Warum bildet Honig Spiralen?

Honigspiralen – Kringelige Überraschung am Frühstückstisch. Wenn man Honig auf ein Brot laufen lässt, bilden sich grazile Spiralen aus. Schuld ist die Zähigkeit des Honigs, die zu ungewöhnlichen Ablenkungen führt.

Wer von uns hat noch nicht genüsslich Honig in einem langen Faden auf sein Toast laufen lassen und dabei geschwungene Zickzack-Muster und klebrige Kringel auf dem Brot erzeugt? Wie von Zauberhand geführt, rollt sich der Honigfaden ein, wenn er die Brotoberfläche trifft. Zahncreme rollt sich bisweilen auf der Bürste ein, bei dickflüssigen Ölen, vor allem bei kaltem Olivenöl, kann man Spiralbildungen beobachten und mit Sirup und flüssiger Schokolade lassen sich interessante Spiralen gestalten. Wie ist dieser Drang der Fäden zum Einwinden zu erklären?

Erste Experimente zum „Honigwickeln“

Das Phänomen wurde schon gegen Ende der 1950er Jahre mit hochviskosen Ölen untersucht. Die damaligen Forscher fanden heraus, dass die Flüssigkeit aus einer bestimmten Mindesthöhe in die Auffangschale fallen musste, damit sie schnell genug war, eine Spirale zu bilden. Die Frequenz, mit der sich der Flüssigkeitsfaden zur Spirale windet, wächst dabei mit der Fallhöhe.

Bei den Versuchen verjüngte sich die Spirale nach oben kegelförmig und bildete oft eine kraterförmige Mulde aus. Man nahm an, dass sich Drehbewegungen, die dann zu den Spiralen führten, schon im Fadenstrahl weit oberhalb bilden. Um diese These zu testen und die Eigenschaften der Strömung besser untersuchen zu können, wurde das Öl mit Aluminiumpulver gemischt und der Strahl mit einer Stroboskop-Lampe beleuchtet, die in konstanten, kurzen Zeitabständen Lichtblitze aussendet. Mit der Lampe konnten die schnellen Vorgänge praktisch im Zeitraffer beobachtet und die Bahn einzelner Teilchen während des Aufwickelvorgangs bestimmt werden. Erstaunlich war, dass sich der Faden erst ganz knapp oberhalb des Spiralanfangs windet. Warum dies so war, konnten die ersten Untersuchungen allerdings nicht klären.

Die Zähigkeit des Honigs ist schuld

Der Ursache für das „Honigwickeln“ kam erst der englische Physiker Geoffrey Taylor bei der Untersuchung von Flüssigkeitsströmungen auf die Spur. Er erkannte, dass in einem zähen Flüssigkeitsfaden, der mit einer großen Geschwindigkeit auf eine Flüssigkeitsoberfläche trifft, durch Kompressionsdruck mechanische Spannungen entstehen: Fällt die Flüssigkeit schneller herab als sie von der ruhenden Flüssigkeitsoberfläche auf ihrem Brot aufgenommen werden kann, so wird der Faden an dieser Stelle abgebremst und regelrecht gestaucht. Die Flüssigkeitsteilchen können – bedingt durch ihre Zähigkeit (Viskosität) – einfach nicht schnell genug ausweichen und dem nachfolgenden Honig Platz machen.

Im Flüssigkeitsfaden entsteht Druck, eine Art Stau der Flüssigkeitsteilchen. Wasser würde – flexibel wie es ist – in dieser Zwangssituation einfach zerlaufen. Der zähe Honigfaden kann das jedoch nicht. Er knickt daher ein und weicht seitlich aus: Der Wickelvorgang zur Spirale startet. Beim Aufprall eines Autos auf eine Wand kann man in der Knautschzone ähnliche Ausweichvorgänge zur Seite beobachten, jedoch nur bei einem zwar zähen, aber flüssigen Faden bildet sich eine Spirale.

Große oder kleine Spirale beim Honig?

Der Aufwickelvorgang hängt vom Durchmesser des Fadens ab. Dünne Fäden (mit wenig Flüssigkeit) werden nur wenig zu Seite gebogen. Sie bilden Spiralen mit kleinem Durchmesser, aber mit großer Geschwindigkeit. Dicke Fäden legen sich sehr langsam zu großen Windungen. Wird die Fallhöhe allerdings zu groß, kann sich der Faden in einzelne Tropfen auflösen oder einfach abreißen. Interessant ist in diesem Zusammenhang noch, dass die Spiralen etwa gleich häufig rechts oder links herum gewickelt sind. Der Drehsinn ergibt sich nämlich durch kleine Störungen oder Asymmetrien beim Aufprall.

Lust auf eigene Experimente mit zähen Flüssigkeiten?

Wenn Sie Lust haben, können Sie für Ihre Versuche auch weitere zähe Flüssigkeiten heranziehen. Zahncreme beispielsweise verhält sich eigentümlich, denn der Pastenstrang verjüngt sich infolge der hohen Viskosität kaum beim Fallen, eher reißt er ab. Dementsprechend träge ist auch der Einrollvorgang. Silly Putty, eine Art elastischer Kitt, oder Slime, ein (ekeliger) Schleim, den Kinder gerne durch ihre Hände gleiten lassen, sind ebenfalls interessante Kandidaten. Auch bei ihnen kann man „bedächtige“ Spiralwicklungen beobachten. Ihre Zähigkeit hängt nicht nur – wie beim Honig – von der Temperatur ab, sondern auch von der mechanischen Kompression.

Unter Druck erhöht sich die Viskosität enorm: Wenn man die beiden Materialien zu einer Kugel formt und an die Wand schleudert, verfestigen sie sich beim Aufprall so stark, dass sie wie ein elastischer Ball zurückgeworfen werden. Auch gewöhnlicher Ketchup ist gut für die Experimente geeignet. Er wird allerdings umso fließfähiger, je größer die mechanische Kompression, also der Druck, wird. Durch Kneten von Ketchup in einer Plastikflasche lässt sich beispielsweise erreichen, dass das Ketchup besser ausfließt. Mit Ketchup kann es ihnen also durchaus passieren, dass sich wider Erwarten nur bei geringen Fallhöhen Spiralen oder gar keine bilden. Probieren Sie es aus.

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