Tabletten gegen Übergewicht

Appetitzügler und Co. – was bringen sie wirklich? Scheinbar hat es noch niemand geschafft, unsere kleinen Ernährungssünden mit einer einzigen, nebenwirkungsfreien Pille ungeschehen zu machen. Wirklich niemand?

Leider schützt noch nicht einmal Bewegung vor Übergewicht. Wird nach dem Sport hemmungslos drauflos gefuttert, schlägt die Schweinshaxe bei Sportlern genauso an wie bei der Couch-Potatoe. Nur eine dauerhafte Umstellung der Ernährung garantiert uns eine Traumfigur. Denn bei allem Fortschritt hat es scheinbar noch immer niemand geschafft, unsere diätetischen Sünden mittels einer kleinen, möglichst nebenwirkungsarmen Pille ungeschehen zu machen. Wirklich niemand? Der verzweifelte Griff nach pharmazeutischer Hilfe bei Übergewicht lässt bei den Pharmafirmen die Kassen klingeln.

Low Carb Presslinge

Bärbel Drexel, die vielgeliebte Dirndl-Trägerin beim Münchener Einkaufssender HSE Home Shopping Europe, hat sie uns in einer Winternacht 2004 zum ersten Mal gezeigt: Die Low Carb Presslinge, die sie angeblich nur für uns aus ihrem Urlaub mitgebracht hat. „Wenn Sie die nehmen, dann können Sie bis zu 2.000 Kohlenhydratkalorien essen, ohne dass sie anschlagen“, erklärte uns Drexler vollmundig und ohne über das Wortungetüm „Kohlenhydratkalorien“ zu stolpern. „…Also, wenn Sie mal was vorhaben, eingeladen sind, zu einer Hochzeit oder so, da ist das ideal!“ Hat uns da die Drexler tatsächlich das Zaubermittel mitgebracht, auf das wir alle gewartet haben? Kaum zu glauben, denn sie ist selbst nicht gerade zierlich.

Der Beipackzettel der Low Carb Presslinge schweigt sich über Inhaltsstoffe und mögliche Wirkmechanismen aus. „Vermutlich handelt es sich hier um ein Produkt mit Acarbose“, mutmaßt Dr. Harry König, Arzt, Experte für Naturheilkunde und Sportmedizin in Karlsruhe. „Das sind Faserstoffe die bei Diabetikern angewandt, die Kohlenhydrate im Darm binden.“ War das die Lösung all unserer Probleme? Nein, lieber nicht, denn die Faserstoffe führen in den allermeisten Fällen zu fürchterlichen Blähungen, wie Marathonläufer König erklärt. „Im schlimmsten Fall kommt es sogar zu einer Unterzuckerung!“

Xenical

Als ähnlich unangenehm hat sich auch das verschreibungspflichtige Medikament Xenical erwiesen. Es wurde 1998 auf dem europäischen Markt zugelassen und soll dafür sorgen, dass das Fett unserer Schweinshaxe gar nicht erst verstoffwechselt wird. Tatsächlich hemmt der in Xenical enthaltene Wirkstoff Orlistat das im Darm vorkommende fettspaltende Enzym Lipase. So kann nur noch etwa

60 % des aufgenommenen Fettes vom Körper verwertet werden. Die mögliche Folge: fettige und breiige Stühle, Blähungen und andere Magen-Darm-Beschwerden. Lohn der Mühe: amerikanischen Studien nach soll Xenical in Verbindung mit einer fettarmen (!) Diät und Bewegung tatsächlich zu einer Gewichtsabnahme führen. Doch wird die Diät gelockert, ist auch das mit Xenical verlorene Gewicht schnell wieder drauf. Und auch hier warnt der Fachmann: „Fettlösliche Vitamine, wie beispielsweise das Vitamin E, D, K und A bleiben bei Xenical auf der Strecke“, so Dr. Harry König.

Formoline 112

Die preiswerte Alternative gibt’s rezeptfrei in der Apotheke und heißt Formoline L 112. Der Inhalt: Chitosan. Was Ernährungsmediziner und Ernährungswissenschaftler lange vermuteten, hat vergangenes Jahr eine wissenschaftliche Studie (1) bewiesen: der angebliche „Fettmagnet“ Chitosan macht nur den Geldbeutel schlanker. „Die aus Krabbenschalen gewonnene Substanz bewirkt keinen klinisch signifikanten Gewichtsverlust im Vergleich zu einem Placebopräparat“, so der Artikel im International Journal of Obesity 2004.

Zu dem gleichen Ergebnis kamen auch die Autoren eines Übersichtsartikels zur Bewertung verschiedener Schlankheitsmittel in der anerkannten Fachzeitschrift Ernährung & Medizin (2). „Den chitosanhaltigen Medizinprodukten fehlt ein wissenschaftlich fundierter Leistungsnachweis, so dass deren Rechtmäßigkeit in Frage gestellt werden muss“, so Mitautor Professor Dr. N. Andreas von der Universität Hannover.

Reductil

Eine weitere Pille auf dem Schlankheitsmarkt ist Reductil, das als Appetitzügler in den Stoffwechsel unseres Gehirns eingreift. Wir fühlen uns satt, kämpfen aber mit teils heftigen Nebenwirkungen. „Die Patienten klagen über Verstopfung, Übelkeit, Mundtrockenheit und Schlaflosigkeit, ihnen ist schwindlig, sie haben Schweißausbrüche, einen erhöhten Blutdruck und einen schnellen Puls“, beschreibt Dr. Harry König das Martyrium der Abnehmwilligen.

Die Zauberpille ganz ohne Nebenwirkungen könnte aus einer ganz anderen Richtung kommen. Dr. Jürgen Reimann, Sachverständiger für Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel und Fachapotheker für Arzneimittelinformation und pharmazeutische Analytik in München verweist auf das große Geheimnis unseres diesjährigen Brustschwimm-Weltmeisters Mark Warnecke: „Er hat mit Hilfe von Aminosäuren innerhalb kürzester Zeit 18 kg abgenommen, gleichzeitig Muskulatur zugelegt und seine Leistung hat nicht darunter gelitten.“

Aminosäuren

Aminosäuren stehen in vielen Bereichen der Gesunderhaltung hoch im Kurs. „Sie können eine ganzheitliche Adipositastherapie mit reichlich Bewegung wirksam unterstützen“, kommentiert Professor Dr. Jürgen Spona, Aminosäurenexperte aus Wien und wissenschaftlicher Beirat der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik. Dabei fördern sie zum einen die Fettverbrennung und zügeln gleichzeitig den Appetit. Bei diesen Prozessen spielen vor allem die Aminosäuren Arginin, Ornithin, Lysin und Phenylalanin eine entscheidende Rolle. „Arginin, Ornithin und Lysin gelten als Stimulanzien des Wachstumshormons, das die Fettmobilisierung und Fettverbrennung fördert“, erläutert Professor Spona. Phenylalanin stimuliert die Produktion eines weiteren Hormons, nämlich die des Cholecystokinins, von dem bekannt ist, dass es den Hunger dämpft.

Diät-Duell

So richtig überraschen dürften diese neuen Erkenntnisse eigentlich nicht, denn Aminosäuren sind Eiweißbausteine und eine eiweißreiche Ernährung kam in den letzten Jahren nicht nur in Sportlerkreisen zu Ruhm und Ehre. In einem von dem Fernsehsender RTL Anfang 2005 ausgerichtetem Diät-Duell traten vier Teams gegeneinander an: Low Carb gegen Weight Watchers gegen Brigitte-Diät gegen Strunz forever young. Bei der Low Carb werden auf Kohlenhydrate wie Brot, Reis und Nudeln verzichtet, Obst, Gemüse und Salat sind jedoch Bestandteil der täglichen Ernährung. Die Weight Watchers geben ihren Lebensmitteln Punkte, von denen sie eine Gesamtzahl am Tag nicht überschreiten dürfen. Die Brigitte Diät setzt auf ein Kalorienlimit bei einer insgesamt fettarmen Ernährung, während die Strunz forever young Diät Eiweiß und viel Bewegung zu den Abnehm-Garanten erklärte.

Der klare, aber überraschende Sieger dieses Diät-Duells war das Team um Dr. Strunz. Deren Probanden hatten schon nach zwei Monaten über 18 kg mehr als jedes der anderen Teams abgespeckt. Damit wurde zum ersten Mal bewiesen, wie wichtig sowohl ein hoher Eiweißanteil in der täglichen Ernährung als auch regelmäßig betriebener Sport für die schlanke Linie ist.

Weil es aber einfacher ist, eine Pille oder ein Pülverchen zu nehmen, als konsequent sein täglich Steak zu essen, bietet auch Schwimmweltmeister Mark Warnecke mittlerweile auf seiner Homepage ein Aminosäureprodukt an. Dessen „tierisches Eiweiß mit kurzkettigen Peptiden und L-Aminosäuren“ (Etikett) soll den Fettstoffwechsel gerade bei Nacht aktiv halten und dabei die Gewichtsreduktion wirksam unterstützen.

Fazit der Experten

Diese Wirkung bestätigt auch der Internist und Orthomolekular-Experte Dr. Friedrich Douwes aus Bad Aibling, der seinen Patienten gelegentlich ein Konkurrenzpräparat empfiehlt. „Gleichzeitig wird auch die Libido angeregt, was den Effekt noch unterstützt“, schmunzelt der Wahlbayer, der jedoch – zugegeben – auch ständig gegen die Zentnerlast der eigenen Pfunde kämpft.

Und auch Nahrungsergänzungsmittelexperte Dr. Jürgen Reimann, der uns den Tipp mit den Aminosäuren gegeben hat, entspricht rein äußerlich dem Bild eines „ganzen Mannes“. Aber er sieht es gelassen, streicht über seinen Bauch und sagt: „Glauben Sie mir, wenn es wirklich ein Mittel gäbe, das dagegen hilft, würde ich anders aussehen!“

(1) Mhurchu C Ni et al. : The effect of the dietary supplement, Chitosan, on body weight : a randomised controlled trial in 250 overweight and obese adults. International Journal of Obesity 2004; 28: 1149-1156

(2) Ströhle A et al.: Nährstoffsupplemente und Functional Food zur Gewichtsreduktion – Wunsch und Wirklichkeit. Ernährung & Medizin 2004; 19: 121-128

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.