Wie leben mit Fibromyalgie?

Anders leben mit Fibromyalgie – ein neuer Alltag. Patienten mit Fibromyalgie leiden nicht nur unter den Schmerzen, sondern auch unter den Begleiterscheinungen der Krankheit. Was können sie tun?

An Fibromyalgie erkrankte Menschen kämpfen wie die meisten chronisch Kranken jeden Tag. Es sind nicht nur die Schmerzen, die ihnen trotz der Medikamente das Leben schwer machen. Es sind die vielen Begleiterscheinungen, die teilweise durch die Krankheit selbst, teilweise auch durch die Medikamente entstehen. Die Betroffenen kämpfen gegen die Erkrankung und gegen sich selbst. Sie wollen sich von der Fibromyalgie nicht unterkriegen lassen. Viele verlieren diesen Kampf. Aber viele gewinnen auch – nämlich eine neue Einstellung zum Leben und zu sich selbst.

Der tägliche Kampf beginnt vor dem Aufstehen

Gesunde Menschen stellen sich den Wecker, lassen ihn vielleicht noch zwei- oder dreimal klingeln und stehen dann auf. Fibromyalgiker stellen ebenfalls ihren Wecker, allerdings meist über eine Stunde, bevor sie wirklich aufstehen müssen. Sie sind nach einer von Schlafstörungen begleiteten Nacht zwar auch müde, aber vor allem benötigen sie die Zeit, um beweglich zu werden. Die so genannte Morgensteifigkeit lässt es nicht zu, zehn oder zwanzig Minuten nach dem Wachwerden aus dem Bett „zu springen“. Die Muskeln sind über Nacht so steif geworden, dass jede Bewegung heftigste Schmerzen verursacht.

Anders aufstehen

Wer noch berufstätig ist, steht bereits morgens unter Zeitdruck. Alles muss schnell gehen. Bei dieser Erkrankung muss es anders gehen. Der Wecker muss tatsächlich früh genug gestellt werden. Aber statt zwischen den einzelnen Weckintervallen immer wieder einzunicken, sollten Betroffene spätestens nach dem dritten Weckton beginnen, ihre Muskeln einzustimmen. Dabei dürfen sie ruhig unter der warmen Bettdecke liegen bleiben, denn die Wärme unterstützt diese Vorgänge zusätzlich. Ganz leichte Bewegungen der Füße und Hände können die Aufwärmphase einleiten. Da häufig der Schulter-Nacken-Bereich betroffen ist, helfen leichte kreisende Bewegungen des Kopfes, die Schmerzen durch die Steifigkeit zu lindern. Arme und Beine können an- und abgewinkelt werden. Die Beckenmuskulatur kann durch sanfte Schaukelbewegungen ebenfalls erwärmt und auf „Betriebstemperatur“ gebracht werden. In Seitenlage bekommt der Rücken durch leichtes Sich-Einrollen und langsames Strecken Hilfe. Sind alle Körperteile in einem schmerzarmen Zustand, kann zum Abschluss mehrmals die so genannte Embryohaltung eingenommen und wieder gelöst werden.

Konzentrationsstörungen bearbeiten

Viele Fibromyalgiker leiden unter Konzentrationsstörungen. Diese beeinflussen sowohl das Berufs- als auch das Privatleben. Genussvoll ein Buch lesen? Fast aussichtslos. Einen Fernsehfilm anschauen? Anstrengend. Einem Vortrag folgen? Nahezu unmöglich. Konzentriert und verantwortlich seinen Beruf ausüben? Schwierig. Die Konzentrationsstörungen lassen sich nicht wegdiskutieren. Es gibt Medikamente, die unterstützend wirken, die Störungen aber auch nicht gänzlich beseitigen. Selbsthilfe führt oft schon ein gutes Stück weiter. Das bedeutet, dass der Betroffene sich von gewissen Alltagsstrukturen zunächst lösen muss. Das nahezu modern gewordene „Multitasking“ muss bei Fibromyalgiepatienten aus dem Denken verbannt werden. Auch die Gewohnheit, möglichst alles schnell zu erledigen, sollte der Vergangenheit angehören. Eine gute Hilfe für neue Tagesstrukturen ist ein Tagesplan. Dieser enthält sowohl die Dinge, die unbedingt erledigt werden müssen, als auch die, die der Erholung und Freizeitgestaltung dienen. Beides ist genauso wichtig!

Eine neue Tagesstruktur im Beruf

Ein Großteil des Tages besteht bei Berufstätigen aus der Arbeit. Diese muss erledigt werden und zwar so gut wie möglich. Dennoch ist es auch hier manchmal möglich, leichte Veränderungen, in Absprache mit dem Vorgesetzten, durchzuführen. Auch Offenheit gegenüber den Kollegen kann eine große Hilfe sein. Es ist denkbar, beispielsweise einmal pro Stunde, leichte Dehnübungen, ähnlich den Übungen vor dem Aufstehen, durchzuführen. Im Büroalltag lassen sich manchmal Aufgaben umverteilen. Möglicherweise lässt sich die Arbeitszeit ändern. Entweder durch Stundenreduzierung oder durch angepasste Arbeitszeiten mit mehreren kleinen Pausen. Manchmal muss der Betroffene etwas weniger Gehalt in Kauf nehmen. Das ist jedoch nur ein kleiner Preis für den Erhalt der Arbeitskraft und der Selbstbestätigung.

Der neue Tagesablauf zu Hause

Wer nicht berufstätig ist, wird oft beneidet, weil er sich den Tag frei einteilen kann. Doch die freie Einteilung verführt häufig zu Verhaltensmustern, die den Betroffenen nicht gut tun. Entweder bürden sie sich zu viel auf oder sie verfallen ins Gegenteil und machen wenig oder nichts. Hier besteht auch die Gefahr, in depressive Phasen zu fallen. Der Tagesplan, der jeden Tag neu gestaltet werden sollte, je nach Befindlichkeit, sollte sowohl zu erledigende Aufgaben als auch Ruhezeiten enthalten. Da die Belastbarkeit oft enorm herabgesetzt ist, kann so der Gefahr der Überforderung entgegengewirkt werden. Es müssen nicht alle Fenster an einem Tag geputzt werden, der Rasen muss nicht an einem Tag komplett gemäht werden und das Bügeln darf auf mehrere Tage verteilt werden. Natürlich kann an schmerzärmeren Tagen auch etwas mehr gemacht werden. Doch auch an diesen Tagen sind Ruhezeiten oder Zeiten der Freizeit sehr wichtig.

Endlich Feierabend

Sowohl Berufstätige als auch Nichtberufstätige können sich den Feierabend neu einrichten. Dazu können zum Beispiel verordnete manuelle Therapien gehören. Es kann eine Reha-Sport-Gruppe besucht werden. Man kann den Warmbadetag im Hallenbad nutzen oder Entspannungsgymnastik machen und vieles mehr. Um daraus ein Vergnügen zu machen, ist ein Umdenken erforderlich. Statt diese Aktivitäten als eine zusätzliche Belastung zu sehen, weil man ja etwas für beziehungsweise gegen die Krankheit tun muss, ist es besser, sich daran zu erfreuen, dem Körper etwas mehr Beweglichkeit zu verschaffen.

Auch ganz normale Freizeitbeschäftigungen dienen der Stabilisierung von Körper und Seele. Soziale Kontakte sind außerordentlich wichtig. Auch mit Schmerzen kann man sich mit Freunden treffen. Allein zu Hause werden die Schmerzen bewusster als wenn man sich in einer fröhlichen Runde mit anderen Gesprächsthemen trifft. Oder man beginnt den Feierabend mit einem Spaziergang. Hundebesitzer wissen, wie gut diese regelmäßige Bewegung dem Körper tut und die Seele tankt ebenfalls auf.

Anders schlafen

Die meisten Betroffenen haben regelrecht Angst vor den Nächten entwickelt. Einschlafschwierigkeiten, Durchschlafstörungen, Schmerzen, restless legs (unruhige Beine) und nächtliche Schweißausbrüche sind die Gründe. Medikamente können Linderung verschaffen. Man kann aber auch selbst viel tun. Statt des Fernsehers lässt man ganz leise eine Entspannungsmusik laufen. Die Musik hilft, sich von den Gedanken des Tages zu lösen. Ein angenehmer Raumduft kann ebenfalls bei der Entspannung helfen. Wird man durch die Schmerzen oder restless legs geweckt, sind leichte Einreibungen mit Körperölen angenehm und können die Muskulatur etwas lösen. Ebenso können auch in der Nacht die Übungen zum Aufstehen gemacht werden. Nachts sollten sie allerdings nur kurz durchgeführt werden, um nicht gänzlich wach zu werden. Für dennoch wache Zeiten sollte immer etwas zu trinken, am besten Wasser, bereitstehen. Die Schweißausbrüche sind kaum zu verhindern. Aber man fühlt sich angenehmer, wenn nachts ohne große Umstände die Nachtwäsche gewechselt werden kann und zusätzlich ein Frotteetuch bereitliegt.

One Reply to “Wie leben mit Fibromyalgie?”

  1. Hallo, ich habe Fibromyalgie.
    Über 30 Jahre wusste war nicht bekannt warum ich immer Schmerzen hatte obwohl kein Befund gestellt werden konnte. Ich war halt „eingebildet“ krank. So lange ich noch arbeiten ging habe ich, ohne auf die wirkliche Ursache einzugehen, Valdoxsan und Venlafaxin genommen, da ich durch die vielen Jahre mit Schmerzen auch noch depressiv wurde. Heute bin ich Rentnerin und setze diese Medikamente ab. Der Grund, je länger ich diese Medikamente nahm um so vergesslicher, müder und uninterresierter wurde ich. Jetzt fühle ich mich wacher und kann mir mehr merken, obwohl meine Zeit immer noch stressig ist, meine Schmerzen ihren Tribut fordern und ich mir ,wie im Bericht , meinen Tag nach meinem können einteilen muss. Für mich war es schon befreiend, als mir meine HausÄrztin mitteilte, dass ich nicht unter Einbildung leide sondern Fibromyalgie habe. Dies wurde mir dann von einem Rheumatologen bestätigt. Leider gibt es immer noch Ärzte welche einen zynisch belächeln oder auf die Depression reduzieren.

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