Was Ohrenschmerzen mit dem Kiefergelenk zu tun haben

Wer denkt schon daran, dass Kopfschmerzen, Schmerzen im Gesicht oder um die Ohren von einer Fehlfunktion des Kiefergelenks kommen können?

Wir brauchen das Kiefergelenk und seine Muskeln beim Kauen, Sprechen, Schlucken und Gähnen. Bei einer Schädigung spürt man den Schmerz vor dem Ohr, dem Sitz des Kiefergelenks, von wo er über die Gesichtshälfte in Richtung Mund, Auge, Schläfe, Hinterkopf und häufig auch in den Nacken und in die Schulter ausstrahlt. Das normale Kauen verursacht dann Schmerzen, und manchmal kommt es auch zu einem Tinnitus. Charakteristisch bei Schädigungen des Kiefergelenkes ist das einseitige Auftreten der Beschwerden.

Probleme mit dem Kiefergelenk: craniomandibuläres Syndrom (CMD)

Viele Menschen mit chronischen Spannungskopfschmerzen sowie Gesichts- und Ohrenschmerzen laufen von Spezialist zu Spezialist und leben oft nur noch mit Hilfe von Schmerzmitteln. „Die wenigsten Menschen denken bei Gesichtsschmerzen, die bis zum Ohr rüber ziehen, an eine Störung im Bereich der Kaumuskulatur und des Kiefergelenks. Auch können hierbei zeitweise Schwindel-Gefühle, Kopfweh, Nacken- und Rückenschmerzen bis runter zum Becken sowie Schlafstörungen auftreten“, erklärt Dr. Wolfgang Hornberger vom Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte. Manchmal führt erst der Zufall endlich zur richtigen Diagnose: craniomandibuläres Syndrom (CMD). Das bedeutet so viel wie Beschwerden um Kopf und Kiefer.

Bei sieben von zehn Erwachsenen arbeiten die Kiefergelenke nicht richtig. Aber nur ein Fünftel hat Schmerzen. Das Kiefergelenk, das den Unterkiefer in Position hält, ist durch ein kompliziertes System von Muskeln und Bändern aufgehängt. Kiefergelenk und der Biss der Zähne stehen so in einem direkten Zusammenhang. Stehen die Zähne nicht in korrekter Verbindung zueinander, verschiebt sich der Unterkiefer beim Schließen automatisch in eine neue Position, um die Fehlstellung der Zähne auszugleichen. Das bedeutet, dass die umliegenden Muskeln unnatürlich beansprucht und belastet werden.

Kiefergelenksbeschwerden und mögliche Ursachen

Kiefergelenksbeschwerden lassen sich auf verschiedene Ursachen zurückführen, eine davon ist Stress. Denn besonders in Stresssituationen kommt es häufig zu verspannten Kaumuskeln, die das harmonische Funktionieren der Gelenke verhindern. Typisch ist dann auch das nächtliche Zähneknirschen. Auch veränderte Zahnstellungen nach Zahnbehandlungen oder nach der Eingliederung von Zahnersatz, aber auch Zahnlücken, Zahnfleischprobleme oder schlecht passende Prothesen sind häufige Störungsursachen. Nicht zu vergessen sind schlechte Angewohnheiten wie das ständige Kauen auf Tabakpfeifen oder Bleistiften.

Kopf- und Nackenschmerzen können auf Bewegungsstörungen im Halswirbelsäulen- und Kiefergelenksbereich hindeuten.

Wie äußert sich die gestörte Gelenkfunktion?

Die Beschwerden treten auch als Knacken oder Knirschen im Kiefergelenk auf und können das Kauen behindern oder gar verunmöglichen. Sogar ein Gähnen kann dann unerklärliches Kopfweh und Schmerzen im Halsbereich auslösen. In vielen Fällen beeinträchtigen Ohrgeräusche das Wohlbefinden. Gelenkbeschwerden können wiederum Kopfschmerzen und Migräne auslösen. Das wiederum führt häufig zu Schlafstörungen.

Weitere Risiken für eine CMD sind eine schiefe Körperhaltung, zum Beispiel bei der Arbeit vorm Computer, die auch das Kiefergelenk belasten. Auch Verletzungen, etwa ein Schleudertrauma bei einem Autounfall oder bei einer Intubation zur Narkose, ferner Erkrankungen wie Fibromyalgie oder Polyarthritis, kommen als Auslöser in Frage.

Manuelle Therapie und Okklusionsschiene

Suchen Betroffene wegen der meist einseitigen Schmerzen des Ohrs, des Kiefers und des Gesichts einen HNO-Arzt auf, erkennt dieser, wenn es sich eher um ein funktionelles Problem handelt. „Verspannungen bzw. Fehlstellungen der Halswirbelsäule spielen bei der CMD eine große Rolle. Eine Chirotherapie, die heute in vielen HNO-Arzt-Praxen angeboten wird, hilft oft, die mögliche Ursache zu beheben“, rät Dr. Wolfgang Hornberger, niedergelassene HNO-Arzt aus dem saarländischen Sulzbach. „Darüber hinaus sind eine Manuelle Therapie beim Physiotherapeuten und das Anpassen einer speziellen Schiene vom Zahnarzt (Okklusionsschiene), die nächtliches Zähneknirschen verhindert, empfehlenswert. Auch das Erlernen von Entspannungsverfahren ist sinnvoll, denn emotionaler Stress begünstigt die muskuläre Verkrampfung. Medikamente wie Ibuprofen und Paracetamol können bei starken Schmerzen vorübergehend die Beschwerden lindern, sie bekämpfen allerdings nicht die Ursache.“

Leistungsdruck und einseitige Bewegungsmuster

Wie viele Menschen von einer CMD betroffen sind, weiß man nicht. Sicher ist nur, dass das Beschwerdebild in Zeiten des großen Leistungsdrucks, hoher Alltagsbelastungen und der häufig einseitigen Bewegungsmuster im Job immer weiter zunimmt. Die Betroffenen haben oft eine lange Arzt-Odyssee hinter sich, weil ihre Schmerzen zumeist nicht klar zugeordnet werden können. „Bei Gesichts- und Ohrenschmerzen sowie Schwindel ist es immer ratsam, einen HNO-Arzt aufzusuchen. Er kann Erkrankungen des Ohrs und der Gesichtsnerven ausschließen und eine Fehlstellung des Kiefers und der Halswirbelsäule feststellen“, betont Dr. Hornberger.

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