Warum ist es so schwer, nach einer Diät schlank zu bleiben?

Abnehmen ist mal wieder angesagt. Das neue Gewicht zu halten, gelingt jedoch nur wenigen. Der Lübecker Wissenschaftler Achim Peters weiß, woran das liegt.

Warum ist es so schwer, nach einer Diät schlank zu bleiben? Abnehmen ist mal wieder angesagt. Das neue Gewicht zu halten, gelingt nur wenigen. Ein Lübecker Wissenschaftler weiß, woran das liegt.

Jedes Jahr ist es dasselbe: Sobald im März erste warme Tage ahnen lassen, dass man in ein paar Wochen die Sommerkleider aus dem Schrank holen und sogar in absehbarer Zeit im Bikini im Schwimmbad oder am See auftauchen kann, haben Diäten Hochkonjunktur. Keine Frauenzeitschrift kann es sich leisten, ihre Leserinnen ohne Schlankheitsrezepte, Gymnastikanleitungen und gute Speck-weg-Ratschläge in den Frühling zu schicken.

Nur ein bis zwei Prozent der Diäten sind wirklich erfolgreich

Nicht nur Zeitschriften machen Auflage, auch Apotheken, Fitness-Studios und alle Arten von Schlankheitsberatern und Diätprodukte-Herstellern machen ein Riesengeschäft. Das Problem: Kuren zur Gewichtsabnahme haben einen erschreckend geringen Langzeiterfolg. Die unglaublichen Summen, die fürs Abnehmen ausgegeben werden, zeigen einerseits den Ehrgeiz der Menschen, schlanker zu werden, sind aber andererseits auch Ausdruck für die Verzweiflung, mit der viele ihrem Wunschgewicht endlich näher kommen wollen.

Eine Diät abzubrechen empfinden viele als seelische Niederlage

Kalorien zählen, nur noch wenige Kohlenhydrate essen oder mit Fett sparen – es gibt viele Methoden, abzunehmen. Doch viele erleben, dass schon nach wenigen Tagen der Hunger so übermächtig wird, dass alle guten Vorsätze über Bord gehen und der Griff in den Kühlschrank wie ein Griff nach einem Rettungsanker wirkt.

Gibt es zahllose willensschwache Leute? Oder sind alle bisherigen Methoden zum Abnehmen schlicht falsch? Prof. Dr. Achim Peters von der Universität Lübeck, Leiter der Forschungsgruppe The Selfish Brain Theory, lässt mit seiner neuen Theorie aufhorchen. WF hat mit ihm gesprochen. Nach seiner Auffassung ist das Gehirn für Gewichtsprobleme verantwortlich

Es gilt aber doch als unbestritten, dass Übergewicht aufgrund von Bewegungsmangel und falscher bzw. zu üppiger Ernährung entsteht?

Prof. Dr. Achim Peters: Das Überangebot an Nahrung allein macht kein Übergewicht. Es kommt nur dann zum Übergewicht, wenn eine Störung im Gehirn vorliegt. Sehen Sie, es gibt doch viele Stubenhocker, die fast den ganzen Tag vor dem Computer verbringen und sich regelmäßig satt essen, aber kein Gramm zu viel auf die Waage bringen. Bei diesen Menschen ist mit dem Gehirn alles in Ordnung, und die Feinabstimmung klappt hier super: Durch die Nahrung wird genau das aufgefüllt, was zuvor vom Körper verbraucht wurde.

Warum funktioniert diese Feinabstimmung im Gehirn mancher Menschen nicht?

Prof. Dr. Achim Peters: Wir müssen davon ausgehen, dass schon im Mutterleib eine ungünstige Programmierung geschehen kann. Bisher hat man eben gesagt: Übergewicht ist erblich. Das ist ja auch nicht ganz falsch. Vererbt wird allerdings nicht das Übergewicht, sondern die Reaktionsweise des Gehirns. Wir unterscheiden zwischen dem perfekt regulierenden Gehirn, dem „selfish brain with high fitness“, dem eigensüchtigen, sehr fitten Gehirn, das selbst in mageren Zeiten und auf Kosten des übrigen Organismus körpereigene Energiereserven anzapfen kann. Dem gegenüber steht das „selfish brain with low fitness“, das dies nicht in ausreichendem Maße kann, sondern per Appetitsteigerung zusätzliche Nahrung anfordern und die Entstehung von Übergewicht in Kauf nehmen muss.

Pfunde wegtrainieren: Warum schaffen das manche einfach nicht?

Kann man da nicht mit viel Bewegung gegensteuern?

Prof. Dr. Achim Peters: Das Gehirn bestimmt, welche körperliche Leistung möglich ist. Das Gehirn hat in jedweder Stresssituation – auch körperliche Bewegung verlangt dem Gehirn mehr ab als gewöhnlich – einen erhöhten Zuckerbedarf. Wenn das Gehirn die notwendige Energie nicht aus den körpereigenen Depots anfordern kann, wird es dem Körper keine großen Ausdauerleistungen abverlangen können. Droht das Gehirn in einen Versorgungsmangel zu geraten, blockiert es die zentralen Bewegungs-Befehle an die Muskulatur, und alle verfügbare Energie wird so für das Gehirn aufgespart. Das haben sicher viele schon mal erlebt: Man möchte weiterlaufen, doch es geht beim besten Willen einfach nicht mehr, obwohl man weder besonders außer Atem ist, noch Schmerzen hat.

Wer gut trainiert ist, hat doch aber selten solche Blockaden!

Prof. Dr. Achim Peters: Ja, das stimmt. Durch konsequentes körperliches Training kann man das Gehirn dazu bringen, sich kontinuierlich aus den Energie-Reserven zu bedienen, so dass man nicht mehr so schnell schlapp macht.

Woher kommt der Jojo-Effekt?

Wie kommt es, dass manche Menschen trotz zahlreicher Diätversuche letztlich immer dicker werden? Anders gefragt: Ist das Gehirn für den Jojo-Effekt verantwortlich?

Prof. Dr. Achim Peters: Wenn Übergewicht erst einmal entstanden ist, hat das Gehirn einen Konkurrenten um die Nahrung. Es muss sich gleichsam im Rahmen des Selbsterhaltungstriebes noch mehr anstrengen, zu seinem Recht zu kommen. Die Heißhungerattacken nach einer Diät sind ein sicheres Zeichen dafür, dass die gesunde Feinabstimmung fehlt und das Gehirn per Appetitsteigerung nach Glukose verlangt.

Verhaltenstraining: „Ich muss nicht essen, wenn es mir schlecht geht“

Sie haben ein psychologisch-internistisches Programm mit dem Titel ‚Train the brain‘ entwickelt, das übermäßiges Essen aufgrund der Fehlregulation im Gehirn eindämmen soll. Wie kann das funktionieren?

Prof. Dr. Achim Peters: Mit meinem Kollegen Ulrich Schweiger von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie habe ich über ein Jahr lang mit zehn stark übergewichtigen Teilnehmerinnen erfolgreich gearbeitet. Sie alle haben keine Kalorien gezählt, sondern nur gedankliche und Verhaltensänderungen trainiert. Dadurch kann man das Gehirn dazu bewegen, Energie aus dem Körper zu ziehen. In Konfliktsituationen zum Beispiel sollten die Teilnehmerinnen lernen, sich auseinanderzusetzen statt still zu leiden und anschließend dem aufkommenden Appetit nachzugeben. Wer es schafft, sich selbstbestimmt zu verhalten und seine eigene Auffassung nicht zu verstecken, fühlt sich besser und muss nicht essen. Das ist natürlich nur ein Aspekt des Therapie-Konzepts, das sowohl bei den Gefühlen als auch bei den vom Gehirn aus koordinierten Verhaltensweisen ansetzt. Dank der besonderen Plastizität und Lernfähigkeit des Gehirns können wir die im emotionalen Gedächtnis abgespeicherten, vertrauten und kaum noch hinterfragten Einstellungen und Verhaltensweisen durchaus verändern. Und damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: Das Gehirn lernt wieder, seine Energie aus dem Körper zu ziehen und sein „Besitzer“ gewinnt Handlungs- und Verhaltensspielräume, weil er nicht ins Essen flüchtet.

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