

Xavier ist zufrieden. Alles hat geklappt und ist wie geplant abgelaufen. Für ihn ist der Sonntag der Kopfmesse der Höhepunkt im Kloster Irache.

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