Die Nassrasur liegt im Trend

Mit hochwertigen Utensilien macht das tägliche Rasieren Spaß.

Nass oder trocken, zwischen diesen beiden Überzeugungen liegen bei Männern Welten. Die Wellness-Welle hat die Diskussion neu entfacht.

In nur 18 Monaten rasiert ein durchschnittlich rasierender Mann eine Fläche so groß wie ein Fußballfeld und verbringt ganze 150 Tage seines Lebens mit dem Kampf gegen die immer wiederkehrenden Stoppeln. Zwischen den beiden Überzeugungen „nass“ und „trocken“ liegen bei Männern Welten. Mit zunehmender Sensibilisierung für das Thema „Wellness“ gewinnt die Nassrasur immer mehr Anhänger.

In den Wirtschaftswunderjahren des vorigen Jahrhunderts durfte der elektrische Rasierapparat in keinem Haushalt fehlen. Das tägliche Ritual unblutig zu absolvieren, galt selbst im Friseurhandwerk als Fortschritt, und die Dienstleistung mit Wasser, Seife, Pinsel und Messer verschwand immer mehr aus den Salons. Jetzt scheint sich der Trend umzukehren. In den USA, Kanada und Europa bevorzugen 68 Prozent der Männer die Nassrasur, mit steigender Tendenz.

Tägliches Pflichtritual Rasur

Das wichtigste Ritual bei der täglichen Pflege ist die Rasur. Dabei legen neun von zehn deutschen Männern großen Wert auf ein rasiertes Gesicht – ein Look, den auch die Mehrheit der Frauen bevorzugt. Stoppeln oder Bärte empfindet das weibliche Geschlecht als unattraktiv.

Prominente Nassrasierer und Vorbilder sind zum Beispiel Fußballstar Thierry Henry, Tiger Woods und Roger Federer. Für Thierry Henry ist er genau das Richtige, um am Morgen durchzustarten. „Rasieren ist eines der ersten Dinge, die ich jeden Tag tue – und damit ein Teil meines Lebens wie das Atmen“, sagt der Franzose. „Wenn ich mit dem Rasieren fertig bin, dann kann’s losgehen, dann fühle ich mich bereit, den Tag zu meistern.“

Ein Argument dafür, sich nass zu rasieren, ist für viele Männer auch das frische und gepflegte Gefühl nach der Rasur. Und Frauen verschenken gerne die notwendigen Utensilien, zur Winterzeit zum Beispiel Rasierseife mit Zimt- oder Sandelholznote, im Sommer fruchtig frisch riechende Produkte: Rasierschaum, -gel oder -crème. Zum Aufschäumen der Seife und zum Auftragen des Schaums gibt es Rasierpinsel in allen Preisklassen, von der Kunststoff- über die Schweineborste bis hin zum Dachshaar, vom Plastikgriff bis zur Horn- oder Edelholzausführung.

Rasierpinsel von fünf bis 300 Euro

Davon profitieren auch die Pinselmacher, deren Zunft schon nahezu ausgestorben war, jetzt aber eine Renaissance erlebt. Eines der größten und ältesten Unternehmen ist die Hans-Jürgen Müller KG, die ihre Pinsel unter dem Markennamen „Mühle“ weltweit vertreibt. Der Exportanteil des sächsischen Unternehmens, das mit nur 25 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 3,5 Millionen Euro erzielt, liegt bei 30 Prozent. Geschäftsführer Andreas Müller ist stolz darauf, die gesamte Produktpalette für die Nassrasur anbieten zu können. Bei den Rasierpinseln reicht sie vom Fünf-Euro-Produkt bis zum Silberspitz-Dachshaarpinsel mit Carbongriff für 310 Euro. „Einen ,Silberspitz Dachszupf Handarbeit’ können nur noch wenige Spezialisten herstellen, hochwertiges Material, Akkuratesse und Fingerspitzengefühl entscheiden“, sagt Andreas’ Bruder und ebenfalls Geschäftsführer Christian Müller, der das Bürsten- und Pinselmacherhandwerk von der Pike auf gelernt hat.

„Billige Pinsel sind unangenehm auf der Haut“, weiß Olaf Kraußlach, Vorsitzender des nordrhein-westfälischen Friseurverbands. Für ihn gibt es nichts Schöneres als den weichen Dachshaarpinsel im Gesicht zu spüren. Er teilt mit den Mühle-Chefs die Auffassung, dass die qualitätsvolle Nassrasur das persönliche Wohlbefinden steigert. In Kraußlachs Salon in Vlotho spielt die Dienstleistung Nassrasur schon längst keine Nebenrolle mehr. Neben der Qualität von Pinsel und Klinge stellt für Kraußlach auch der Rasierschaum eine wichtige Zutat im Wohlfühlprogramm für den gepflegten Mann dar. „Die Duftnote ist entscheidend, aber auch das Schlagen der Seife zu Schaum gehört dazu“, sagt der Experte. Die Verwendung von Sprühschaum lehnt er ab. Die Pflege der Männergesichtshaut bezeichnet er als ein unbedingtes Muss. Nach der doppelten Rasur, beim zweiten Durchgang in Gegenrichtung, verschließt er die Poren mit adstringierendem Wasser und beendet die Behandlung mit einer Gesichtscreme. „Die Haut muss in Form gehalten werden“, warnt er seine Kunden vor Nachlässigkeit.

Pinsel, Seife, Klinge und frisches Wasser – Die ritualisierte Nassrasur

Davon sind Kraußlach und Müller überzeugt: Wer einmal die hohe Kunst des Barbierens kennen gelernt hat, möchte nichts anderes mehr. Den Fans der Trockenrasur empfehlen sie das Umsteigen: „Machen Sie aus der Last eine Lust und ein entspannendes Ritual mit pflegendem Schaum, einer Gesichtsmassage und einem Rasurergebnis, das lange vorhält und an jedem Ort gelingt.“ Das kann Diplom-Ingenieur und Globetrotter Jörg Weber aus Leipzig nur bestätigen. „Wer wandert, unterm Sternenhimmel schlafen und die Natur genießen will, sucht Freiheit, keine Belastungen. Ich käme nicht im Traum auf die Idee, hier einen Elektrorasierer zu benutzen“, sagt er, „ganz abgesehen davon, dass Pinsel, Seife, Klinge und frisches Wasser überall einsetzbar sind.“

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